Letzte Nacht "zuhause" oder - nach 23 Jahren bei null anfangen?

  • Hallo,


    morgen ist es soweit -ein paar Freunde holen meine Umzugskartons und ein paar Möbel aus dem Keller - und dann bin ich weg. Nach dem ganzen Theater in der neuen Wohnung hab ich jetzt warmes Wasser, die Küche ist einsatzbereit - ich kann also einziehen. Meine Tochter bleibt vorerst hier - wenn mein Mann wieder arbeitet und ich Urlaub habe sollen beide Kinder für den Rest der Ferien zu mir.


    Nachdem ich mich jahrelang nicht habe durchringen können zu handeln - denn ER hat ja auch nicht gehandelt - habe ich es nun umgesetzt, obwohl ER sich getrennt hat. Das war mein Vorsatz für 2015. Nachdem der Gedanke die gemeinsame Wohnung zu verlassen mir jahrelang Panik, Verzweiflung, Wut verursachte - fühl ich mich merkwürdig gleichgültig. Nach der Wohnungsübergabe war ich ja total panisch, wollte alles wieder rückgängig machen, weiter suchen - hab mich in der neuen Wohnung regelrecht körperlich unwohl gefühlt - am schlimmsten war es die ersten Tage, als sie komplett leer und schlecht gestrichen war... Jetzt sieht es halt schon eher nach ner Wohnung aus, es riecht gut, ich kann mir vorstellen da zu sein und zu kochen, zu schlafen, Freunde zu empfangen. Mit meinem Sohn der ja beim Vater wohnen bleiben möchte, werde ich mir ein Zimmer "teilen" - wenn er da ist, schlafe ich im Wohnzimmer und sonst nutze ich es - es ist ein schönes Zimmer in neutralen Farben und hellen Möbeln, hab extra drauf geachtet dass es nicht zu madamig-pompös wird... Und dennoch - fühle ich mich wie unter einer Käseglocke oder wie in dem Film "Die Wand", irgendwie unwirklich. Alle finden es total gut dass ich mich durchgerungen hab, finden die Wohnung schön und ich bin irgenwie erstarrt, weiß nicht wie das alles werden soll, mach mir Sorgen um meinen Sohn, den ich gefühlt im Stich gelassen habe, um meinen Mann, der nicht mehr mit mir redet, hab ein schlechtes Gewissen wegen meiner Freundinnen, die helfen müssen und die ich da mit reinziehe - und ehrlich gesagt ist es mir peinlich, dass sie mich so erleben... Die einzige die sich echt freut ist meine Tochter. Hab beim Sachen packen viele Erinnerungsstücke gefunden, Fotos, selbstgemalte Bilder der Kinder - unter anderem eins meiner Tochter dass sie mir mit 8 gemalt hat - eine Art Prinzessin - Titel: Die Herrscherin des Tals des Schweigens - das hat mich bis ins Mark getroffen. Was habe ich gemacht - die ganzen Jahre? Wie unfähig muss man sein um vier Jahre getrennt in einer Wohnung zu verharren???


    Alle sind so nett zu mir, wünschen mir Glück, mein Chef schrieb mir er wünsche mir in der Krise die Chance zu sehen oder so ähnlich und ich sehe nur immer mein Versagen und meine Unfähigkeit. Welchen Sinn hat es dass sich zwei zusammentun um dann wieder auseinanderzugehen? In meiner Familie sind bis auf zwei Cousins mütterlichseits, die von ihren bösen Frauen verlassen wurden, alle noch verheiratet, zwei Cousinen (väterlicherseits) führen ähnliche Ehen wie ich bisher.


    Ich hab so Angst vor morgen. Weil "Außenstehende" dann in unser System "eindringen" und meine Sachen da wegschaffen. Ich hab ernsthaft überlegt dass alles alleine zu machen, dann hab ich aber gedacht es ist für die Kinder besser zu sehen dass ich Unterstützung habe statt dass es so aussieht als ob ich des gemeinsamen Zuhauses verwiesen werde (weil er ja nicht gehen wollte) oder "mich klammheimlich verpisse" (um es im Jargon meines Sohnes auszudrücken). Warum trauere ich irgendwie doch dieser Familenzeit nach, auch wenn wir doch eigentlich seit langem keine waren? Wie meine Tochter mit 9 mal bemerkte: wir sind keine Familie, wir sind nur Leute die zufällig zusammen wohnen. Was macht das mit den Kindern, wenn sie so früh schon solche Schlüsse ziehen? Wenn sie mit 6 sagen am Valentinstag: warum suchst du dir nicht jemand der dir Blumen schenkt - ganz selbstverständlich hinnehmend, dass es nicht der eigene Vater ist, der sich dafür eignet?


    Was unterscheidet Menschen in guten Beziehungen und in intakten Familien von mir? Warum will ich nicht alleine sein - ganz offiziell - wenn ich es doch seit Jahren eh schon bin? Warum übernimmt mein Sohn die Rolle seines Vaters? Wie soll ich mit ihm umgehen - in Zukunft? Ich glaub für ihn sieht es aus als hätte ich seinen Vater im Stich gelassen - aber er ist auch jemand der gern die Schuld bei anderen sucht und Verantwortung abgibt - die nehme ich dann bereitwillig auf mich... Oh Mann - wünscht mir Glück bitte...

  • Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt :troest
    Alles wird gut, ein Schritt nach dem anderen, ich weis es ist nicht einfach, aber man kann es schaffen, und du bist jetzt mit deiner Tochter allein und du wirst sehen es wird sich alles einpendeln.
    Irgendwann kommt auch wieder das Selbstwertgefühl und du merkst das du auch vieles allein schaffen und durchstehen kannst.
    Ich kann mittlerweile Wasserhähne allein ein und ausbauen, ich hab es geschafft Möbel allein aufzubauen, siliokondichtungen zumachen und noch einige andere Sachen mehr. Man ist über alles stolz und glücklich.
    Wahrscheinlich wird dich dein Sohn dann auch mit anderen Augen sehen, denk ich mal.
    Fühl dich gedrückt, es wird alles besser.

  • Die Erstarrung ist ein Überlebensmechanismus :-)


    Sei froh drüber, so bleibst du handlungsfähig und der Rest kommt später . Manchmal muß der Kopf komplett die Regie übernehmen und das ist dann gut so !


    Und der ganze Gefühlswust ist halt auch altes antraimiertes Zeug von früher, jetzt nicht unbedingt hilfreich und nützlich, das kann man auch ruhig mal zur Seite schieben und tun was man für richtig hält.

    Das Leben passiert jetzt :rainbow:

  • Glaubs mir sobald du in deiner Wohnung angekommen bist fügt sich eins ins andere.


    Da kommen die kleinen Freuden ala, ich ess was ich will, ich mach heute was ich will, wenn ich eben nix will dann will ich nix. Dieses Gefühl der Unabhängigkeit, der wirklich freien Handlungen ohne Rücksicht nehmen zu müssen (ok aufs Kind klar) das fängt man an unheimlich zu genießen.


    Keine Streitereien mehr, kein sich ungeliebt fühlen sondern irgendwann einfach nur noch zu Hause sein wo man gerne lebt, dass will man dann nicht mehr wieder hergeben.


    Und das kommt Stück für Stück, oftmals sogar dann dieses, klasse wäre ich mal ein paar Jahre ehr gegangen. :-)

    Es ist besser,
    ein eckiges Etwas zu sein,
    als ein rundes Nichts.

  • Wenn die Teaurigkeit schwindet wirst Du merken wie groß die Erleichterung ist.
    Raus zu sein aus der Beklemmung...dem erdrückenden Gecühl auf nem sinkenden Schiff zu sitzen.


    Auch wenns kein Schiff mehr ist, sondern nur ne Jolle, bist Du ab sofort der Kapitän und Deines Glückes Schmied.


    Das Leben wird wieder schön...versprochen!

  • Ich habe ja damals noch ein ganzes Jahr mit meinem Ex trotz Trennung in einem ( kleinen ) Haus verbracht ..... allein davon mußte ich mich ziemlich lange erholen, das hat sich auch wie Erstarrung angefühlt

    Das Leben passiert jetzt :rainbow:

  • Du bist schon einen ganzen Schritt weiter wie ich, bin noch auf der suche nach einer Wohnung. Aber genauso wie Dir würde es mir gefühlsmäßig gehen. Immer diese Selbstzweifel und sich selber klein machen. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft auch wenn Du zwischendurch sentimentale Momente hast, Du wirst es schaffen. Bald stehe ich auch vor diesem Schritt :S