Hallo zusammen,
ich sags ganz offen, ich bin hier, weil ich eine schwere Entscheidung treffen muss und beide Optionen mir wahnsinnige Angst machen.
Lange Zeit habe ich mir "eigentlich" Kinder gewünscht. "Eigentlich", weil ich es rückblickend betrachtet, aus den falschen Gründen heraus wollte.
Mir wurde dann gesagt, ich könne keine bekommen. Zuerst war ich erschüttert und auch etwas beleidigt, dass mir diese Entscheidung abgenommen wurde.
Inzwischen aber habe ich mich mit meinem Leben anders arrangiert, so dass es mir als kinderlose Frau tatsächlich sehr gut gefällt.
Seit einigen Jahren bin ich mit einem (etwas älteren) Mann liiert, mit dem ich zusammen arbeite, was die Kollegen nicht wissen und nie wissen sollen. Wir wohnen auch nicht zusammen.
Die Nachricht über die Schwangerschaft traf uns beide wie ein Schock und wir sind uns einig, wir wollen unser Leben so behalten, wie es ist. Und damit hört für ihn auch das weitere sich-Gedanken-machen auf. Für mich leider nicht.
Ich bin trotz meiner inzwischen gewachsenen Einstellung bezüglich eigener Kinder (keine zu haben, ist für mich gut) total hin- und her gerissen.
Ich denke, wenn er sagen würde, wir versuchen es, würde ich mitmachen. Das sagt er aber nicht, im Gegenteil, er geht davon aus, dass unsere Beziehung mit dem Kind keinen Bestand mehr hätte und vermutlich hat er Recht - so widerwillig wie er das sieht.
D.h., ich stünde allein da (Familie gibt es hier keine). Außerdem müsste ich die Arbeit verlassen, weil es natürlich unter den Umständen unmöglich wäre, weiter zusammen zu arbeiten. Gut, ich könnte mir vielleicht jetzt noch schnell einen neuen Job suchen, aber das ist auch ein sehr großes "vielleicht". Dazu kommt, dass ich einen Haufen Schulden abzuzahlen habe, die es mit der finanziellen Versorgung für ein Kind nicht leichter werden lassen.
Wenn ich jetzt ein totales und zweifelsfreies Muttertier wäre, würde ich das Kind einfach behalten, komme, was da wolle und es versuchen.
Nur bin ich das nicht. Ich mag Kinder im Grunde nicht. Sie nerven und langweilen mich. Themen wie Kindergarten und Schule und solche Dinge empfinde ich als äußerst lästig.
Ich gehe gern zur Arbeit und habe Freude daran unter Leuten zu sein. Nach der Arbeit bin ich aber auch sehr müde und wüsste nicht, ob ich in der Lage wäre, einem Kind an der Stelle so gerecht zu werden, wie es das verdient hätte.
Und dann gibt es da immer wieder andere Gedanken, die mich bremsen:
- es ist ja schon ein kleines Wunder und Du hast sogar das Herzchen schon buppern sehen
- vielleicht ist es Dir vom Schicksal so vorbestimmt
- Du tötest einen Menschen, Deinen eigenen, kleinen Menschen
Und dann wiederum denke ich, vielleicht erwartet das Schicksal, dass ich selbst die Entscheidung gegen ein Kind treffe, um mit der Ungerechtigkeit, es damals nicht selbst entscheiden zu dürfen, aufzuräumen. Aber warum dann jetzt? Jetzt, wo ich mit der Kinderlosigkeit ohnehin so zufrieden bin?
Ich habe das Gefühl, dass ich ein Opfer bringen muss, um mein Leben "wieder" zu bekommen.
Dazu kommt, dass ich mich schuldig fühle, weil ich mich trotz der ärztlich bescheinigten Unfruchtbarkeit hin und wieder bei dem Gedanken erwischt habe, "mit dem Mann wäre ein gemeinsames Kind auch was schönes".
Als der Test dann positiv war, habe ich nur geweint und überhaupt habe ich seit dem ständig nur geweint und gehofft, es gäbe vielleicht eine Fehlgeburt - das kommt schließlich oft genug vor.
Es fühlt sich gemein an, das so zu sagen, aber dann hätte ich es nicht entschieden, mein ungeborenes Menschlein zu töten.
Ich weiß, bei jeder der beiden möglichen Entscheidungen (Adoption kommt nicht in Frage), wird es lebensverändernde Konsequenzen geben - bei der einen mehr, bei der anderen weniger, dafür mehr Potential für seelische Qualen und Reue. Was ich auch entscheide, ich muss einen hohen Preis dafür zahlen.
Wenn ich die beiden Optionen durchspiele, bekomme ich bei beiden eine Panik Attacke.
Der Gedanke, meine Beziehung und meinen Job zu verlieren und mit einem Kind allein dazustehen, hat mir gestern einen ausgewachsenen Nervenzusammenbruch beschert.
Ich habe, damit etwas Bewegung in die Situation kommt, am Montag einen Termin in einer Abbruch-Klinik gemacht, da wird erst gesprochen und falls ich mir sicher sein sollte, könnte ich bereits eine Abtreibungspille bekommen. Ich muss es aber nicht, das hat mir die nette Dame am Telefon bereits gesagt, ich kann auch einfach mit dem Arzt über alles reden und wieder gehen. Trotzdem bekomme ich direkt Angst, wenn ich es mir vorstelle. Mir vorstelle, dass nun doch kein Leben mehr in mir wächst und ich das zu verantworten habe.
Aber diese Ungewissheit, was ich tun soll, macht mich verrückt. Und meinen Freund ebenso.
Wir lieben uns und ich mache ihm keinen Vorwurf, dass er klar ausspricht, wie er es sieht und was er will, bzw. nicht will.
Er hat sich ja ebenso darauf verlassen, dass ich unfruchtbar bin. Und nun das.
Das Schicksal ist schon ein *peep* (hier hat das Forum gemeckert - denkt Euch was passendes aus.)...
Ich erwarte nicht, dass mir hier meine Entscheidung abgenommen wird. Aber ich muss doch voll und ganz hinter meiner Entscheidung stehen, ohne jegliche Beeinflussung und ich bin mir eben nicht sicher, hinter welcher ich stehe. Im Grunde hinter keiner. Aber eine muss getroffen werden. Und vielleicht bekommt hier jemand einen Eindruck davon, wie meine Tendenzen sind? Sieht klar, wo ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehe?
Mit meiner Mutter kann ich nicht sprechen, die versteht mich nicht wirklich. Sie wünscht sich, ich würde das Kind behalten. Sie wohnt ewig weit weg, und kann mir gar nicht helfen, aber hofft, ich käme vielleicht einfach zu ihr. Wo sie wohnt, hätte ich allerdings Job-technisch keine Perspektive.
Und heute morgen hat mich heimlich ihr Lebensgefährte angerufen (über 70 Jahre alt) und mich angefleht, nicht abzutreiben, wir würden es schon irgendwie schaffen.
Das hat mich zusätzlich unter Druck gesetzt, auch wenn er es sicher gut meinte...
Oh weh. Das wichtigste habe ich wohl gesagt.
Danke fürs "zulesen"!
LG Sadly