TV-Tipp Warum unsere Kinder Tyrannen werden

  • Läuft gerade auf RTL.


    Mal gucken ob´s was taugt.

    Die Tugend wäre eine verhältnismäßig einfache Sache, wenn man sie nicht dauernd üben müßte. Sharon Stone

  • hab gerade das Ende gesehen.
    Habe auch das erste Buch von Winterhoff gelesen.
    So ganz kann ich seinen Thesen jedoch nicht folgen. Das mag daran liegen, dass ich solche Fälle über die er schreibt nicht kenne.


    Ok, meine Studenten sind auch ziemlich frech...g.. aber ich glaub das ist in jeder Generation so, dass die Älteren das von den Jüngeren denken.

  • Lassen wir mal dahingestellt, wie weit seine Thesen in der psychiatrischen Therapie von Verhaltensauffälligkeiten greifen. Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann seinen Gedankenansätzen aber einiges abgewinnen.


    Er beschreibt Fehlentwicklungen bei der Reifung von Kindern und bezieht sie auf folgende Erziehungsansätze


    - Partnerschaftlichkeit (Erziehung des Kindes über Vernunft),
    - Projektion (Eltern wollen vom Kind geliebt werden, machen sich vom Kind abhängig und es kommt so zur Machtumkehr)
    - Symbiose (Eltern sehen das Kind als Teil des Erwachsenen und verschmelzen mit dessen Psyche, das Kind erlebt den Erwachsenen nichtmehr als gegenüber)


    Er stellt ein Elternbild in Frage, das sich (nach seiner Auffassung) in den letzten 20 Jahren entwickelt hat.


    - Ich glaube durchaus, dass sich das Rollenverständnis geändert hat und das nicht alles zum Wohl der Kinder ist. In der Schule lieben die Kinder oft die klaren und gerecht zugewandten Lehrer/innen mit klarer Rollenverteilung und Grenzen, die vernünftige Regeln aufstellen, aber längst nicht alle Regeln permanent erklären."Softies" ("du, wir setzen uns mal zusammen und reden drüber, wie ihr euch als Gruppe dynamisch in die Algebra einbringen könntet, falls ihr mal Lust habt") verlieren dagegen schnell den Überblick über die Klasse und werden oft nicht geschätzt.


    In einem Satz: Wenn das Kind in einer Eltern-Kind Beziehung die Macht über Selbstverständnis und das psychische Gleichgewicht der Eltern hat und auch psychisch zum Lebensinhalt und identifkationsobjekt der Eltern wird und kein Unterschied mehr in Rollenverständnis, Gefühlen und Erleben besteht, dann ist das nicht gut für das Kind. Ich bin der Überzeugung, dass Struktur (räumlich, zeitlich, rollen, Regeln) Kindern hilft.

  • Um mich mal zu zitieren: Nachteilig finde ich die verdeckte, starkt normative Aufladung, d.h. die sehr exakten Vorstellung von den einzig richtigen Eltern und Kinderrollen.


    Für mich klingt das immer mehr nach einem mit populären Floskeln aufgeladenen versucht Fortschritte der Pädagogik zurückzudrehen und der Pluralität der Lebensstile und Erziehungspraktiken eine einzig richtige, letztbegründete Erziehungsform entgegenzustellen. Wo es dann Probleme gibt, ist dann wer schuld? Der Spiegel schreibt so nett: "Nach seiner Beobachtung fällt es immer mehr Kindern schwer, zur angemessenen Zeit zu laufen, zu klettern und korrekt zu sprechen; er konstatiert Mängel in der Konzentration, in der Fähigkeit, Frustrationen zu ertragen und sich auf soziale Situationen einzustellen."


    Solches "immer mehr" ist immer dummes Geschwätz, das auf selektiver Wahrnehmung und der Verherrlichung der Vergangenheit als besserer Zeit beruht, sprich ideologischer Unsinn. Der Rest ist dann wohl eine Mischung aus Zeug das auch etwas gehaltvoller in soliden Werken zur Erziehung steht.

  • Zitat

    "Nach seiner Beobachtung fällt es immer mehr Kindern schwer, zur angemessenen Zeit zu laufen, zu klettern und korrekt zu sprechen; er konstatiert Mängel in der Konzentration, in der Fähigkeit, Frustrationen zu ertragen und sich auf soziale Situationen einzustellen."



    ähm sorry aber das fällt nicht nur ihm auf!
    geh mal in der grundschule in eine sportstunde auweia kann ich da nur sagen und finde mal im kiga ein kind was wirklich gut auf einen bein stehen kann oder rückwärts laufen.


    viele kindergärtnerinnen pädagogen lehrer usw die lange im dienst sind werden dir das bestätitgen.

    mein hirn weigert sich ständig, so langsam zu denken, wie meine finger tippen können. meine finger sind so damit beschäftigt, sich zustreiten, wer als erstes auf die tasten darf, das die nicht mal merken wie sie den gedanken hinterherhinken

  • thx :)


    könnt ihr mir diesen Punkt mit der Syntese von der er spricht erklären?
    Das habe ich nämlich überhaupt nicht verstanden oder kann es mir nicht konkret vorstellen.
    In dem Buch wurde als Beispiel ein Kind gebracht was wärend eines Gespräches auf der Mutter herumkletterte. ... naja sowas macht mein Kind auch, muss ich nach Winterhoffs Auffassung dann darauf bestehen, dass mein Kind ordentlich auf einem Stuhl sitzt und zuhört während ich mich unterhalte???


    Ich hatte beim Lesen des Buches den Eindruck dass er die Beobachtungen über einige seiner Patienten auf alle Kinder verallgemeinert.


  • geh mal in der grundschule in eine sportstunde auweia kann ich da nur sagen und finde mal im kiga ein kind was wirklich gut auf einen bein stehen kann oder rückwärts laufen.


    viele kindergärtnerinnen pädagogen lehrer usw die lange im dienst sind werden dir das bestätitgen.


    Das ist genau der Weg wie man niemals eine Erhebung über die Änderungen von Verhalten oder anderen Dingen machen sollte. Da gehören solide Statistiken mit langzeittauglichen Messinstrumenten her und nicht das subjektive Erleben von einzelnen Akteuren. Geh mal in eine pädagogische Fachbibliothek und schau mal nach was es da alles an Modeerscheinungen gab die plötzlich zunahmen und dann von der nächsten Mode abgelöst wurden. Überhaupt sind die Kategorien der Natur wie sie etwa im Anwachsen enthalten sind generell untauglich soziale Phänomene zu beschreiben.


    Überleg mal zu einem beliebigen anderen Sachverhalt ob es den früher (wann eigentlich genau?) mehr gab oder nicht. Du wirst die Entscheidung und die Wertung die du mitteilst kaum objetivert bekommen. Und wenn hundert Leute das genau so sehen wie du es muss nicht stimmen. So ist das nicht nur empirischer Pfusch, sondern sogar Irreführung.

  • @Sportunterricht:


    Ich kann mich an eine Sportstunde erinnern, bei der wir über Bänke laufen sollten.... und eine Klassenkameradin das nicht konnte. Sie wurde von der Sportlehrerin dann dazu "verdonnert", das "Auf die Bank steigen" zu üben. Das ganze ist jetzt ca. 30 Jahre her...

  • Symbiose.
    Früher wurde davon ausgegangen, dass in den ersten Lebensmonaten eine Symbiose zwischen Mutter und Kind (vielleicht: Zusammenschaltung von Bedürfnissen und Gefühlen) ein normaler Teil der Entwicklung sei. Das wird auch für die ersten Lebensmonate zunehmend in Frage gestellt. Später sollte es aber ohne Zweifel eine klare Trennung geben. Das 3 jährige Kind muss sagen und wissen, ob es hungrig oder satt ist, egal, ob Mama meint es sei hungrig oder satt.


    Winterhoff meint eine solche Verschmelzung in späteren Entwicklungsstadien. Wenn Fühlen, Erleben, Bedürfnisse und Verantwortlichkeit von Eltern und Kind identisch sind. Ein Kind darf nicht ärgerlich mit Eltern sein. Kind und Eltern müssen das gleiche Bedürfnis nach Nähe, die gleiche Trauer, Freude, etc. fühlen. Wenn ein Kind in der Schule quatscht, dann übernehmen die Eltern die Verantworteung ("Es hat geredet, weil ich ihm nicht das Mäppchen gepackt habe und es deshalb den Nachbarn fragen musste"). Winterhoff benutzt irgendwo das Hausaufgabenbeispiel: Wenn das Kind keine Hausaufgaben machen möchte, dann fühlen sich die Eltern verantwortlich. Statt zu sagen: "du machst die jetzt Hausaufgaben, wie ist deine Sache, vorher darfst du nicht mit Freunden spielen", versuchen Eltern die Kinder durch die Hausaufgaben durchzutragen, so als wären es die Hausaufgaben der Eltern.


    Es gibt sicher krankmachende symbiotische Beziehungen, in denen ein Kind sich nicht von einem Elternteil abgrenzen, keine eigene Entwicklung, keine eigenen Gefühle haben darf. In denen das Kind nicht glücklich sein darf, wenn Mama traurig ist, etc. In denen in Kernfragen der Beziehung zum Elternteil oder zu anderen Menschen keine abweichende Auffassung zugelassen wird (offen oder subtil) und Bedürfnisse des Kindes nur dann befriedegt werden, wenn sie mit den Bedürfnissen des Elternteils übereinstimmen. Kinder in solchen Beziehungen können manchmal nur durch ein völliges Lossagen von dem umklammernden Elternteil eine Entwicklung zu einer eigenständigen Persönlichkeit nehmen.


    Ob es nun ein generelles Phänomen der letzten Jahre in unserer Gesellschaft ist, dass solche symbiotischen Züge stärker geworden sind und vermehrt zu Verhaltensauffälligkeiten führen, wird Winterhoff nur schwer belegen können. Dass das Lösen einer Symbiose der Schlüssel zur Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten ist (und von welchen), müsste auch durch Studien belegt werden, wenn es in der Kinderpsychiatrie mehr sein soll als ein bedenkenswertes Konzept.

  • Die hier von Segelpapa zusammengefasste These von Winterhoff finde ich auffallend häufig bestätigt bei Alleinerziehenden. Es ist verflixt schwer, sich als AE vom Kind so abzugrenzen, dass man eben nicht versucht, das sowieso schon "arme" Kind durchs Leben zu "tragen".


    Ob Winterhoff nun sein populistisches "Immer mehr Kinder" schreibt oder nicht, ist mir letztlich egal. Ich habe den Eindruck, er beschreibt schon einen Zustand, der recht häufig sichtbar ist in der Alltagspraxis der Erziehung. Klar sind seine Lösungsmodelle eindimensional. Aber dahinter steckt vielleicht auch ein pädagogischer Ansatz. Klare und deutliche Lösungsansätze, die mehrheitlich funktionieren.
    Und der Erfolg scheint ihm Recht zu geben (wann war zueletzt ein Erziehungsbuch auf der Bestsellerliste? Das unsägliche "Jedes Kind kann schlafen lernen" sowie "Und plötzlich sind sie 13. Von der Kunst, einen Kaktus zu umarmen" sind die letzten, an die ich mich erinnern kann ...

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Und der Erfolg scheint ihm Recht zu geben (wann war zueletzt ein Erziehungsbuch auf der Bestsellerliste? Das unsägliche "Jedes Kind kann schlafen lernen" sowie


    Na denn.... ich ordne dieses Tyrannen-Buch genau in diese Kategorie "jede Kind kann schlafen lernen" ein. Es werden allgemeingültige Patentrezepte verbreitet, die allesamt unterstellen, dass Kinder terrorisieren und mit Absicht schlecht schlafen. So was nenne ich Hauruck-Pädagogik.


    Auch wenn hier in diesem Thread ausnahmsweise mal "AE" mit "Mutter" gleichgesetzt werden darf (*jasowas*) sehe ich schlecht erzogene Kinder nicht als weibliches Problem an - auch nicht als AE-Problem. Meine subjektive Beobachtungsgabe sagt mir eher das Gegenteil. Die AEs in meiner Umgebung springen nicht an den Herd, wenn's Kind ne heikle Diskussion mit "ich hab Hunger" abbricht - diese Dienstleistungsmentalität beobachte ich nur in den Familien.


    Ganz am Rande: Ich bin mal gespannt, wann die Symbiose zwischen Mutter und Kind bereits im Mutterleib zu Ende sein muss. ... zum Wohle des Kindes. :crazy

  • Die Symbiose zwischen meiner Tochter und mir ist auch ziemlich stark. Aber, liebe Leute, was kann ich wirklich praktisch dagegen machen? Wir sind nun einmal zu zweit. Natürlich konzentriert sich hierbei alles nur auf uns zwei. Logischerweise habe ich eigene Interessen, die nichts mit meiner Tochter zutun haben. Ebenso hat auch meine 6 Jährige von mir völlig unabhängige Interessen. Die Symbiose ist trotzdem da.
    Also, sorry, aber mir erschließt sich beim besten Willen nicht, was ich dagegen machen soll. :frag:crazy

    LG m_m_h
    _____________________________________________________________________


    Wer sich auf die Suche nach einem Tiger begibt, muss sich nicht wundern, wenn er einen Tiger findet. (indisches Sprichwort)


    Das Leben ist zu kurz für schlechten Kaffee.

  • Hi,


    :Hm zur Symbiose und ergänzend zu segelpapa:


    Gestern gab es bei Stern-TV u.a. ein Thema "Wie Ausbildungsreif sind unsere Jugendlichen".


    "Die heutigen auf den Ausbildungsmarkt strebenden haben eine Reife von einem 6- jährigen. In einigen Jahren meinte heinson wäre dieser auf dem Stand eines 16 Monate alten Kindes. Nur noch lustorieniert und nicht in der Lage sind,dies zu Gunsten
    von Arbeit und anderes zurückzustellen.
    eine
    Ursache wäre, das Kinder öfters als Partner behandelt werden und
    somit in einer symbiotischen Beziehung leben, die jede Entwicklung
    verhindern würde."
    Dieser Satz erinnert mich an viele AE-Mütter und auch Fälle hier, wo eine Symbiose aufgrund des geschriebenen rüberkommt.


    ...und "Mütter" habe ich hier bewußt geschrieben. :mussweg


    Gruß
    babbedeckel

    Die Männer, die mit den Frauen am besten auskommen, sind dieselben,
    die wissen, wie man ohne sie auskommt. (Charles Baudelaire)


    Jedes Kind bringt die Botschaft,
    dass Gott die Lust am Menschen noch nicht verloren hat.

    Einmal editiert, zuletzt von babbedeckel ()

  • hmmm .... verstehe das immer noch nur zum Teil.


    Ich kann mir sowas nicht so wirklich vorstellen wie das in der Praxis aussieht.
    Ich meine das Kind und die Mutter haben doch nicht immer die gleichen Bedürfnisse. Das ist doch schon rein faktisch gar nicht so. Kind hat vielleicht hunger, während Mutter müde ist oder Kind muss mal während Mutter durst hat.


    Oder ist damit gemeint, dass wenn die Mutter hunger hat, dass sie gleichzeitig sofort davon ausgeht, dass das Kind auch hunger haben muss?
    Aber wie kommt man auf so eine Idee? Ich würde das Kind fragen wenn es alt genug ist oder ihm etwas anbieten. Wenn es was isst, hat es wohl hunger gehabt.


    Oder ist es soetwas wie eine Empfindung?
    Ich habe meinen Sohn immer als eine andere Person oder Wesen angesehen. Schon in der Schwangerschaft, als er mich von innen getreten hat :love
    Kann mir gar nicht vorstellen wie man sein Kind als Teil von sich selber empfinden kann. Es hat doch ein eigenes Gehirn mit einer eigenen Wahrnehmung.
    Und es tut oft genug Dinge mit denen man sich selber sicher nicht gerne identifiziert. (Wutanfall im Kaufhaus..etc. )


    Gibt es sowas denn wirklich?
    Habt ihr das schon mal beobachtet und wie sieht das dann konkret aus?

  • Nimm mal ein anderes Beispiel als Hunger. Nimm z.B. Hausaufgaben - wenn die nicht ordentlich gemacht wurden, die Lehrerin das bemängelt und die mUtter/der Vater einen Aufstand macht, weil er oder sie sich persönlich angegriffen fühlen.
    Oder den Klassiker: Kind zieh dir ne Jacke an, Mama friert. :D

  • "Die heutigen auf den Ausbildungsmarkt strebenden haben eine Reife von einem 6- jährigen. In einigen Jahren meinte heinson wäre dieser auf dem Stand eines 16 Monate alten Kindes. Nur noch lustorieniert und nicht in der Lage sind,dies zu Gunsten
    von Arbeit und anderes zurückzustellen.
    eine
    Ursache wäre, das Kinder öfters als Partner behandelt werden und
    somit in einer symbiotischen Beziehung leben, die jede Entwicklung
    verhindern würde."


    Und genau dafür fand ich das Buch von Winterhoff gut. Es hat mir dann doch das ein oder andere für meinen Job klarer gemacht und auch eben dass die Kinder nicht die sind die immer den Ton anzugeben haben, sondern es durchaus legitim ist auch meine Mienung, Bedüfnisse etc je älter mein Kind wird durchzusetzen. Wo ich doch immer wieder ziemlich verunsichert wurde und werde.


    edit:
    @ lovrel:
    Wenn das Kind klein ist müssen seine Bedürfnisse immer befriedigt werde (meine Meinung). Das ändert sich aber, wenn die Kinder immer größer werden. Dann geht es um die Machtfrage und werd das Sagen hat. Kind oder Eltern. Und wenn ich immer nachgebe gibt es keine Grenzen und keine Leitplanken und die Kinder sind orientierungslos.
    So wie uns in fremden Umgebungen ja auch geht und ich (zumindest) froh bin, wenn ich ungefähr gesagt bekomme wie die Regeln sind. UNd so geht den Kids immer und sie lernen nicht zu unterscheiden.

    Nicht zu wissen, was man will ist schlimm, schlimmer noch ist jedoch nicht zu wissen was man nicht will.
    (Ich hoffe, das ist kein Zitat)

    Einmal editiert, zuletzt von finegirl ()