- So regelmäßig, wie der paritätische Wohlfahrtsverband jährlich die Armutsquote in Prozent des mittleren Haushaltseinkommens berechnet, so regelmäßig wird diese Art, Armut zu definieren, kritisiert. Erhöht sich das mittlere Einkommen in Mecklenburg Vorpommern und bleibt in NRW unverändert, dann erhöht sich nach der angewandten Berechnungsmethode die Armutsquote in NRW, verdoppelt sich das Einkommen aller Menschen, dann bleibt die Armutsquote des paritätischen Wohlfahrtverbandes unverändert, etc. Die Berechnungsmethode kann etwas über die relative Verteilung von Einkommen in einer Gesellschaft aussagen, ist aber m.E. kein geeignetes Mittel, um Armut zu bewerten.
Beispielsweise gehen in die genannte Armutsquote des Verbandes auch Studenten und Auszubildende ein, für die das Kriterium "armutsgefährdet" aber so sicher nicht angewendet werden kann.
Die Böckler-Stiftung der Gewerkschaften hat eine leichte Zunahme der Armutsquote mit der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 begründet. Mir erscheint das bei um die 1 Millionen in Deutschland aufgenommenen Menschen plausibel, das past zur rechnerischen Zunahme um 0,3%. Für die bisher hier lebenden Menschen hat sich dadurch nichts im negativen Sinne verändert. Selbst das von Frau Nahles geführte Familienministerium kritisiert die Datengrundlage und die Schlussfolgerungen des paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Vielmehr gebe es weniger Langzeitarbeitslose und die die Quote der erheblichen materiellen Deprivation (objektives Maß für die Unterversorgung mit Alltagsgütern) gehe in eine andere Richtung (zitiert nach http://www.faz.net/aktuell/wir…sbericht-an-14906528.html).
- In den Nachrichten kam heute noch eine zusätzliche Auswertung des paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Arme Menschen leben kürzer als Reiche (das ist ohne Zweifel so) und würden deshalb kürzer Rente beziehen. Wegen der kürzeren Rentenbezugszeit würden arme Menschen die Renten der Reichen dann überproportional mitbezahlen, was skandalös sei.
Unabhängig von der Frage ob Armut krank macht oder ob kranke Menschen eher arm sind, weil sie nicht so leistungsfähig sind. Nach der Logik des paritätischen Wohfahrtsverbandes wäre es dann auch skandalös, wenn Frauen die gleiche Rente bekommen wie Männer, weil Frauen im Mittel länger leben.
Fazit: Kein Zweifel, es gibt genug und zu viele arme Menschen bei uns, die monatlich jeden Cent drei Mal umdrehen müssen. Es deutet aber nichts darauf hin, dass die Situation gesamgesellschaftlich schlechter wird oder in letzter zeit schlechter geworden ist. Die Zahlen, die der pariätische Wohlfahrtsverband vorlegt, sind m.E. nicht geeignet, das Ausmaß und den Verlauf von Armut zu bewerten.