Ich habe von meinem Kind niemals verlangt, Bitte oder Danke zu sagen, zu grüßen, sich zu verabschieden, zu winken, die Hand zugeben, anderen zu helfen usw. Zu meinem großen Erstaunen hat er sich das alles schon sehr früh ganz von alleine angewöhnt und sein gesamtes Umfeld damit entzückt. Es war ihm ein inneres Bedürfnis, sich so zu verhalten, wie er es sich bei mir und anderen abgeschaut hatte und die ausnehmend positiven Reaktionen seines Umfeldes haben ihn permanent darin bestärkt.
So ein anderthalbjähriges Kind, das permanent Danke und Bitte sagt und bei Langeweile durch das gesamte Zugabteil läuft, um jeden Mitreisenden mit Hallo zu begrüßen, ein Kind, daß seit dem Krabbelalter nach kurzem Zugucken unerschütterlich mitanpackt, wenn es sieht, daß Angestellte im Geschäft Waren ein- oder ausräumen, weil es das selber so will, kommt ganz ander rüber als ein Kind, das Bitte, Danke usw. sagt, wenn es ihm geheißen wird. Dieser ganze Mist vonwegen "Bedanke Dich, sag Bitte, entschuldige Dich, sag Hallo, wink mal, entschuldige Dich usw." erzeugt nur künstliches, aufgesetztes Verhalten. Wenn ich sowas mitbekomme, schauderts mich regelrecht.
Zu Thema Gehorsam noch eine Anmerkung. In einem recht alten Buch habe ich vor längerer Zeit mal etwas gelesen, daß man heute so wohl nicht mehr schreiben würde, aber es trifft doch im Kern: "Ein Kind ist nicht gut erzogen, nur weil es gehorcht, sondern erst dann, wenn es gerne gehorcht." Klingt im ersten Moment blöd, ist aber wahr. Ein gut erzogenes Kind gehorcht aus der Überzeuguing heraus, daß es das richtige ist. Die Basis dafür ist das Vertrauen in die Urteilskraft der Eltern.