Ich erlebe gerade das gleiche Dilemma, wie vor anderthalb Jahren von hoffnungsvoll hier eingebracht und im Thread "Wie umgehen mit Vertrauensbruch, Lügen, Klauen?" diskutiert.
Unterschied zum genannten Thread ist, dass mein Sohn knapp 6 Jahre ist und dass es ausschließlich um Lügen geht, dass ich nur zu 99% sicher bin, dass er und nicht die Tochter lügt, und dass es nicht um 5 Euro nehmen, sondern um die simple Frage ging, "Was ist denn hier passiert?"
Gestern früh haben wir Kleider ausgemistet, und was zu klein war oder nicht mehr passt, aussortiert. So auch ein Oberteil, das noch passt, dem Sohn aber nicht gefällt, also wegsoll. Also kam es in die Kiste "Zu klein/groß".
Gestern Abend liegt dieses Oberteil nass in der Kinderzimmertür. Ich hebe es auf, frage nach, was damit ist, wie kommt es, dass es nass ist.
Bis dahin war meiner Erinnerung nach alles normal und ruhiges Familienleben gewesen. Beide Kinder sagen, dass sie es nicht wissen, warum es nass ist und dass sie es auch nicht waren, die es nass gemacht haben.
Der Sicherheit halber frage ich auch meine Frau, ob sie das Oberteil nass gemacht hat, natürlich war sie es nicht, und dann stelle ich die Frage nochmal meinen Kindern.
In diesem Moment war bei mir etwas umgeschlagen:
Ursprünglich wollte ich eigentlich nur wissen, was da passiert ist, wie es kam, dass ein Oberteil, das aussortiert in einem Karton lag, das niemand getragen hatte, plötzlich nass am Boden liegt.
Plötzlich ging es mir nur noch darum, zu erfahren, warum eines meiner beiden Kinder mich anlügt, und damit sein Geschwisterkind in eine missliche Lage bringt. Ich sagte ihnen, dass es ja nicht schlimm ist, wenn sie Quatsch gemacht haben, dass ich einfach nur wissen wollte, was passiert war, aber dass jetzt, da doch offensichtlich ein Kind die Unwahrheit sagt, ich das sehr wohl schlimm finde.
Es ging eine ganze Weile hin und her. Aus einer Lappalie hatte sich ein ernstes Vertrauensproblem entwickelt. Mir schien es nicht gut zu sein, die Sache auf sich beruhen zu lassen und es zu tolerieren, dass mein Kind mich anlügt, wenn es das für sich für besser hält. Und mir war nicht wohl dabei, zu wissen, dass eines meiner beiden Kinder mich anlügt, und das andere irgendwie auch in den Verdacht geraten ist, dass es selbst das Kind sei, das lügt. Obwohl es nicht gelogen hatte.
Je länger sich die Sache hinzog, desto schwieriger wurde es.
Ich war mir schon ziemlich sicher gewesen, dass der Sohn die Unwahrheit gesagt hatte, deshalb setzte ich ihn alleine in ein Zimmer, sagte ihm, dass ich von ihm erwarte, dass er mir die wahre Geschichte erzählt, wie das Oberteil nass wurde, dass er sich bei seiner Schwester entschuldigt, weil er sie unverdienterweise in Verlegenheit gebracht hatte und dass er nicht mehr lügen darf.
Nachdem er auch sehr lange nicht aus dem Zimmer kam, fragte ich die Schwester. Ob sie es ehrlich nicht war. Dass sie wissen müsste, dass wenn sie ihren Bruder zu Unrecht unter Verdacht bringt, dass das ganz schlecht und unfair ist. Aber sie beteuerte, dass sie es wirklich nicht war. Also sagte ich ihr, dass sie mit dem Bruder reden soll, dass sie ihn vielleicht bewegen kann, zur Wahrheit zurückzukehren.
Nun besprachen sich die beiden Kinder. Meine Frau, die direkt nebenan war wurde Zeuge des Gesprächs. Der Sohn instruierte also seine kleine Schwester, schuf eine neue Geschichte, wie sie es erzählen sollten, so dass am Ende, er also nichts mit dem nassen Oberteil zu tun hatte. Nachdem die Story soweit stand, kamen beide und der Sohn erzählte also eine Geschichte, die anfangs wahrscheinlich den Tatsachen entsprach, und später dann kam die überraschende Wendung, "dass er dann sagen würde, dass er es gewesen wäre, und aber jemand anders es war..." Also eine ganz schöne Kindergeschichte. Sehr fantasievoll, aber leider war der Bruch dadurch nicht geheilt.
Mir war es ja nicht mehr in erster Linie darum gegangen, zu erfahren, wie das Oberteil nass wurde, sondern mich irritierte dass mein Kind mir die Unwahrheit sagte, wenn ich es fragte. Dass mein Kind glaubte oder so tat als ob es glaubte, dass ich ihm eine Lügengeschichte schon abnehmen würde, wenn es nur lange und beharrlich genug daran festhielt.
Ich nahm ihm die Geschichte also nicht ab, sagte ihm, dass er bitte nochmal nachdenken soll. Dass es überhaupt nicht schlimm ist, wenn er Quatsch gemacht hat, und auch wenn er erst etwas Falsches gesagt hat. Dass es jetzt aber wirklich wichtig ist, dass wir wieder zu einer vertrauensvollen Beziehung kommen müssen. Ich muss ihm glauben können. Und das geht nicht, wenn er mir eine Geschichte verkaufen will, die nicht stimmt.
Es war dann sehr spät geworden, ich habe ihn ins Bett geschickt. Auch wenn ich es tausendmal lieber gehabt hätte, das Thema vor dem Schlafengehen abgeschlossen zu haben. Jetzt schläft er - und ich kann nicht schlafen, weil ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll.
Es einfach auf sich beruhen lassen?
Dann weiß ich nie, ob er mir eine Geschichte oder die Wahrheit erzählt. Ich will das so nicht haben. Das untergräbt unser Vertrauen.
Offtopic: Vor ein paar Wochen kam er weinend zu mir gerannt, 2 Jungs hätten ihm irgendwie weh getan, und dann sind sie weggerannt. Ok, wo sind sie hin? Ich bin mit ihm an der Hand also dorthin gegangen. Vor dem nächsten Haus fanden wir die beiden und ich habe sie gefragt, was da vorgefallen ist. Die beiden haben mir eine andere Geschichte erzählt. Der Papa des einen kam dazu und stellte sich, quasi spiegelbildlich zu mir, ebenfalls vor seinen Sohn. Nun haben wir beide Papas uns nicht gestritten, sondern irgendwie versucht der Sache gerecht zu werden. Die Wahrheit herauszufinden, so dass wir ein Kind, das sich fehlverhalten hatte rügen und das Kind, dem Unrecht widerfahren war trösten könnten.
Die wahre WAHRHEIT konnten wir beide nicht rausfinden. Also ermahnten wir beide Papas alle drei Jungs zu Fairness und ich ging mit meinem Sohn wieder nach Hause. Ich tröstete ihn zwar auf dem Heimweg, aber in mir nagte der Zweifel, bzw. der Verdacht, die Ahnung, dass mein Sohn mich angelogen hatte. Dass er sich mir gegenüber als Unschuldslamm verkauft hatte, und dabei aber den beiden Jungs gegenüber unredlich gehandelt hatte.