Steile Sätze von SPD-Chef Gabriel heute in der BILD. Es sei ein "Skandal, dass drei Viertel der Kinder alleinerziehender Mütter keinen oder zu geringen Unterhalt vom Kindesvater bekommen", meint Gabriel. "Da muss sich dringend etwas ändern." Gabriels Idee: Eine Änderung des Unterhaltsrechts.
Sein konkreter Vorschlag: Der Unterhaltsvorschuss solle länger gezahlt werden, "von derzeit zwölf Jahren auf mindestens 16 Jahre". Und der Staat müsse "stärkere Druckmittel bekommen, um Väter zu zwingen, ihren Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen". Gabriels Idee: Neben der bislang schon möglichen Lohnpfändung wäre auch der Führerscheinentzug "ein geeignetes Mittel".
Man freut sich ja, wenn jemand etwas für Alleinerziehende tun will. Denn das ist dringend nötig. Wenn das Thema aber im Sommerloch wie die berühmte Sau durchs Dorf gejagt wird, bekommt man schnell Bauchschmerzen. Denn die steilen Thesen scheinen einzig eine oberflächliche Kenntnis der Problematik zu zeigen. Halt Gabriels Erinnerung an die Zeit, als seine Mutter ihn und den oder die Geschwister als AE hat durchbringen müssen, wie er selbst berichtet.
Als AE-Vater regt man sich ja schon gar nicht mehr darüber auf, dass die Spitzenpolitiker Alleinerziehende immer als Mütter mit Kindern definieren. Die 10 Prozent AE-Väter müssten wahrscheinlich schwul sein (okay, das ist eine böse Spitze), um als Minderheit überhaupt beachtet zu werden ... Spannend wäre aber zu wissen, woher Gabriel seine 3/4 der Kinder bezieht, die keinen oder zu geringen Unterhalt erhalten. Auf die Zahlen kommt man eigentlich nur, wenn man den Mindestunterhalt als zu niedrig ansetzt. Und das würde bedeuten, dass Gabriel die Höhe der Grundsicherung als zu niedrig definiert. Da kann man gern mitziehen. Dann soll er aber auch genau das deutlich sagen.
Da er aber Lohnpfändung und Führerscheinentzug anspricht, scheint er doch Probleme mit der finanziellen Leistung der Väter zu haben. Kein Zweifel: Wir erleben hier im Forum immer wieder, dass Unterhaltspflichtige sich um die Zahlung drücken. Das sind einmal diejenigen, die schlicht nicht arbeiten. Dann diejenigen, die sich durch geschicktes Taktieren als Selbstständige "arm rechnen". Andere, die sich "ungreifbar" machen für die Obrigkeit.
Wer jedoch verdient und in Lohn und Brot steht, auf den hat die Justiz Zugriff. Da kann das Geld gepfändet werden.
Wenn aber nicht genug Geld da ist, dann will Gabriel allerdings - oder wie ist das dann zu verstehen - den Unterhaltspflichtigen den Führerschein entziehen. Nette, populistische Variante. Wird aber schwierig werden in einem Rechtsstaat. Oder meint er etwa, man könne hier den Unterhaltsdrückebergern, die es schaffen, nicht zu arbeiten oder sich arm zu rechnen, einfach einmal "auf Verdacht" einen Führerschein sperren? Vielleicht nur den wirklich wenigen, die auf "Unterhaltsflucht" sind und von denen keiner weiß, wo sie wohnen? Das schafft einzig Arbeitsplätze bei Anwälten und in der Justiz. Bringen kann das nix. Oder will da Gabriel die SPD-Mitglieder auf die Jagd schicken? Die Polizei wird es kaum schaffen. Denn die schafft es bisher bei den Unterhaltsflüchtigen auch nicht. Wenn sie jetzt noch einen Führerschein einziehen soll, wird das aber sicherlich besser ...
Freuen könnte man sich über die Idee, den Unterhaltsvorschuss bis zum 16. Lebensjahr zu bezahlen. Wenn nicht auch da ein kleines Ärgernis wäre: Unterhaltsvorschuss wird höchstens sechs Jahre lang gezahlt. Diese sechs Jahre sollten verlängert werden. Das wäre die entscheidende Hilfe. Nicht die Verlängerung auf das 16. Lebensjahr.
AEs würden gern arbeiten und das Geld selbst verdienen. Da könnte der Wirtschaftsminister in seinem Bereich werben und aktiv werden. Wie wäre es mit einer Abgabe der Wirtschaft, die nicht X Prozent der Arbeitsplätze für AEs zur Verfügung stellt? Oder einfach, wenn der Gesetzgeber beginnt, das Arbeitsklima zu ändern und es schafft, dass Menschen mit Doppelbelastung (und das müssen nicht nur AEs sein), besser im Arbeitsleben aufgenommen werden.
Und der alte Renner: Kindererziehung sollte unterstützt und gefördert werden. Steuerlich, via Kindergeld und Rentenpunkten. Nicht Familienstand. Und: Weg mit der steuerlichen Großförderung der Reichen, wenn sie Kinder haben. Dafür das Kindergeld nach oben oder aber. Wer weniger verdient, bekommt mehr Kindergeld. Dann kommt die Hilfe da an, wo sie nötig ist.
Dazu hören wir aber nix. Sondern Gabriel baut ein Feindbild auf. Den bösen Unterhaltsverweigerer. Der sei Schuld. Ist doch prima. Wenn man einen Schuldigen hat, braucht man selbst seine sozialpolitischen Hausaufgaben nicht mehr zu machen. Und genau so wirkt solch ein Sommerlochinterview auf mich ... Schade. Eine vertane Chance der ehemaligen Volkspartei.