Alleinerziehende Mütter suchen im Vorgebirge einen Vier-Kant-Hof
oder Mehrfamilienhaus
Sie sitzen um den Tisch herum, drei Mütter und vier Kinder, die Stimmung ist locker-fröhlich, sie basteln, spielen und quatschen, lachen viel. Eine normale Großfamilie, will man meinen. Doch sie lachen nicht immer, denn die drei alleinerziehenden Mütter haben große Probleme in der Gesellschaft.
Sie haben sich im Interesse der Kinder dazu entschlossen, aus den früheren Partnerschaften auszubrechen. "Es ist besser für die Kinder, wenn man einen Schlussstrich zieht, falls eine Beziehung nicht mehr funktioniert. Das war bei uns der Fall. Für jeden ganz anders, aber in der Konsequenz gleich", sagen Sandra, Petra und Birgit. Das Trio hat schmerzlich erfahren müssen, welche Chancen man als Alleinerziehende auf dem Arbeitsmarkt hat - besser gesagt, welche Chancen man nicht hat.
"Ich würde alles machen, Regale einräumen oder an der Kasse sitzen. Es gab viele Bewerbungsgespräche, manche Stelle hätte ich sofort antreten können. Doch morgens um sechs kann ich nicht anfangen. Meine Tochter Kyra ist sechs, die muss morgens und mittags versorgt werden. Also fallen fast alle Jobs für mich weg. Jetzt verliere ich meine Arbeit, weil meine Firma aus betriebswirtschaftlichen Gründen mich nicht mehr beschäftigen kann", sagt die 34-jährige Sandra.
Mit ihren Freundinnen ist sie daher auf die Idee gekommen, einen sogenannten "Vier-Kant-Hof" zu mieten, also ein altes Bauernhaus mit Innenhof. In dem abgesicherten Innenraum könnten die Kinder gefahrlos spielen, im Wechsel wäre immer eine Mutter da, um nach den Mädchen und Jungen zu schauen.
Petra hat zwar einen Job, doch auch sie kämpft im Arbeitsleben. "Mein siebenjähriger Tim und die 14-jährige Sarah brauchen ihre Mutter. Die `Große` kümmert sich oft um ihren kleinen Bruder, nimmt mir damit viel Arbeit ab. Doch ich brauche einen Vollzeitjob, um die Kinder vernünftig ausstatten und zur Schule schicken zu können. Ich will nicht in Hartz IV kommen, also kämpfe ich. Und das kann man besser gemeinsam", stellt sich Petra Weber an die Seite von Sandra.
Birgit ist an diesem Nachmittag in einer Rösberger Dachgeschosswohnung die Dritte im Bunde. Die 35-jährige Friseurin und ihre zweijährige Tochter Maya wollte eigentlich mit ihren Freundinnen die WG aufmachen, doch sie hat "jetzt einen anderen Weg gefunden, über den ich aber nicht sprechen will". Die Kinder gehören zu den Eltern oder eben zu dem alleinerziehenden Elternteil, sagt sie. Nur bei Vater oder Mutter, ansonsten nur noch bei Verwandtschaft seien die Pänz gut aufgehoben und behütet, sagt sie. Sie unterstützt Sandra und Petra, wo sie kann.
Hilfe werden sie auch brauchen, sind sich die beiden im Klaren. "Solche Höfe sind rar und beliebt. Deshalb darf es auch ein Mehrfamilienhaus sein. Aber nur zur Miete, denn Eigenkapital haben wir nicht", erklärt Petra. Sie lachen viel, aber hinter ihren Worten ist viel Verzweiflung, viel Grübeln über die ungewisse Zukunft zu spüren.
Ihr Modellprojekt wollen sie mit drei bis vier Alleinerziehenden angehen, brauchen also noch eine oder zwei Mütter mit Kind(ern). Wobei es auch ein Vater sein dürfte, wie sie meinen. "Solche Wohngemeinschaften gibt es schon, aber hier in der Gegend noch nicht", hat Sandra festgestellt.
Sie hat bereits Kontakt mit einem Makler aufgenommen, ist aber froh, wenn sich auch Besitzer solcher Immobilien melden würden. "Vier-Kant-Höfe sind gerade bei Städtern, die aufs Land ziehen, beliebt - und deshalb schwer zu bekommen. Wir sind da auf Tipps angewiesen", ergänzt Petra.
Einleuchtend sei ihr Konzept, stellen sie überzeugt dar. Morgens geht die eine zur Frühschicht, die nächste kümmert sich um die Kinder, am Nachmittag ist "Schichtwechsel". Und was das Wichtigste ist: Jederzeit ist ein Ansprechpartner und "Kümmerer" für die Mädchen und Jungen da. Die Mütter (oder Väter) sind auf dem Arbeitsmarkt flexibler, da die engen Zeitfenster weiter werden.
Von einer Voraussetzung wollen die beiden Frauen aber keinen Millimeter abweichen: "Jede Familie muss ihren eigenen Bereich haben. Tagsüber gemeinsame Kinderbetreuung, aber auch die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, ein Vier-Augen-Gespräch zu führen oder zu Zweit oder zu Dritt zu essen. Natürlich treffen wir uns auch zu gemeinsamen Mahlzeiten - aber nur dann, wenn wir es wollen."
Erste Reaktionen stimmen die Frauen zuversichtlich. Nach einem Radiogespräch meldeten sich erste Mütter, die dasselbe erlebt haben und gerne einziehen würden. "Alleinerziehende, ob Mann oder Frau, haben es schwer. Finanziell sind sie meist schlecht gestellt. Um einen der Ausbildung angemessenen oder zumindest halbwegs gut bezahlten Job zu bekommen, fehlt uns die Zeit, wenn wir die Erziehung der Kinder ernst nehmen. Wenn meine Tochter nicht so fleißig wäre, könnte ich gar nicht dieser Arbeit nachgehen. Doch Sarah braucht auch mehr Zeit für sich, die will ich ihr geben", setzt sich Petra ein Ziel.