ADS als erwachsene Person

  • Ich bin mir jetzt nicht so sicher, aber ich denke ich bin eine von ADS betroffene Erwachsene. Demnächst möchte ich das mal abklären lassen. Als kleines Kind war ich eher ruhig und völlig unkompliziert. In der Grundschule habe ich die Dinge schnell kapiert und dann lieber aus dem Fenster geschaut, während die Lehrer den Stoff anderen noch weiter bei gebracht haben. Ich bin ziemlich chaotisch und räume nicht so gern auf. Im Laufe des Lebens habe ich es aber doch auf die Reihe bekommen einigermaßen Ordnung zu halten und mehrere Berufsausbildungen zu machen. Meine Finanzen hab ich auch einigermaßen im Griff. Ich habe keine großen Schulden. Ich liebe es neue Orte und neue Fähigkeiten zu entdecken. Im Laufe meines jüngeren Lebens bin ich öfter umgezogen um neue Jobs und neue Leute kennen zu lernen. ich gebe so gut wie nie irgendwas auf. Ich hab so zwei Seelen in der Brust. die eine will was erleben, feiern, neues kennen lernen usw. und die andere ist sehr auf die Ordnung der Finanzen bedacht und das es nicht total ausartet und es gemütlich ist. Das erste wäre ich, wenn ich mir das andere nicht angeeignet hätte. Ich kann heute oft nach anstrengenden Situationen erstmal nichts machen, weil alles so viel Energie gekostet hat. Kennt ihr das auch?

    Glaube an Wunder, Liebe und Glück. Schau nach vorn und nicht zurück. Tu was du willst, und steh dazu, denn dein Leben lebst nur Du.
    (altes Sprichwort)


    Das Leben ist das was passiert, während wir dabei sind, andere Pläne zu machen. (John Lennon)



    2 Mal editiert, zuletzt von Lara-Marie ()

  • Ich kann heute oft nach anstrengenden Situationen erstmal nichts machen, weil alles so viel Energie gekostet hat. Kennt ihr das auch?

    Das kenne ich gut. Wird bei mir der PTBS zugeschrieben.

    LG
    CoCo




    Halte mich fern von der Weisheit, die nicht weint; von der Philosophie, die nicht lacht und von der Größe, die sich nicht vor Kindern verneigt.
    ~ Kalil Gibran ~

  • AD(h)s im Erwachsenenalter rückt zunehmend in den Fokus - was sicherlich gut und richtig ist. Es ist keine „neue“ Krankheit, keine „Modediagnose“.


    Fachärzte sind sich mittlerweile weitgehend einig, dass es sich um eine Neurotransmitterstörung des Dopaminrezeptors handelt und dass AD(H)s zu einem hohen Prozentfaktor genetisch bedingt ist.


    Man nimmt Dinge anders, sozusagen „mehr“, wahr. Es ist, als ob man ständig auf „Empfang“ geschaltet ist. Das ist es, was teilweise anstrengend ist. Und daraus resultierten oft die klassischen Symptome, der „Rückzug“ in sich selbst (ADS) oder salopp formuliert die Impulskontrollstörungen - eben weil die ganzen Eindrücke, Wahrnehmungen zu viel sind (ADHS). Sicherlich gibt es auch „Mischformen“. Das „Krankheitsbild“ hat viele Facetten. Nicht jede(r) ist eine „verkrachte“ oder „gescheiterte Existenz“😉. Es gibt viele Erwachsene, die gelernt haben, mit dem ADS / ADHS gut zu leben.


    Strukturen, klare Linien sind das A und O im Leben. Damit meine ich beispielsweise Problemlösungsstrategien oder Strategien zur Selbstorganisation (Ordnung) und Selbstkontrolle.


    Dazu gehören bestimmte „Säulen“: Familie, Beruf, Gesundheit, finanzielle Sicherheit, Glaube, Werte und Haltungen und auch ein stabiles soziales Umfeld. Diese „Säulen“ hat aber eigentlich jeder, mit unterschiedlichen Prioritäten, der/die eine mehr, der/die andere weniger.


    Mein Vater wäre ohne meine Mutter, die ihm Zeit ihres Lebens Strukturen und Halt gegeben hat (was für sie beileibe nicht immer einfach war!) verloren gewesen. Im Gegenzug war mein Vater sozusagen der „kreative Kopf“, der auch durchaus ungewöhnliche Wege beschritten hat. Schlussendlich haben sie sich m.E. gut ergänzt und vor allem zusammen gehalten.


    Durch das „Chaos im Kopf“ (bedingt durch die erweiterte Wahrnehmung, das nicht „filtern“ können) fällt es AD(H)S’lern oft schwerer als anderen, sich diese Strukturen zu schaffen und sie dann auch einzuhalten.


    Rutscht man, aus welchen Gründen auch immer, aus seinen Strukturen raus, kann es schwierig werden. Bei mir sind die letzten 3 Jahre ein klassisches Beispiel. Der Tod meines Hundes, die Belastung durch zwei Arbeitsstandorte, die später folgende Trennung von Herrn Noch hat meine eigenen „Säulen“ fast komplett zerschossen - DAS war das eigentliche Trümmerfeld (sorry, mir fällt gerade kein anderes Wort ein, bitte nicht auch dieses Wort wieder als Trigger oder Anspielung wahrnehmen!!!), in dessen Folge ich aus meinen eigenen Strukturen herausgerutscht bin.


    Das nicht aufgeben kenne ich von mir auch. Ich habe nie aufgegeben, auch wenn der eine oder andere Umweg (z.B. die Umzüge) aus jetziger Perspektive „dumm“ war. Nicht aufgeben heißt in dem Zusammenhang, dass man nicht im Chaos verbleibt, sondern eine Baustelle nach der anderen abarbeitet, sortiert und sich neue Strukturen schafft.


    Es gibt medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapie-/Behandlungsmöglichkeiten. Ritalin / Methylphenidad ist wohl die bekannteste. Abgesehen davon, dass das Medikament unter das BTM-Gesetz fällt, verträgt es nicht jede(r). Depression ist eine der häufigeren Nebenwirkungen. Aber selbst wenn man das Medikament verträgt (was das Ganze sicherlich einfacher macht!), sollten verhaltenstherapeutische Programme (z.B. im Bereich der Selbstorganisation und Selbstkontrolle, der Entwicklung von Problemlösungsstrategien, etc.) dazu gehören.

    Das war jetzt viel auf einmal - ich hoffe, es ist okay so. Edit: hier wurde nach eigenen Erfahrungen gefragt - das sind meine.

  • Oh, ein Interessantes Thema und da klinke ich mich direkt mal mit ein. Ich war als Kind immer sehr ruhig und unauffällig. Wenn wir mal Ausflüge geplant hatten und es hieß wir starten um Uhrzeit X, war es für mich als Kind ein wahnsinns Problem damit umzugehen wenn wir diese Uhrzeit nicht eingehalten haben. Ich war da enorm Penibel. Auch heute ist dies noch so. Wenn ich plane um 07.25 Uhr zu starten und ich schaffe es nicht, ist meine Planung nicht mehr stabil und ich benötige eine ganze Weile um für mich selbst aus der Situation wieder rauszufinden und damit klar zu kommen das ich eben erst 07.40 Uhr gestartet bin. Das klappt manchmal echt gut, manchmal aber auch nicht.


    Ebenfalls bin ich chaotisch und mir fällt es schwer Ordnung zu halten. Wenn ich mir einen Plan zurecht lege, dann bekomme ich das auch gut hin, muss jedoch schauen das ich mich nicht durch irgendwas anderes ablenken lasse.


    Manchmal fange ich Sachen an und schaffe es nicht, diese (wie geplant ) zu beenden.


    Wenn wir Dienstberatung haben, die teilweise 2 Stunden dauert, bin ich nach 45 Minuten echt geschafft . Also das ruhig Sitzen schaffe ich nicht immer. Ebenfalls ist es für mich enorm anstrengend wenn dann durcheinander geredet wird. Das ist der Punkt wo ich dann abschalte, da ich das Gesprochene nicht mehr auseinanderhalten kann und ich im Grunde nur noch Stimmen höre, ohne zu verstehen was gesprochen wird.

  • Ich als Kind... kein Baum war vor mir sicher, wenn ich irgendwie laufen oder klettern konnte, war ich unterwegs. Ich hatte ständig Schürfwunden, später dann (ab der weiterführenden Schule) sind meine Eltern mit mir regelmäßig ins Krankenhaus wegen gebrochener Knochen gefahren, weil ich mich mal wieder lang gelegt habe. Ständig unterwegs, still sitzen, zuhören, Konzentration war oft ein Problem.


    Mein Freund sagt, ihm fällt auf, dass ich gerne viele verschiedene Dinge anfange und es mir dann zuweilen schwer fällt, sie zu beenden. Verschieberitis nennt man das wohl ;). Ich sage: ohne meinen Terminkalender und meine to-do-Listen bin ich aufgeschmissen. Beides sind meine Strategien, um das "Chaos im Kopf" zu bewältigen. Sonst fällt ihm nichts auf... nix mit Impulskontrollstörungen oder Jähzorn (der den ADHS`lern gerne nachgesagt wird) o.ä. Ich kann durchaus auch sauer / deutlich werden, aber dazu muss man mich schon sehr und über einen längeren Zeitraum ärgern oder reizen. Auch in Sachen Ordnung hat er nichts zu meckern.;) Mein Schreibtisch war und ist nach wie vor allerdings eine Vollkatastrophe - allerdings weiß ich immer, wo was liegt. In dem Moment, in dem ich aufräume, suche ich mich dumm und dusselig.


    Stundenlanges Stillsitzen, dabei zuhören und mich zu konzentrieren fällt mir sehr schwer. Einfacher ist es, wenn ich irgendwas in der Hand habe und mich so "erden" kann. Als Jugendliche wurde ich oft angesprochen, dass ich auch im Sitzen ständig in Bewegung war. Meditieren geht gar nicht, da werde ich unruhig. Progressive Muskelentspannung ist eher "meins", da kann es sogar passieren, dass ich einschlafe.


    Eine meiner Schwächen ist es, dass ich aufpassen muss, andere ausreden zu lassen. Ich denke manchmal zu schnell und auf verschiedenen Ebenen.


    Durcheinander, viele gesprochene Stimmen gleichzeitig machen mich nervös. Das kann laut Hörgeräteakustiker aber auch eine "Alterserscheinung" sein. Rockkonzerte sind mir schlichtweg zu viel, zu laut, zu viele Menschen usw.


    Ich brauche immer wieder Zeit für mich (auch wenn es nur 5 Minuten sind), in denen ich kurz abschalten bzw. mich neu sortieren kann. Auch das ist eine meiner Strategien, die ich mir erarbeitet habe.


    Methylphenidad vertrage ich nicht.

  • Wo fängt ADS /ADHS an?

    Was bringt es, was ändert sich, wenn ich als erwachsener Mensch, der darunter nicht übel leidet, die Diagnose bekomme.


    Lara-Marie was erhoffst Du Dir?




    Alles, was ich hier bis jetzt gelesen habe, kommt mir entweder bei anderen oder bei mir bekannt vor.

    Für mich alles Facetten des Menschsein.

    Ein wenig Monk steckt doch in jedem🌻


    Bitte nicht falsch verstehen, ich bestreite Null die Existenz von ADS, ADHS.


    Jedoch bin ich durchaus kritisch, es bedarf da schon einer guten umfassenden Diagnostik.


    Ich sach mal so, nicht jeder Mensch, der mal ne schlechte Zeit durchlebt, hat Depressionen, nicht jeder Mensch, der Menschenansammlungen nicht mag usw hat ADS, ADHS.


    Liebe Grüße


    Ute

  • Gute Frage!


    Bei mir hat sich durch die Diagnostik nicht viel geändert, außer dass ich bewusster durchs Leben gehe, mehr auf mich achte, weiß, was ich brauche und was definitiv nicht. Dass ich zuweilen tatsächlich „Stops“ einbaue.


    „Verstecken“ sollte man sich dahinter nicht - meine Meinung.

  • Vielleicht ist die Diagnose deshalb wichtig, um endlich zu wissen was man hat. Man kann es dann klarer benennen und fühlt sich nicht mehr alleine mit den Symptomen.

    Und kann dann schauen, was hat anderen geholfen, was könnte mir evtl. helfen......im Enddefekt sollte dann jeder seinen eigenen Weg finden.

    Ich war froh, als ich meine Diagnose (MS ) hatte - egal wie scheiße die ist - ich kriege jetzt viele Symptome unter einen Hut.

    Bevor du mit dem Kopf durch die Wand gehst, überlege zuerst.........

    Was mache ich im Nebenzimmer ? (unbekannt)