Hallo zusammen.
Heute hat mein Kurzer (3) mit dem Papa wieder über Skype telefoniert.
Nun ist ja das Sozialverhalten des Kurzen nicht immer gut, in der Kita (und auch woanders) schubst, kneift und beißt er des öfteren. Daran arbeite ich und die Kita auch, das soll hier nicht Thema sein.
Die Kita hat vor kurzem (wieder) eingeführt, dass am Ende des Vormittags in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Kind ein Smiley vergeben wird. D.h. Kind kann selber mitbeurteilen, ob es sich an dem Vormittag "gut" verhalten hat, seine Spielsachen aufgeräumt hat, die anderen nicht geärgert hat etc.
Dann gibt es entweder einen grünen lachenden, einen schwarzen neutralen oder einen roten traurigen Smiley auf eine große Tafel neben den Namen aufgemalt. Diese hängt neben der Gruppentür. Etwas kritisch sehe ich diese Bewertungssystem, denn es ist u.U. schon stigmatisierend (mein Kind hatte viele Tage quasi nur ein rotes Smiley, und das stach immer deutlich aus der Menge der größtenteils grünen Smileys heraus), aber in unserem KONKRETEN FALL und für MEIN KIND sehe ich das System als gar nicht soo schlecht an. Denn ich glaube, die Erzieher machen das sehr sensibel, besprechen mit den Kids, was gut und nicht so gut war, und werten auf jeden Fall nur das Verhalten, nicht das Kind. Und machen aus roten Smileys auch kein riesen Bohei.
Aber auch das ist eigtl. gar nicht das direkte Thema, sondern ich erzähle es nur zur Erläuterung (entschuldigt, dass ich so ausufernd schreibe).
Es geht nun darum, dass ich irgendwie das Gespräch via Skype zwischen KV und Kind in Gang bringen wollte, weil das für einen Dreijährigen ja noch schwierig ist, sich so zu unterhalten. Also habe ich Kind gesagt, er könne ja Papa erzählen, was für einen Smiley er heute bekommen habe (nämlich einen grünen).
KV sagte daraufhin zum Kurzen: "Ah, also warst du schön artig? Warst du lieb?"
Mir rollen sich bei diesen Ausdrücken die Fußnägel hoch, weil für mich "artig" und "lieb" angepasstes, gehorsames Verhalten bedeutet. Sprich, Kind soll sich so verhalten, wie die Erwachsenen es wünschen. Ich habe ihm gesagt, dass ich die Begriffe nicht so passen fände. Er fragte mich, was er denn stattdessen sagen solle. Nun, da fiel mir auch keine richtig gute Alternative ein.
Ich will kein liebes, angepasstes Kind, das sich nur so verhält, weil es die Eltern/Erwachsenen so wünschen! Sondern ein Kind, dass sich sozial verhält, weil es weiß, dass Rücksicht nehmen, einander helfen etc. wichtig für das soziale Miteinander sind.
Lieb und artig hat für mich was von alter Erziehung, Überangepasstheit, blindem Gehorsam (ich tue das, weil du das willst, nicht, weil ich es für richtig halte).
KV ist in der (ehemaligen) DDR aufgewachsen (bei Mauerfall war er 10 Jahre alt), und mir wird immer wieder bei ihm und seiner Familie bewusst, wie wichtig für sie Gehorsam, Disziplin, kein Aus-der-Reihe-tanzen, kein Widersprechen, keine Ausnahmen etc. ist. In vielerlei Hinsicht leben sie diese Werte weiter, was ich auch zumindest bei den älteren Generationen (also Eltern und Großeltern des KV) verstehen kann, da sie ja komplett in einem anderen System sozialisiert worden sind.
Nur dass KV es ganz genauso macht/denkt bzw. sich nicht ansatzweise distanziert , kann ich nicht begreifen. Obwohl KV gar nicht mehr in ihrer Nähe lebt, und ihre Ansicht auch nicht generell in allen Dingen teilt, ist es gerade in der Erziehung so, dass er unhinterfragt ALL ihre Werte und Vorstellungen übernimmt. Z.B. auch rigoroses Töpchentraining noch vor dem 1. Geburtstag...
Er redet genau ihre Worte nach, das merkt man öfter, da es dann wie "auswendig gelernt" klingt.
Gut, sicher ist es auch schwierig für ihn, seinen eigenen Erziehungsstil zu entwickeln, wenn er den Kurzen nur alle paar Wochen sieht, und dann nimmt er ihn meistens mit zu seiner Familie (das ist etwas, worauf ich gerne hinarbeiten möchte: dass er Sohni demnächst öfter bei sich alleine hat, und nicht jedes Mal bei seiner Familie, die dann nicht so viel Spielraum für die Entwicklung seines eigenen Stils lässt).
Nun, diiese Situation mit "artig" und "lieb" ist ein Paradebeispiel gewesen für die Grundproblematik zwischen KV und mir, deshalb beschreibe ich sie hier so genau sowie die Hintergründe. Wir sind soo grundverschieden in unseren Erziehungsansichten, und KV möchte gerne immer mehr in der Erziehung mitentscheiden, wogegen ich mich aber wehre, da ich andere Grundsätze habe, und vor allem die Alltagssorge in meinen Händen liegt (d.h. ich entscheide z.B. auch, ob Kind nachts mit gerade 3 eine Windel trägt, denn ICH muss die Wäsche waschen, nicht er. Er wünscht sich aber, dass wir auch solche Dinge gemeinsam entscheiden)
Wie seht ihr das, sind für euch artig und lieb noch Begriffe, die ihr benutzt?
Und wie komme ich bloß auf einen Konsenz mit KV? Bzw. sollte ich es einfach ignorieren, wenn er beim skypen sowas sagt (noch kann ja Sohni leider nicht ganz allein skypen, da würde er nach 20 sek. zum Spielen weggehen).
Glücklicherweise haben wir in knapp 2 Wochen nochmal einen Termin zur Mediation, da werde ich es auch nochmal thematisieren, wie man bei so grundverschiedenen Erziehungsansichten klarkommen kann (ich rede KV aber auch nicht in die Papa-Wochenenden rein, das machen sie alles so, wie sie es für richtig halten. Nur umgekehrt ists leider schwierig).
Sorry, dass es so lang geworden ist, und hoffentlich nicht zu verwirrt/verwirrend!