Heute vor einem Jahr...

  • ... war der letzte Tag meiner zweiten Schwangerschaft.


    Seit Tagen hatte ich gewartet und gehofft, dass sich dieses Kind genauso pünktlich auf den Weg machen würde und vor allem genauso problemlos und schnell zur Welt kommen würde wie sein großer Bruder neun Jahre zuvor. Ich wollte endlich diesen Mega-Bauch los sein und mein Baby in den Armen halten.


    Als ich dann abends halb acht mit einem Arbeitskollegen zusammen in der Küche saß, der mir eine riesige Tüte voller Babysachen vorbeigebracht hatte, fing es im Rücken so ganz langsam und ganz leicht an zu ziehen. Kaum merklich, aber da war was. Wunderschön. Den netten Kollegen verabschiedete ich dann doch recht schnell, obwohl ich nun allein im Haus war und auch nicht wußte, ob der zukünftige Papa an diesem Abend noch den Weg von seiner neuen Freundin nach Haus finden würde. Aber ich wollte erstmal mit mir und diesem Gefühl und der Ahnung, dass es in dieser Nacht so weit sein würde, allein sein.


    Aus der Ahnung wurde Gewissheit, aus dem leichten Ziehen ein leichter Schmerz und aus meiner Ruhe langsam Unruhe. Gegen zehn kam dann mein Lebensgefährte endlich nach Hause. Ich war schon in der oberen Etage dabei, Runden zu laufen und bewußter zu atmen. Dann war auf einmal Funkstille in meinem Körper. Nun gut, dachte ich, legst dich hin, schläfst ein wenig, wird schon werden. Gedacht, getan, aber natürlich war an Schlafen nicht zu denken. Dafür aber der Papa: kam rein, legte sich wortlos neben mich und schlief fast auf der Stelle ein.


    Und schwups, da waren die Wehen wieder. Wecken wollte ich ihn nicht, also tapste ich leise nach unten. Die Wehen nahmen merklich an Stärke zu, ich versuchte mich in den Pausen dazwischen zu beschäftigen, so gut es ging. Kerzenschein, Musik, Buch vor der Nase, Essen, durch die Räume "spazieren". Badewanne wollte ich erst, war mir dann aber allein doch zu gefährlich. Wehe auf Wehe kam, die Abstände wurden kürzer, so ganz ohne Ton beim Ausatmen ging es nicht mehr.


    Kurz nach halb drei wurde mir doch leicht mulmig zumute. Jetzt fand ich es doch angebracht, meinen Lebensgefährten wenigstens mal zu wecken und ihm zu sagen, dass es langsam losgeht. Was für eine falsche Wahrnehmung meinerseits! Stöhnend meinte ich zu ihm: "Kannst noch liegenbleiben, ich rufe erstmal die Hebamme an - das dauert noch!"


    Ich rief also die Hebamme an, welche sich im Krankenhaus bei einer anderen Frau, die grad ihr Kind zur Welt gebracht hatte, befand. Flüssiges Reden war kaum noch möglich, die Abstände zwischen den Wehen wurden immer kürzer und die Schmerzen immer heftiger. Ich denke, der Hebamme war da schon klar, dass es nicht mehr lange dauern würde. Na gut, mir auch. Der Papa kam dann auch zu mir herunter. Meinen Hinweis, das würde noch dauern, hatte er zum Glück ignoriert.


    Es dauerte dann doch noch eine ewige halbe Stunde, bis meine Hebamme endlich kam. Mein Partner schaute mich völlig hilflos, ängstlich und total besorgt an während der ganzen Zeit. Ich wollte keine Hilfe, da mußte ich allein durch. Stehen während der Wehen ging gar nicht mehr. Auf dem Boden kniend, aber immer noch ruhig und konzentriert atmend, ließ ich eine Wehe nach der anderen vorüberziehen. Völlig versunken in meine Arbeit.


    Die liebe Hebamme sammelte mich vom Boden auf und meinte nur, sofort los, sie führe hinterher; falls die Fruchtblase unterwegs platzen sollte, würden wir das Kind eben neben der Straße kriegen. Mir war alles egal, ich war so ruhig, nur darauf konzentriert, diesen Schmerz auszuhalten. Wir mußten auch noch eine Umleitung fahren, die beiden Autod rasten durch die Nacht, ich weiß noch, dass ich immerzu meinte, er solle doch bitte langsamer fahren, die Erschütterungen beim Fahren taten weh, ich hatte plötzlich Angst, die Hebamme würde nicht hinterherkommen - nein, die Fahrt war nicht schön.


    Um vier Uhr waren wir beim Krankenhaus. Der Weg in den Kreißsaal unendlich lang, einer stütze mich links, einer rechts, jede Wehe hielt uns auf, weil ich nicht mehr weiterlaufen konnte. Den Weg sah ich wie in einem Tunnel vor mir. Dann ging die Tür zur Entbindungsstation auf und die Hebamme, die mich begrüßte, kannte ich, mochte ich, da war alles gut.


    Keine Zeit mehr für irgendwas. Nur noch rauf aufs Bett, die Arme auf das hochgestellte Kopfteil gelegt und endlich aktiv mithelfen dürfen. Fast auf allen vieren. Die Hand des Papas pressend. Schreiend vor Schmerz und Erleichterung, dass es jetzt endlich soweit ist. Schieben, Pressen, Atmen. Drei Wehen dauerte es noch, dann war's vollbracht. 4.20 Uhr.


    Das schönste und größte Gefühl auf Erden - ein gesundes, lebendiges Menschenkind zur Welt gebracht zu haben. In dieser Nacht vor einem Jahr. Morgen ist ihr erster Geburtstag.


    (Und jetzt heul ich erstmal 'ne Runde)

  • Ein toller und sehr rührender Geburtsbericht. Vielen Dank dafür !


    Der erste Geburtstag ist etwas ganz besonderes. Man erinnert sich dran wie es war..ist erstaund das das Kind schon so groß ist und wird sentimental.
    Aber soll ich dir was sagen? Dieses Gefühl was du heute hast, hab ich jedesmal vor jedem Geburtstag wieder.
    Wenn ich Morgens dann in sein Zimmer gehe..ihn wecke und ihm sein Geburtstagslied singe..muss ich mich doll zusammenreißen das ich nicht schon da in Tränen ausbreche.


    Ich wünsche euch einen wunderschönen 1 Geburtstag !