Ohne Vater

  • Hallo,

    aus aktuellem Anlass mache ich mir derzeit viele Gedanken, wie es für meine Tochter wäre, ohne Vater aufzuwachsen.


    Ich suche nach Erfahrungen. Wie geht ihr damit um? Welche Fragen stellen eure Kinder? Was antwortet ihr? Wie geht es den Kindern damit? Leiden sie unter dem fehlenden Kontakt? Äußern sie Wünsche bezüglich Vaterfigur?



    Meine Tochter wird in wenigen Wochen zwei Jahre, hat bisher alle drei Wochen für etwa 3 Stunden Kontakt zum Papa, allerdings ausschließlich in meinem Beisein. Derzeit muss ich in Erwägung ziehen diesen Umgang gänzlich zu unterbinden, habe aber auch Angst vor dieser Entscheidung und suche daher nach euren Erfahrungen.
    Wer mehr Infos möchte:Umgang - nur in meinem Beisein?!

    Einmal editiert, zuletzt von anri ()


  • Ich suche nach Erfahrungen. Wie geht ihr damit um? Welche Fragen stellen eure Kinder? Was antwortet ihr? Äußern sie Wünsche bezüglich Vaterfigur?


    Junior (5) hatte immer unregelmäßigen und wenig Umgang mit seinem Vater, aktuell ist Stand der Dinge, dass die beiden sich das letzte mal im Januar so richtig gesehn haben (KV war zwar im April für ne Stunde zum Geburtstag da, da war Junior aber die ganze Zeit im Kinderzimmer mit seinen Cousins, KV entweder im Wohnzimmer oder im Garten). Fragen stellt er kaum. Ab und zu fragt er mal nach KVs Beruf oder Wohnort, aber das kann man im Jahr an einer Hand abzählen. Jemand meinte mal, Junior wirkt als ob er mit dem Kapitel abgeschlossen hat. Aber kann man das?


    Zitat von anri

    Wie geht es den Kindern damit? Leiden sie unter dem fehlenden Kontakt?


    Prinzipiell gut. Er hat sich aber eine Zeit lang selbst die Schuld dafür gegeben, dass sein Papa ihn nicht sehen will, hat gedacht, er hat ihn nicht lieb. Das ist aber vorbei. Junior lässt sowas nicht oft raus, er macht viel mit sich selbst aus. Ich hab ihm gesagt, dass er immer mit mir reden kann oder Fragen stellen kann, und es total okay ist, wenn er seinen Papa vermisst. Kratzt ihn aber nicht wirklich :hae: Früher hat man an seinen Spielen gemerkt, dass ihm ein Vater fehlt, auch das hat mittlerweile aufgehört. Anfang der Woche hatte er panische Angst, dass sein Papa bei uns sein könnte, also das komplette Gegenteil. Woher das nun wieder kam, ich weiß es nicht.


    Zitat von anri

    Äußern sie Wünsche bezüglich Vaterfigur?


    Nein.


    Zitat von anri

    Meine Tochter wird in wenigen Wochen zwei Jahre, hat bisher alle drei Wochen für etwa 3 Stunden Kontakt zum Papa, allerdings ausschließlich in meinem Beisein. Derzeit muss ich in Erwägung ziehen diesen Umgang gänzlich zu unterbinden, habe aber auch Angst vor dieser Entscheidung und suche daher nach euren Erfahrungen.


    Weshalb musst du das in Erwägung ziehen? Hat sich der Drogenkonsum verschlimmert?

  • Jemand meinte mal, Junior wirkt als ob er mit dem Kapitel abgeschlossen hat. Aber kann man das?


    Das ist eine gute Frage.
    Wahrscheinlich frühstens wenn man sich mit 18/19/20 Jahren sein eigenes, echtes Bild über den Vater machen kann und dann seine eigenen Schlüsse daraus zieht.


    Prinzipiell gut. Er hat sich aber eine Zeit lang selbst die Schuld dafür gegeben, dass sein Papa ihn nicht sehen will, hat gedacht, er hat ihn nicht lieb.


    Genau davor habe ich Angst. Aber da liegt es wohl an dem verbleibenden Elternteil das Kind aufzufangen.


    Weshalb musst du das in Erwägung ziehen? Hat sich der Drogenkonsum verschlimmert?


    "Verschlimmert" hat er sich (sofern für mich ersichtlich) nicht aber es gab inzwischen einige Situationen die mir zu denken gegeben haben und ich habe mir Hilfe gesucht um nach anderen Möglichkeiten des Umgangs zu suchen. Es gab vom Jugendamt und Kinderschutzzentrum die Überlegung (fast schon einen Ratschlag), den Kontakt zu unterbinden da der Umgang mit einem Drogensucht- und Psychisch-Kranken für ein Kind kaum zumutbar ist.
    Die Frage ist jetzt also: Was wiegt schwerer - Umgang mit einem kranken Vater mit der Gefahr einer Co-Abhängigkeit für's Kind oder gar keinen Kontakt.

  • Die Frage ist jetzt also: Was wiegt schwerer - Umgang mit einem kranken Vater mit der Gefahr einer Co-Abhängigkeit für's Kind oder gar keinen Kontakt.




    Man kann sich diese Frage natürlich stellen, aber im Grunde ist jede Antwort darauf reine Spekulation. Erstmal wird deine Tochter nicht Co-abhängig wenn sie auch weiterhin eher selten und begleitet Umgang mit ihrem Vater hat. Ansonsten weiß eben niemand wie sich der Kontakt zum Vater -oder eben kein Kontakt auf sie auswirkt.Wobei ich glaube das es besser ist den Kontakt in der jetzigen Form beizubehalten,zumal der Vater ja auch garnicht mehr will. Stellst du den Umgang ein läufst du Gefahr das er den Umgang einklagt und ist es fraglich ob dir dann auf Dauer dieser selbstbegleitente Umgang zugestanden wird.

  • Man kann sich diese Frage natürlich stellen, aber im Grunde ist jede Antwort darauf reine Spekulation. Erstmal wird deine Tochter nicht Co-abhängig wenn sie auch weiterhin eher selten und begleitet Umgang mit ihrem Vater hat. Ansonsten weiß eben niemand wie sich der Kontakt zum Vater -oder eben kein Kontakt auf sie auswirkt.Wobei ich glaube das es besser ist den Kontakt in der jetzigen Form beizubehalten,zumal der Vater ja auch garnicht mehr will. Stellst du den Umgang ein läufst du Gefahr das er den Umgang einklagt und ist es fraglich ob dir dann auf Dauer dieser selbstbegleitente Umgang zugestanden wird.


    Ich war bisher auch der Meinung, das der Umgang wichtiger ist aber das Jugendamt und Kinderschutzzentrum sind da anderer Meinung. Und diese vermuten auch, ein Richter würde nicht anders entscheiden.


    Zum Thema Co-Abhängig in den nächsten Jahren... die Frage ist, wie Tochter ihren Vater wahrnimmt. Er sitzt lethargisch in ihrem Zimmer, redet wenig, lacht noch weniger. Kümmert sich weder um Windel/Toilette, noch um Essen/Trinken. Das macht auch etwas mit einem Kind, auch wenn niemand weiß was.

    Einmal editiert, zuletzt von anri ()

  • Mein Kind waechst weitgehend ohne Vater auf. Das Schlimmste war wohl, dass ich das als so schlimm angesehen habe (und dass ich teilweise etwas ueberfordert damit war, wirklich alles alles immer allein zu regeln). Das hat sich auf sie uebertragen. Irgendwann hab ich losgelassen, aufgegeben, dass er sich mitkuemmert und es hat sich sofort alles entspannt. Fragen stellt meine Tochter so gut wie nie (wird jetzt 8 ). Die Dinge sind so wie sie sind. Sie ist so aufgewachsen und kennt es nicht anders. Gibt viele Modelle, wie Kinder gross werden. Manche nur bei den Grosseltern, manche nur beim Vater, manche nur bei der Mutter. Man muss sich loesen von dem Gedanken, dass es nur gut ist, wenn beide Elternteile verfuegbar sind (so bin ich aufgewachsen und es war katastrophal... also beide Elternteile haben heisst NICHT automatisch: alles wird gut). Meine Tochter ist froehlich, selbstbewusst, offen. Sie meinte nur einmal, dass sie es auch schoen faende, wenn EIN Vater sie mal zur Schule bringen wuerde, wie das bei den anderen Kindern manchmal ist. Das hat dann mein damaliger Freund uebernommen und das war dann auch ok so. Das Wichtigste ist, dass man selbst entspannt damit umgeht. LG

    Einmal editiert, zuletzt von Malindi ()

  • Gibt viele Modelle, wie Kinder gross werden. Manche nur bei den Grosseltern, manche nur beim Vater, manche nur bei der Mutter. Man muss sich loesen von dem Gedanken, dass es nur gut ist, wenn beide Elternteile verfuegbar sind (so bin ich aufgewachsen und es war katastrophal... also beide Elternteile haben heisst NICHT automatisch: alles wird gut).


    Damit hast du natürlich total recht! Die Dame vom JA sagte wortwörtlich: "Ein gesunder Elternteil reicht in der Regel".
    Trotzdem will man ja nur das beste für das Kind und es ist schwer in diesem Fall "das Beste" herauszufinden und diese Entscheidung allein zu treffen und für die nächsten Jahre zu tragen.


    Danke Scharanessa für deinen Link!

  • Meine Beiden (15 und 12) wachsen seit 5 Jahren komplett ohne Vater auf.
    Sie kommen wohl recht gut mit der Situation klar, haben sich damit arrangiert - oder auch abgefunden.
    Ich für meinen Teil habe damit wohl ein größeres Problem, da ich selbst auch ohne Vater aufgewachsen bin und
    ich es nachhaltig als sehr schlimm empfunden habe. Deswegen denke ich, dass ich mein Problem zu dem meiner
    Kinder mache/n "will".


    Einen positiven Beitrag habe ich wohl dazu geleistet, in dem ich übers Jugendamt Entlastungspflege beantragt habe.
    Sie gehen da alle paar Wochen übers Wochenende zu einem Ehepaar. Er hat einen sehr positiven männlichen Einfluss, was
    ihnen mehr als gut tut.


    Eine weitere männliche Komponente ist mein Partner. Es ist ihnen jetzt schon mehr Vater, als es der leibliche je war, und sie
    verstehen sich sehr, sehr gut mit ihm. Wir leben zwar nicht zusammen, doch das empfinde ich nicht als Manko.


    Somit haben meine Kinder zwei wertvolle Freunde gefunden, die sie sicherlich noch ein Weilchen auf ihrem Lebensweg
    begleiten werden! :anbet

    .... Auch das geht vorüber!.... :daumen
    oder
    .... das blöde am Leben ist, dass auch Arschlöcher mitmachen dürfen!.... :lach

  • Hallo Anri,
    ich (m,42) bin - weitestgehend - ohne Vater (er ist nach jahrelanger Krankheit verstorben als ich noch nicht in der Schule war) aufgewachsen. Das war damals absolut die Ausnahme, ich war lange der Einzige aus meiner Klasse, dem es so erging. Das war keine schöne Zeit. Vermisst habe ich zu der Zeit trotzdem nichts wirklich, ich hatte eine sehr schöne Kindheit, und ich meine, aus mir ist, trotz allem, ein ganz vernünftiger Kerl ;) geworden.


    Manchmal denke ich darüber nach, wie es gewesen wäre, wenn es, das nicht so gelaufen wär. Ich weiss es nicht, und am Ende belasse ich es dann auch beim Nachdenken. Da ich nicht weiss, wie es ist, wenn man in der pubertären Phase, Erwachsenwerden einen männlichen ET hat, kann ich mir kein Urteil erlauben, ob etwas "gefehlt" hat. :frag Das ist so, und die Frage werde ich wohl auch nie beantwortet bekommen.


    Jetzt da ich selbst Vater u.a. eines Pubi Sohnes bin, tue ich viele Sachen intuitiv... ob ich das richtig mache, keine Ahnung :D . Ich mach es so, wie ich denke, und wie ich es vor mir vertreten kann. Die Zeit wird es zeigen.


    LG

  • Meine Große ist jetzt 4 und so langsam kommen die Fragen nach ihrem Papa, ich habe in einer Kiste Bilder von ihm und ein paar Erinnerungsstücke, von denen ich mich nicht trennen wollte (konnte trifft es eher) und sie hat die Bilder schon oft gesehen, es kamen auch Fragen nach dem wo er wohnt, was er macht und ob er sie besuchen kommt oder warum er denn nicht möchte, im Großen und Ganzen kommt sie gut damit zurecht, sie kennt es aber auch nicht anders, als das nur ich da bin und ihr Vater sich noch nie um sie gekümmert hat. In letzter Zeit kam öfter mal die Frage,ob sie ein Bild von ihm in ihrem Zimmer haben darf, da bin ich mir aber noch nicht sicher, ob ich das machen soll oder nicht.