Hallo,
Ich habe folgendes Problem:
Mein Kind (noch Grundschule) hat nicht viele Freunde. Genau genommen eigentlich nur
zwei, mit denen es konstant spielt. Eine davon ist das Kind unserer Nachbarin. Die Mutter ist
auch alleinerziehend, die Kinder gehen in eine Klasse. Mit ihr verstehe ich mich ganz gut,
auch wenn ich sie nicht unbedingt als enge Freundin bezeichnen möchte. Diese Nachbarin
ist psychisch nicht wirklich stabil, war letztes Jahr auch einmal für eine Woche in einer Klinik.
Mit der Trennung bzw. mit ihrem Exmann hat sie große Probleme.
Soweit die Vorgeschichte, nun zu dem eigentlichen Thema:
Heute ist mein Kind krank zu Hause geblieben. Ich schrieb die Nachbarin an, ob ihr Kind uns
die Hausaufgaben vorbeibringen konnte. Zurück kam eine ziemlich knappe antwort, dass ihr
Kind heute auch nicht in der Schule sei, unterschrieben mit Vor- und Nachname. Äußerst
untypisch, ich habe es aber lediglich mit einem Schulterzucken registriert. Also holte ich
selbst die Hausaufgaben ab und rief bei ihr an, ob ich sie schnell rüberbringen solle. Da hieß
es, nein, muss nicht sein, sie seien beide ziemlich kränklich und das Kind würde die
Aufgaben heute eh nicht machen. Auch das nahm ich mit einem Schulterzucken hin. Drei
Stunden später rief sie mich an, es gehe ihnen besser, ich solle jetzt doch vorbei kommen.
Als ich drüben ankam, lag die Deko, die vor der Tür steht, zerbrochen auf dem Boden.
Meine Nachbarin war in knappsten Hot Pants und T-Shirt, das Kind in Unterwäsche
unterwegs, was mich ziemlich wunderte, schließlich waren ja beide krank, und bei uns hatte
es kaum über 10°C.
Die Nachbarin kam mir von Anfang an sehr fahrig vor, hatte (das erste mal, seit ich sie
kenne) offene Haare, ihr T-Shirt hatte einen großen Fleck. Die Wohnung war ungewöhnlich
unordentlich. Ich erwähne das nicht, weil es mich wirklich störte, sondern weil es eben nicht
normal für sie ist.
Sie bot mir einen Stuhl an, stellte ohne Nachfrage ein Weinglas vor mich hin und goss es
voll, woraufhin sie mit mir auf die Vergangenheit anstoßen wollte. Da wir uns vor ein paar
Wochen etwas gestritten hatten und seitdem nicht viel miteinander zu tun gehabt haben
(was damit aber nichts zu tun hatte - es hat sich einfach nicht ergeben; die Kinder haben
aber wie gewohnt miteinander gespielt) dachte ich, dass es wohl darum ging und sie sich
entschuldigen wolle. Also habe ich höflichkeitshalber einen Schluck getrunken (ich trinke
normalerweise so gut wie gar keinen Alkohol). Dann ging es ein wenig wirr weiter - dass wir
als Alleinerziehende in einem Boot sitzen, ob ich “das” auch mit meinem Ex hätte (was auch
immer “das” ist), zwischendrin sprang sie auf, um sich ein Käppi zu holen, meinte, jetzt sehe
sie gut aus, jetzt sei das Outfit komplett. Dann entschuldigte sie sich für die “bösen
Gedanken”, die sie über mich gehabt hätte, und fiel mir laut schluchzend um den Hals.
Während des ganzen Gesprächs hatte ich zwar den Eindruck, dass sie zwar mich als
Person wahrnahm, aber nicht wirklich das, was ich sagte. Ihr Kind saß während der ganzen
Zeit nebenan auf dem Sofa und hörte zu.
Nachdem sie mit dem Weinen fertig war, versuchte sie, das Kind dazu zu überreden, den
Vater anzurufen, was ihr nicht gelang; das Kind weigerte sich unter Tränen. Das Ganze war
mir äußerst unangenehm, ich hatte keine Ahnung, wie ich mich verhalten sollte. Als sie die
Weingläser wieder nachfüllen wollte, lehnte ich ab und ging, wobei ich ihr anbot, das Kind für ein paar Stunden mitzunehmen, damit sie sich ein wenig ausruhen könne - auch wenn mein
Kind krank war, hatte ich den Eindruck, ihr Kind wäre im Moment bei uns deutlich besser
aufgehoben. Das lehnte sie zunächst ab.
Kaum war ich zu Hause, klingelte es und das Kind stand doch vor der Tür. Mit kurzer Hose
und T-Shirt. Ich erlaubte den Beiden ausnahmsweise, einen Film anzuschauen, da ich nicht
wollte, dass sie krank rumtobten. So nebenbei erzählte mir das Kind, dass die Mutter
versehentlich versucht hätte, ihm “Vitamine” mit Wein zu verabreichen, was so eklig
geschmeckt hätte, dass sie die Einnahme verweigert hat.
Zur Bettgehzeit habe ich das Kind nach Hause geschickt (nicht ohne ihm deutlich zu sagen,
dass es mich jederzeit anrufen könne, wenn es seiner Mama schlechter ginge oder sonst
irgend etwas wäre). Nun brennt drüben nur eine Laterne im Wintergarten und ab und zu
zuckt ein Taschenlampenlicht über die Wand - was auch nicht wirklich normal ist. Ich mache
mir Sorgen um die Beiden und weiß nicht, was ich tun soll.
Einerseits stand die Nachbarin heute so neben sich, war in meinen Augen entweder stark
alkoholisiert oder unter Medikamenteneinfluss, dass ich den Eindruck hatte, sie ist nicht in
der Lage, sich um ihr Kind zu kümmern. Am Liebsten hätte ich jemanden angerufen
(Jugendamt? Die Nummer des Vaters oder der Großeltern habe ich leider nicht), der das
Kind da rausholt.
Andererseits war es das erste Mal, dass ich sie so gesehen habe. Vielleicht hatte sie einfach
nur einen - wenn auch extrem - schlechten Tag, und ich würde mit Kanonen auf Spatzen
schießen, wenn ich irgendwelche offiziellen Stellen einschalten würde. Außerdem würde es
wohl das Ende der Freundschaft der Kinder bedeuten, wenn ich das täte, und das möchte
ich meiner Tochter ungern antun.
Was würdet ihr an meiner Stelle tun? Mit ihr reden ist schwierig, da ich mir sicher bin, dass
sie sich angegriffen fühlt, sich vor mir zurückzieht und den Kindern den Umgang miteinander
verbietet. Außerdem sind wir nicht so eng - eher Bekannte als Freunde.
Soll ich doch das Amt anrufen? Oder ist das ein zu großer Schritt? Fällt euch noch was ein?
Vielen Dank schonmal für euren Input