Hallo ihr Lieben, ich brauche dringend euren Rat.
Ich bin seit 20 Jahren Mitglied einer evangelischen Freikirche und besuche seit dem die selbe Gemeinde. Unser Pfarrer macht seinen Job seit knapp 25 Jahren und hat dem Gemeinderat eröffnet, dass er 2015 plant mit seiner Frau nach Schweden auszuwandern. Daher muss ein Nachfolger her und es wird vorrangig zuerst in den eigenen Reihen gesucht. Der Gemeinderat hat mich einstimmig vorgeschlagen und letzte Woche hat unser Pfarrer mit mir gesprochen.
Ich habe evangelische Theologie studiert und danach das Vikariat (Vorbereitungszeit) absolviert. Nach dem Vikariat trennte sich mein Mann von mir und ich konnte die Ausbildung nicht fortsetzten. Ich bekam einen Platz in der Verwaltung meiner Kirche in meiner Heimat und arbeite seit dem halbtags dort. Ich mochte diesen Job immer, wir haben ein tolles Betriebsklima, die Arbeit geht mir gut von der Hand, ich hatte viel Zeit für meine Kinder und wenn ich Nachmittags die Bürotür geschlossen habe, musste ich nicht mehr an die Arbeit denken. Mir ist aber auch klar, dass ich mit diesem Job weit hinter meinen Möglichkeiten bleibe.
Um die Gemeinde zu übernehmen, müsste ich den Probedienst absolvieren, der geht 18 Monate und beginnt am 1. September dieses Jahres. Ich muss mich also bis spätestens Mitte August entscheiden. Ich bin tief in meiner Gemeinde verwurzelt, die Menschen dort, die ich schon ewig kenne und der Glaube an Gott sind das Gerüst, das meinem Leben halt gibt. Meine Tochter ist 14 und braucht mich nicht mehr rund um die Uhr, mein Sohn ist 9, geht eine Förderschule und kommt erst am späten Nachmittag zurück. Die Zeit voll zu arbeiten habe ich und wenn doch etwas sein sollte, sind die Menschen dort sehr verständnisvoll und hilfbereit.
Ich bin unsicher, ob mir das zutrauen kann, denn dieser Job ist eine so riesige, verantwortungsvolle Pflicht. Ich habe nie in einer Führungsposition gearbeitet und damit hätte ich dann gut und gerne 25 Mitarbeiter unter mir, die ich leiten, organisieren und koordinieren muss. Pfarrer sein bedeutet nicht nur den Gottesdienst vorzubereiten - man verwaltet im Grunde die gesamte Gemeinde mit Angestellten und Mitglieder: Hochzeiten, Taufen, Veranstaltungen, Feste, Jugend, Frauen, Seniorengruppe, Seelsorge, Sterbebegleitung, man muss den Laden in Schuss halten und das Geld gerecht verteilen... Natürlich habe ich viele fleißige Hände, dir mir helfen und an die ich die verschiedenen Aufgaben verteile - aber trotzdem: Ich habe nie "hart" gearbeitet und hatte nie so viele Fäden in der Hand. Ich habe Angst, dass ich dieser Aufgabe nicht gerecht werde und die Gemeinde im Chaos versinkt.
Die Geldfrage ist natürlich die andere Seite. Schon während des Probedienstes wäre dieser Job eine wesentliche finanzielle Verbesserung. In meinem jetzigen Beruf verdiene ich gut. Wir können keine großen Sprünge machen, kauen aber bei weitem nicht am Hungertuch und ich bekomme weder Schweißausbrüche noch Herzrhythmusstörungen, wenn die Waschmaschine kaputt geht, die Stromrechnung kommt oder wenn meine Kinder auf Klassenfahrt wollen.
Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll - ich habe einfach Angst, dass alles nicht zu schaffen, obwohl ich genau diesen Job immer wollte und das der Grund war, warum ich überhaupt Theologie studiert habe.
Viele Grüße,
Kailynn