In verschiedenen Schulthreads kommt immer mal wieder das Thema auf G8 und G9. Mich würde daher mal grundsätzlich eure Meinung dazu interessieren.
Bei mir ist es so:
Ich habe zwei Söhne, einer ist 18 und einer 13. Der Große hat G9 und ist jetzt in der Oberstufe, Gymnasium. Der Kleine hätte G8, war bis zur 6. auf dem Gymnasium und ist jetzt Realschule.
Den Unterschied habe ich schon auf der Grundschule gemerkt. Beide auf der gleichen Grundschule. Ich gebe zu, der Große ist weitaus intelligenter, gut begabt sagt man wohl dazu. Ihm flog alles zu und er sollte eine Klasse überspringen, was wir aber aus verschiedenen Gründen nicht gemacht haben. Mein Großer hatte mal zur 1, mal zur 2. und auch mal erst zur 3. Dann hatte er auch mal schon nach der 3. Schluss und nur 1 x die Woche 6 Stunden. Selten Hausaufgaben und das ganze war recht entspannt.
Der Kleine hatte dann ja schon "verlässliche" Grundschule, das heisst, immer zur 1. und in der 1. und 2. Klasse bis zur 5. Stunde Unterricht, in der 3. und 4. Klasse immer bis zur 6. Stunde Unterricht. Ab der 2. Klasse Englischunterricht, aber richtig mit Arbeiten und Vokabeln. Beim Großen war Englisch mehr so ein Fach, in dem sie versucht haben, die Kinder spielerisch an die Sprache zu führen.
Der Kurze hatte jeden Tag Hausaufgaben, ab der 2. Klasse fing das mit den Referaten an. Es ging immer nur Druck, Druck, Druck.
Am Ende der 4. Klasse haben wir von der Klassenlehrerin eine DVD bekommen. Sie hatte hin und wieder im Unterricht gefilmt, bei Aufführen, Ausflügen usw. Ich hatte mich darüber wirklich gefreut und fand die Idee gut. Bis ich sie mir angesehen habe. Wie sie die Kinder angeschrien hat, wie sie die Kinder vorgeführt hat, wie sie die Kinder unter Druck gesetzt hatte. Da war nichts mit "Schule macht Spaß". O.k. zumindest lieferte mir die DVD die Information, warum sich mein Sohn so verändert hatte.
Als mir dieser Schulstress extrem auffiel, sprach ich das in der Schule an und fragte, ob das mein subjektives Empfinden wäre, dass es jetzt sehr viel mehr stressiger ist als früher oder ob es tatsächlich so ist, und wenn ja, warum. Ja, da sagte man mir. Es ist erheblich anspruchsvoller geworden, weil die Grundschulen die Kinder auf G8 vorbereiten müssen. Für die Lehrerinnen wäre das jetzt auch wesentlich anstrengender.
Ich sehe in G8 keinen Vorteil. Mein Großer macht nächstes Jahr sein Abi und ist dann 19. Ich finde, das ist nicht zu alt um zu studieren. Ich sehe auch nicht, dass es in der Vergangenheit zu großen Problemen geführt hat, weil die kids damals 9 Jahre Gymnasium gemacht haben.
Mein Kleiner hatte sein Glück auf dem Gymnasium versucht und ist, wie viele seiner Klassenkameraden gescheitert. Einige bleiben weiterhin und haben Nachhilfe bis zum Erbrechen. Für Freizeitaktivitäten neben der Schule ist genau 0,0 Zeit. Und auch die kids, die keine Nachhilfe haben, mussten ihre Freizeitaktivitäten extrem runterfahren. Entweder spielen oder Sportverein usw. Für beides ist keine Zeit mehr.
Mein Kleiner ist jetzt auf einer Gemeinschaftsschule und das Ziel ist erstmal der Realschulabschluß. Er ist total verändert. Hat Zeit, nachmittags draußen rumzutoben und Kind zu sein. Wenn er danach weiter gehen will, kann er es gerne, wenn nicht, dann eben nicht. Natürlich hätte ich mir gewünscht, es machen beide Abi, weil damit einfach die Chancen auf einen vernünftigen Beruf erheblich steigen. Aber mir ist es auch wichtig, dass die Kinder noch Kinder sein dürfen und Kinderleben darf nicht nur aus Schulstress bestehen.
Wo steckt bei G8 der Sinn dahinter? Gibt es Eltern, die damit positive Erfahrungen gemacht haben? Wenn ja, wäre es denn so viel schlimmer fürs Kind gewesen, wäre es den G9-Weg gegangen?
Auf Informationsveranstaltungen hört man von den Schulen immer, die Eltern hätten G8 sehr gut angenommen und wollen das auch behalten. Ich frage mich immer, wo sind die Eltern? Alle, mit denen ich gesprochen habe, stehen dem nicht positiv gegenüber. Mögen Eltern öffentlich nicht zugeben, dass es zu anstrengend fürs eigene Kind ist?
Klar gibt es auch Kinder, die stecken das alles super weg und brauchen auch keine Nachhilfe. Aber diese Kinder sind, in meinen Beobachtungen, in der Minderheit. Mein Großer hat alleine 3 Kinder, denen er Nachhilfe gibt und fast sein ganzer Jahrgang gibt irgendeinem Kind in den Unter- und Mittelstufen Nachhilfe.
Ach ja, ich wohne in Schleswig-Holstein. Hier wurde erst G8 Pflicht und dann wieder zurück gerudert. Jetzt kann jede Schule selbst entscheiden, ob G8 oder G9. Da die meisten aber damals schon alles auf G8 umorganisiert haben, gibt es kaum Schulen, die G9 anbieten und wenn, sind diese heillos überlaufen.
Wie sind eure Meinungen und persönlichen Erfahrungen dazu? Und bitte, wenn mir wer was positives über G8 erzählen kann, immer her damit. Aber bitte nicht, die Kinder stehen so dem Arbeitsmarkt ein Jahr früher zur Verfügung.