Entscheidungen, Entscheidungen...

  • Hallo ihr Lieben,


    ich stehe derzeit vor einem Dilemma.


    Ich merke immer mehr, dass der Job im Schichtbetrieb, in der Routine nichts für mich ist. Die ungeregelten Tagesabläufe, die vielen Abende und Wochenende, die ich nicht mit meinem Kind (oder auch meinen Freunden) verbringen kann, schlauchen mich. Die Aufgaben, die ich rundherum habe, machen mir deutlich mehr Spaß als das, was mein "täglich Brot" ausmacht. Ich denke mich gerne in neue Sachen ein, finde Lösungen für Probleme, verschriftliche Abläufe... und darin bin ich richtig gut. Also habe ich mich auf einen anderen Job beworben, wo ich all das als Hauptaufgabe machen kann - 9 to 5, Homeoffice, mehr "Denkarbeit" , mehr Kohle - und ihn auch bekommen, der unterschriftsreife Vertrag liegt bei mir.


    Nun muss ich sagen, dass es menschlich in meiner jetzigen Arbeit ziemlich gut passt. Ich weiß, ich habe hier auch schon über meinen "neuen" Chef geschimpft, aber mit dem verstehe ich mich mittlerweile richtig gut. Ja, er kann einen ziemlich abkanzeln, wenn man Mist baut, aber anderseits lobt er auch, wenn Sachen gut gemacht werden, und genauso laut und deutlich wie seinen Unmut äußert er auch seine Wertschätzung, wenn man sie sich verdient hat. Und mit den anderen Kollegen verstehe ich mich auch ziemlich gut, wir sind eine coole Truppe, in der es - klar - auch mal Zoff gibt, aber im großen und ganzen sind wir wirklich harmonisch.


    Nun bin ich mit der Erwartung in das Kündigungsgespräch mit meinem Chef gegangen, dass er (wie bei solchen Gelegenheiten eigentlich immer) sagt: OK, da ist die Tür, viel Glück.


    Tja, hat er aber nicht, im Gegenteil. Er hat mich gefragt, was er mir bieten muss, um mich zu halten, mir im Großen und Ganzen eine Stelle angeboten, die genau das ist, was ich mir wünsche (sowohl von der Tätigkeit her, arbeitszeitmäßig und finanziell) - und ich könnte meine Kollegen behalten. Allerdings noch nicht schriftlich, weil die Stelle erst mal offiziell ausgeschrieben werden muss, dann muss ich mich bewerben, bevor er sich letztendlich offiziell "für mich entscheiden" kann. Schmeckt ihm auch nicht, weil er das aus der freien Wirtschaft anders kennt, aber so ist das vorgegebene Procedere. Sprich, ich müsste mich vorerst auf sein Wort verlassen, und so schnell, wie ich den anderen Job antreten könnte, ginge es wohl auch nicht.


    Also ist die Frage, entscheide ich mich für das Risiko, nichts als ein Wort zu haben, was die Arbeitsbedingungen und die Finanzen betrifft, kann aber dafür meinen Chef und meine Kollegen, die mir lieb und teuer sind, behalten (und auch "mein Baby", das Labor, weiter betreuen), oder wähle ich die Sicherheit des neuen Vertrages, muss dafür aber die Menschen und das, was ich bis jetzt mit "geschaffen" habe zurücklassen?

    Man sitzt insgesamt viel zu wenig am Meer...

  • PUHHHHHHHHHH....8|8|8|8|8| ganz, ganz schwierig.


    Wie verlässlich ist dein Chef, hat er tatsächlich die Möglichkeit, diese Stelle so auf dich auszuschreiben, dass du sie dann auch bekommst? Und wenn ja, von welchem Zeitraum von der Ausschreibung bis zum unterschriebenen Vertrag sprechen wir hier?


    Wenn du die neue Stelle jetzt sausen lässt, hast du - falls dein Chef das nicht hinkriegt - die Möglichkeit, dich auf eine andere, vergleichbare Stelle zu bewerben, sprich: wie sieht die Stellensituation insgesamt aus?


    Das ist das, was mir spontan einfällt, die anderen haben bestimmt noch mehr Gedanken dazu.


    Mir persönlich war immer und ist nach wie vor das Arbeitsklima mit den Kollegen, Vorgesetzten und auch insgesamt wichtig. Im Zweifelsfalle also immer erst für für den "Angeklagten" ;).


    PS. Irgendwie habe ich mir sowas gedacht ;).

  • Wie verlässlich ist dein Chef, hat er tatsächlich die Möglichkeit, diese Stelle so auf dich auszuschreiben, dass du sie dann auch bekommst? Und wenn ja, von welchem Zeitraum von der Ausschreibung bis zum unterschriebenen Vertrag sprechen wir hier?

    Ich (mit meinem Hang zu naiver Gutgläubigkeit und der Annahme ein Versprechen für andere genauso viel zählt wie für mich ;):S) halte meinen Chef für einem vom "alten Schlag", für den ein gegebenes Wort schon zählt. Er hat gemeint, bis Ende des Jahres wäre auf jeden Fall realisierbar (die andere Stelle würde im Oktober starten), wobei ich die Dienste eigentlich unbedingt ab Oktober aufhören möchte. Mit dem Geld usw. würde ich mich eher noch gedulden.

    Es gibt halt vor meinem Chef noch einen Vorgesetzten, und davor dann noch die Geschäftsführung... wobei die nächsthöhere Instanz schon grünes Licht für die Stelle gegeben hat - allerdings ihm, nicht mir, ich habe da also nichts schriftliches in meinem Postfach, nur bei ihm gelesen.



    Wenn du die neue Stelle jetzt sausen lässt, hast du - falls dein Chef das nicht hinkriegt - die Möglichkeit, dich auf eine andere, vergleichbare Stelle zu bewerben, sprich: wie sieht die Stellensituation insgesamt aus?

    Naja, in der Routine komme ich immer wieder unter, das ist kein Problem. Das ist halt jetzt das Sprungbrett raus aus der Routine für mich, und das würde ich schon gerne nutzen. Ich möchte halt nur gerne das Absturzrisiko minimieren ;).

    Man sitzt insgesamt viel zu wenig am Meer...

  • Ähnliches hatte ich letztes Jahr. Ich hatte ein Angebot bekommen, ohne mich beworben zu haben. Ich habe mir alles angesehen, interessant, deutlich mehr Geld und vermutlich weniger Stress. Arbeitsvertrag lag mir vor.
    Mit meinem Chef gesprochen, mündlich! gekündigt. Er wollte mich gern behalten, finanziell nachgebessert. Ich war auf dem Sprung. Aber, ich war ganz schrecklich hin und her gerissen. Hatte mir grad was aufgebaut, super direkten Kollegen. Die Situation hat mich heftigst gestresst. Nach einer besonders schlaflosen Nacht war mir dann endlich klar, dass ich das nicht aufgeben kann und möchte. Ich habe mich für die alte Arbeit entschieden. Für mich war das richtig. Auch wenn der Stress nicht weniger geworden ist und weiter neue zusätzliche Aufgaben kommen. Der Arbeitsort und Erreichbarkeit war ein weiteres Argument für mich. Für mich war die Entscheidung richtig.


    Letzte Woche kam ein weiteres Angebot… hab abgelehnt.


    Vielleicht hilft dir das ja irgendwie. Schwere Entscheidung. Wie sie aussieht, kannst nur Du entscheiden. Ich wünsche dir viel Glück dabei 🍀

  • Ich würde zumindest das Risiko, dass es nicht klappt nicht allein tragen wollen. Auch im ÖD gibt's Maßnahmen um Mitarbeiter*innen zu halten. Vielleicht kann man sofort und für die Übergangszeit einen Bonus und ggf. andere Arbeitszeiten als Haltemaßnahme vereinbaren?

    LG Campusmami



    Sonne muss von Innen scheinen :sonne


    Das Leben findet draußen statt :rainbow: .

  • Auf das reine Wort würde ich mich persönlich nicht verlassen.

    Kann nämlich auch schnell passieren, daß jemand noch qualifizierteres bewirbt und dein Chef wirklich gut argumentieren muss, um sich bei den Entscheidenden durchzusetzen.

    Welche Freiheiten/ Entscheidungsrecht hat er denn? Alleiniges? Bist du im ÖD?

  • Die Entscheidung kann Dir niemand abnehmen, das ist ja klar. Als die stellvertretende Leitung der Kita, in der meine Freundin arbeitet (ÖD), Leitung wurde, musste die Stelle der Stellvertretung neu ausgeschrieben werden. Da hat es auch geheißen, wenn meine Freundin sich bewirbt, sei klar, dass sie die Stelle bekommt. Pustekuchen. Es kam eine Dame, die vorher beim Jugendamt gearbeitet hat. Das ging auch nicht so ganz mit rechten Dingen zu; aber Fakt ist, dass meine Freundin mit´m Ofenrohr ins Gebirge gucken kann.


    Wenn Dein Chef Dich so dringend halten möchte - kann er Dir nicht irgendetwas schriftliches an die Hand geben? Dass das menschliche so gut passt, ist natürlich Gold wert. Wiegt aber vermutlich langfristig die Nacht- und Wochenenddienste nicht mehr auf?

    LG
    CoCo




    Halte mich fern von der Weisheit, die nicht weint; von der Philosophie, die nicht lacht und von der Größe, die sich nicht vor Kindern verneigt.
    ~ Kalil Gibran ~

  • Das Absturzrisiko kannst du nur begrenzt minimieren. Manchmal geht es gut, manchmal nicht.


    Mir zum Beispiel geht es so, dass ich ich aus heutiger Sicht beruflich nicht noch mal wechseln würde. 🤷‍♀️


    Dabei hörte sich vor 2 Jahren alles einfach nur super an.

  • Also, die Entscheidung ist gefallen. Gerade habe ich der "neuen" Firma abgesagt. Mein Chef hat mir schriftlich so viel Zusage gemacht, wie ihm möglich ist, und auch wenn ich keine 100%ige Garantie habe, dass es auch so kommt, bin ich sehr zuversichtlich. Nun heißt es Abwarten und hoffen, dass ich mich richtig entschieden habe.

    Welche Freiheiten/ Entscheidungsrecht hat er denn? Alleiniges? Bist du im ÖD?

    Ich bin im ÖD, vor ihm ist die Geschäftsführung geschaltet, die aber mit im Boot ist. Es geht halt nur nicht von jetzt auf gleich, sondern dauert ein paar Tage/Wochen, bis alles in trockenen Tüchern ist.


    hättest du nicht gekündigt wäre nichts passiert - das ist keine Wertschätzung und nun wirst du auch vertröstet...

    Die Wertschätzung gab es schon vorher. Wenn er findet, dass etwas gut gemacht ist, kommuniziert er das sehr deutlich und direkt (genauso deutlich und direkt kommuniziert er aber auch, wenn er etwas nicht gut findet, also ist das nicht nur Lobhudelei, sondern "echt").


    Wie auch immer, der Elefant auf meiner Brust hat sich erhoben, es ist jetzt, wie es ist, und ich fahre erstmal mit Freunden 4 Tage auf Kurzurlaub. Ich danke euch für euren Input.

    Man sitzt insgesamt viel zu wenig am Meer...

  • So, heute nun war es so weit... meinen Kolleg(inn)en ist bei der wöchentlichen Besprechung mitgeteilt worden, dass ich ab 1.10. nicht mehr im Labor arbeite, sondern ins QM-Team wechsle. Soweit ist alles safe, die Stelle ist offiziell ausgeschrieben worden, ich habe mich darauf beworben und mein Chef hat sich für mich "entschieden", der Betriebsrat hat alles abgesegnet und die Personalabteilung bereitet den Schriftkram für die Versetzung vor. Noch 4 Nachtdienste, 2 Wochenenden und 4 Spätdienste, dann bin ich die Schichterei los. Das ist wirklich ein schönes Gefühl.

    Man sitzt insgesamt viel zu wenig am Meer...

  • So, heute nun war es so weit... meinen Kolleg(inn)en ist bei der wöchentlichen Besprechung mitgeteilt worden, dass ich ab 1.10. nicht mehr im Labor arbeite, sondern ins QM-Team wechsle. Soweit ist alles safe, die Stelle ist offiziell ausgeschrieben worden, ich habe mich darauf beworben und mein Chef hat sich für mich "entschieden", der Betriebsrat hat alles abgesegnet und die Personalabteilung bereitet den Schriftkram für die Versetzung vor. Noch 4 Nachtdienste, 2 Wochenenden und 4 Spätdienste, dann bin ich die Schichterei los. Das ist wirklich ein schönes Gefühl.

    Gratulation zum neuen Job :thumbup:

    Bevor du mit dem Kopf durch die Wand gehst, überlege zuerst.........

    Was mache ich im Nebenzimmer ? (unbekannt)

  • Mittlerweile sind fast 5 Monate vergangen, seitdem ich aus der Routine ins Qualitätsmanagement gegangen bin, und was soll ich sagen - es war die beste Entscheidung ever. Mittlerweile bin ich Projektmanagerin für alle vier Labore in unserem Klinikverbund - immerhin der größte Gesundheitsversorger der Stadt München. Und obwohl ich das nicht gelernt habe, mache ich meinen Job echt gut, wie mir immer wieder gespiegelt wird. Das ist ein schönes Gefühl. Ich arbeite in einem tollen Team und kann trotzdem fast alle meiner Ideen umsetzen. Mein Chef sagt, er kann mich einfach "laufen lassen", weil er sich drauf verlassen kann, dass ich meinen Job mache. Manchmal ist es mir fast unheimlich, wieviel freie Hand er mir lässt.


    Ich bin froh, dass ich mich durch die holprige Anfangszeit gebissen (am Anfang bin ich mit ihm ja überhaupt nicht zurecht gekommen) und ihm eine Chance gegeben habe. Ich bin mir sicher, bei einem anderen Vorgesetzten hätte ich die Chance nicht bekommen.

    Man sitzt insgesamt viel zu wenig am Meer...

  • Wow, das klingt super! Herzlichen Glückwunsch zum Erfolg im neuen Job.

    Vermisst Du das Labor manchmal? Ich hätte vor Jahren eine Chance gehabt, nicht mehr selber zu laborieren, sondern im Hintergrund Fäden zu ziehen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich ohne "Handarbeit" nicht glücklich werden kann.

    Through judging, we seperate. Through understanding, we grow.
    - Doe Zantamata -

  • Wow, das klingt super! Herzlichen Glückwunsch zum Erfolg im neuen Job.

    Vermisst Du das Labor manchmal? Ich hätte vor Jahren eine Chance gehabt, nicht mehr selber zu laborieren, sondern im Hintergrund Fäden zu ziehen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich ohne "Handarbeit" nicht glücklich werden kann.

    Vielen Dank. Bis jetzt vermisse ich das Labor nicht - immerhin ist es nur ein paar Schritte entfernt, und ich habe sehr viel mit den Kollegen/innen dort zu tun. Ich bin bei allen Teambesprechungen dabei. Wenn wir neue Geräte bekommen oder neue Parameter einführen, bin ich dabei, um z.B. die Verifizierungen zu unterstützen. Da ich die internen Gerätebücher schreibe, werde ich auch auf jedem neuen Gerät geschult. Ich hätte auch die Möglichkeit gehabt, jeden Monat einmal an einen Laborarbeitsplatz zu gehen, um "in touch" zu bleiben, doch da habe ich mich bewusst dagegen entschieden. Es war mir einfach "zu gefährlich", dass ich bei Personalengpässen (die wir eigentlich ständig haben) dann Schichten übernehmen muss.


    Außerdem gefällt es mir, dass ich jetzt so frei bin, in dem was ich tue. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Vielleicht passt das: Ich bin früher sehr gerne geritten, meist im Gelände. Am Liebsten war mir der Herbst, wenn die Felder gerade abgeerntet waren, weil wir da dann die Pferde einfach mal ein Stück richtig rennen lassen konnten. Das hat sich ein bisschen wie Fliegen angefühlt. Aber nach den Feldern kamen immer Straßen, und wir mussten die Pferde dann recht schnell zurücknehmen - das wiederum hat weder ihnen noch uns Spaß gemacht.


    Und dann war ich in Ungarn. Da gab es Stoppelfelder, die gingen ohne Unterbrechung bis zum Horizont. Da hat man wirklich die Zügel loslassen und das Pferd rennen lassen können, bis es keine Lust mehr hatte und von selbst aufgehört hat. Das war WIRKLICH wie Fliegen. Danach kamen mir die hiesigen Stoppelfelder immer winzig vor, und ich habe mich nie wieder so frei gefühlt.


    Ich fühle mich Jobmäßig gerade wie auf einem ungarischen Stoppelfeld. Mein Chef lässt mich fliegen, ohne mir im Zügel zu hängen, und ich kann die Richtung und das Tempo ganz allein bestimmen, solange es nur vorwärts geht.

    Man sitzt insgesamt viel zu wenig am Meer...

  • Danke schön für Deinen ausführlichen und emotionalen Bericht. Ich kann nachvollziehen, was Du meinst, auch wenn ich selber keine Reiterin bin. :D

    Ich wünsche Dir weiterhin ganz viele Glücksgefühle und Freiheit!

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    - Doe Zantamata -