Mutterstolz

  • Ich bin da immer zwiegespalten. Definiere ich Geschlecht rein über die Biologie, gibt es vorrangig und in grosser Mehrheit zwei Geschlechter. Nun bin ich aber kein Biologe. Und außerhalb der Biologie gibt es genug wissenschaftliche Definition von Geschlecht(ern), die über die biologische Mehrheitsdefinition deutlich hinaus geht oder wo die biologische Definition keinen Sinn macht (welchem Psychologen würde es helfen, seine Klientel nach männlich/ weiblich einzuteilen und das als wesentliche Arbeitsgrundlage zu nehmen?)

    Definieren und beschreiben wir den Menschen über seine Chromosomen hinaus, dann ist da eindeutig mehr als XX und XY.

    Das ist allerdings früher schon immer so verstanden worden und war in alten Kulturen eine Selbstverständlichkeit. Und ist auch in den überlieferten Schriften, ob es die griechische Literatur ist, die Bibel, die mittelalterliche Minneliteratur (um einigermassen hier bekannte zu nennen) entsprechend beschrieben und eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit.


    Eine andere Sache ist jedoch, wie Geschlecht beschrieben wird. Da staune ich, wenn "der Mensch" jetzt nur noch den biologisch männlichen Zeitgenossen beschreiben soll. Das ist über Jahrhunderte, bis zum Germanischen zurück anders verstanden und gehandhabt worden. Wenn jetzt Sprachinhalte umdefiniert werden, kann ich persönlich damit leben und mühe mich auch gern. Sehe aber, wie wir Sprache gerade komplizieren.


    Wenn das aber helfen sollte, so Geschichten wie den Threadausloesergrund in den Kopf der Menschen zu bekommen und die Vielfalt des Menschen zu begreifen und zu akzeptieren, ist es wohl gut. Bauen wir jedoch dadurch an anderer Stelle wieder Situationen auf, in denen (andere) Menschen sich ausgeschlossen fühlen, wäre es schlecht.


    Darum habe ich Schwierigkeiten mit Bezeichnungen wie "Witzpronomen" wie auch mit Aussagen "man muss gendern". Das sind alles nur beschreibende Worte. Für mich entscheidend ist, mit welcher Grundeinstellung kommuniziert wird. Und da sind wir wieder beim Auslöser des Threads hier. Da ging es weniger um einzelne Worte als vielmehr um herabsetzende Bewertung von Menschen. Das haben alle Beteiligten gemerkt und die Jungs eingestanden. Und abgestellt. Das ist wichtig. - Man könnte Bücher schreiben ...

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Dass ein junges Mädchen sich aber solcher Witz-Pronomen bedient finde ich sehr befremdlich. Wenn nicht sogar blödsinnig.

    Meine Tochter verwendet das Pronomen, seitdem sie beim letzten Unterwasserrugby-Turnier ein Kind kennengelernt hat, das gerne mit "them" angesprochen werden wollte. Das Kind ist phänotypisch ein Mädchen, fühlt sich jedoch als Junge, ist aber noch zu jung für eine Umwandlung. Empfindet sich also weder als Mädchen, noch als Junge. Deswegen momentan "them". Die Kids haben das respektiert und in ihren Sprachgebrauch übernommen. Finde ich vollkommen in Ordnung.

    Man sitzt insgesamt viel zu wenig am Meer...

  • Das ist allerdings früher schon immer so verstanden worden und war in alten Kulturen eine Selbstverständlichkeit. Und ist auch in den überlieferten Schriften, ob es die griechische Literatur ist, die Bibel, die mittelalterliche Minneliteratur (um einigermassen hier bekannte zu nennen) entsprechend beschrieben und eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit.


    Eine andere Sache ist jedoch, wie Geschlecht beschrieben wird. Da staune ich, wenn "der Mensch" jetzt nur noch den biologisch männlichen Zeitgenossen beschreiben soll. Das ist über Jahrhunderte, bis zum Germanischen zurück anders verstanden und gehandhabt worden.

    In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass das altgriechische Wort "andros" sowohl (nichtgöttlicher) Mann als auch Mensch bedeutet (was bei uns Mädels im Griechisch-Unterricht schon zu milder Empörung geführt hat), während "gynaika" einfach nur (Ehe)frau bedeutet. So ganz gleichgestellt waren die Geschlechter auch in der Sprache der Antike nicht wirklich.

    Man sitzt insgesamt viel zu wenig am Meer...

  • In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass das altgriechische Wort "andros" sowohl (nichtgöttlicher) Mann als auch Mensch bedeutet (was bei uns Mädels im Griechisch-Unterricht schon zu milder Empörung geführt hat), während "gynaika" einfach nur (Ehe)frau bedeutet. So ganz gleichgestellt waren die Geschlechter auch in der Sprache der Antike nicht wirklich.

    Was ja sogar dafür spricht, dass mit einer Begrifflichkeit schon immer umfassend viel beschrieben worden ist. - Das war aber nicht der Argumentationsgang. Im Altgriechischen gibt es noch mehr Synonyme für den Begriff Mensch oder Lebewesen. Und schauen wir in die Literatur, in die griechischen Mythen, dann haben die alten Griechen überhaupt kein Problem damit gehabt, dass "mitten unter ihnen" äußerlich oder auf den ersten Eindruck ganz ähnliche, aber doch "anders" denkende und fühlende Personen existierten. Jedenfalls wenn man die Existenz von Fabelwesen wie die Titanen, die Zyklopen, die Götterkinder, die Halbgötter und, und, und zuende denkt.

    Vielfalt rief da sicherlich bei den alten Griechen kein Befremden hervor.


    Oder schauen wir ins Judentum, ins Christentum. Dort schuf Gott den Menschen "zu seinem Bilde". Und was war und ist Gott nach christlicher Lehre? Der dreieinige Gott - Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist. Drei verschiedene Persönlichkeiten in Gott zusammengefasst. - Zumindest schon einmal nicht zwei. Bis ins hohe Mittelalter hinein, bis zu den christlichen Mystikern ist das entsprechend über Jahrtausende von vielen Menschen so verstanden worden. Nur in den letzten jahrhunderten hat es die (kath.) Kirche ziemlich in den Hintergrund gedrängt.


    Egal, wie man selbst dazu steht, aber eine "neue Erfindung" ist ein drittes oder X. "Geschlecht" nicht, sondern im Bewusstsein der Altvorderen immer schon vorhanden gewesen. Jedoch selten ein (dann aber heftiger) Streitpunkt.

    Und auch dann ging es nicht um eine Wortwahl, um eine spezielle Bezeichnung, sondern um die Herabsetzung von Personen und den ihnen zugeschriebenen Eigenschaften. Insofern haben wir heute vielleicht eine andere Qualität: Definition der Person über einen neuen Begriff. Auf das Geschlecht bezogen haben wir das in der Menschheitsgeschichte vielleicht noch nicht gehabt. Aber schon öfter, um Personengruppen zu definieren - und seien es "die Barbaren", jene, die nicht "meiner Gesellschaftsnorm" entsprachen, mir "fremd" sind in ihrem Tun und lassen, denken und fühlen (und so Eingang in die römische und griechische Literatur gefunden haben und ins Denken der Menschen heute). .


    Und damit sind wir wieder bei dem im Ausgangsthread beschriebenen Gespräch.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • das sind eine Handvoll Menschen, die als Hermaphroditen bezeichnet werden.

    Von denen ist aber bei der Genderei nicht die Rede.


    Grundsätzlich kann man sehr wohl von 2 biologischen Geschlechtern ausgehen.

    das ist nicht eine Handvoll. Das sind je nach Definition ca 0,2-1,7% der Bevölkerung. Also mal so 8 Millionen Menschen, grob gerechnet.

    Liebe Grüße
    Die Elefantendame


    Umwege erweitern die Ortskenntnis

  • das ist nicht eine Handvoll. Das sind je nach Definition ca 0,2-1,7% der Bevölkerung. Also mal so 8 Millionen Menschen, grob gerechnet.

    Aber sehr grob gerechnet;)

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • ich finde das Verhalten der Jungs unter aller Kanone und das der Tochter gut.

    Dass ein junges Mädchen sich aber solcher Witz-Pronomen bedient finde ich sehr befremdlich. Wenn nicht sogar blödsinnig.

    Sprache und Gesellschaft ändern sich schon immer eigentlich. Da kommt die Wahrnehmung der älteren manchmal vielleicht nicht mit.

    Für Dich ist es sus, ich find es slay, nimmt doch niemandem was weg was eine Wertung benötigt, oder?

    Einfach mal stabil bleiben.


    vg von overtherainbow

  • Ich kann gut nachvollziehen, dass du stolz auf deine Tochter bist! Sie hat das klasse gemacht!


    Ich hatte vor einigen Jahren eine ähnliche Situation, durch die ich mich in meinen Erziehungswerten und dem, was ich meinen Kindern vermittelt habe, bestätigt fühlte.


    Herr Sohn kam heim (damals 8. Klasse oder so) und meinte „Mama, es könnte sein, dass ich demnächst Ärger bekomme“. Auf meine Nachfrage berichtete er, dass er im Schulbus jüngere und körperlich kleinere Mitschüler aus der Eingangsklasse der weiterführenden Schule vor der Übergriffigkeit älterer geschützt habe und dass diese älteren, stärkeren Schüler (es waren Jungs!) dies nicht „lustig“ fanden. Er hatte gesehen, dass ältere die jüngeren geärgert haben (vordrängeln, wegschubsen) und ist dagegen vorgegangen. Da war ich echt stolz auf ihn.


    Seine Befürchtung, die Großen würden nun auf ihn losgehen, hat sich übrigens nicht bewahrheitet - im Gegenteil.

  • Hallo, und wieder bin ich sooooo stolz auf meine Tochter. Und begeistert von ihren Lehrern.


    Sie jobbt ja in der OGS als Schülerhelferin. Heute war Elternabend. Eigentlich wollten wir nur ganz normal hingehen, weil ich mich mit ihrer Chefin kurzschließen wollte, wie sie sich so macht, wir haben uns also ganz "normal" ins Publikum gesetzt.

    Bei der Vorstellungsrunde wurde sie aber dann ganz spontan mit nach vorne gerufen, durfte sich auch vorstellen und sich dann zu den Lehrern dazu setzen. Sie hat kräftigen Applaus von den anwesenden Eltern bekommen und war da schon mächtig stolz (ich auch). Und von allen ihren "Kollegen" hat sie ein ehrliches Lächeln und anerkennendes Nicken geerntet. Man hat gemerkt, dass sie richtig "dazugehört" und akzeptiert wird, auch wenn sie "nur" eine Schülerhelferin ist.


    Nachher habe ich dann noch, wie geplant, mit ihrer Chefin gesprochen und habe nur Lob zu hören bekommen, weil sie ein absoluter Gewinn für das Team sei. Sie ist absolut zuverlässig, höflich und freundlich und sehr bemüht, alles richtig zu machen - was ihr auch sehr gut gelingt. Es gibt in der Gruppe, die sie betreut vier Jungs, die nicht ganz einfach sind. Mittlerweile kümmert sie sich meistens alleine um die Vier, weil sie es mit ihrem ausgleichenden und ruhigen Wesen schafft, sie "runterzubringen" und sinnvoll mit ihnen zu arbeiten.

    Eine Lehrerin, mit der sie in den letzten Jahren öfter mal aneinander geraten ist, hat gemeint, es sei unglaublich, was für eine positive Entwicklung meine Tochter in dem halben Jahr, die sie dort arbeitet, gemacht hat, und dass sie ganz beeindruckt ist, was für eine tolle Arbeit sie leistet.



    Ganz ehrlich, dieses Feedback ist mir sooo viel wichtiger und wertvoller als alle Schulnoten zusammen. Weil einfach anerkannt und reflektiert wird, was für ein toller Mensch sie ist.

    Man sitzt insgesamt viel zu wenig am Meer...