Trennungs Kind reagiert mit Wutanfällen und Verlustangst, wie können wir helfen?

  • Moin ihr Lieben,



    Ich betreue neuerdings regelmässig die Kinder eines Freundes. Er lebt seit Jan. Getrennt und ist Alleinerziehend.


    Leider verläuft seither der Kontakt zur Mutter schleppend zu den Kindern (8/9) da diese sich entschieden hat weiter weg zu ziehen.
    Abgesehen davon haben die Kinder aber ein Dichtes Netz, die Großeltern kümmern sich an Wochentagen mit um die kleinen und auch so
    wird ihnen viel angeboten (Gitarrenunterricht/Schwimmen/Musik)


    Aber vorallem der 8 Jährige ist zuweilen sehr schwierig! Er rastet bei kleinigkeiten regelrecht aus (Schreien nach Mama/ Totale ablehnung des Vaters/ Weinen)
    Auch äusserungen wie "Du liebst mich garnicht" "ich habe keine Familie" klingen ganz oft durch...


    Das er meinen Freund damit völlig Hilflos und sogar wütend bzw Fertig macht, ist klar der Arbeitet die ganze Woche (geht nicht anders)
    Und versucht was er kann den kleinen aufzufangen.


    Auch die neue Partnerschaft leidet massiv, da die Mutter dem Jungen erzählt hat die Next wäre natürlich schuld (ich hasse sowas ja)


    Aber meine Frage an euch


    Wie reagiert man hier am besten, die wutanfälle passieren oft auf offener Straße oder in Läden.
    Wie kann man den kleinen effektiv auffangen?
    Ich bin quasi Kids-Kumpel und habe wenigstens etwas draht zu dem kleinen.
    Aber auch mich hat er schon versucht gegen Papa aufzuhetzen ( er hat mir z.b erzählt was Papa mit Next macht in der Hoffnung das ich Wütend werde, ich bin eine Freundin nicht die Next)


    Aber er reagiert danach zum beispiel mit schuldgefühlen und entschuldigt sich auch sofort wieder.


    Mama macht es leider nicht einfacher, da sie bei ihren seltenen Besuchen verspricht die Kinder mitzunehmen, es den Kindern verspricht!
    Aber es nicht ernsthaft vorhat was man den Kindern ja nicht sagen/erklären kann.


    Ich bitte um Rat

    Am Ende wird alles gut, ist es nicht Gut! Dann ist es auch nicht am Ende

    Einmal editiert, zuletzt von MiFamilia2020 ()

  • Boah :motz: , so etwas liebe ich ja...


    Kann es sein, dass der Kleine vollkommen "haltlos" ist und nicht weiß, wohin mit seiner Wut? Dass er sehr stark unter Druck steht? Dass er sich komplett verlassen fühlt, weil die Mutter - aus seiner Perspektive - auch ihn verlassen hat?


    Ich glaube, ich würde erst mal so etwas wie "Ursachenforschung" betreiben und genau beobachten, in welchen Situationen der Kleine sich wie verhält. Du schreibst, dass er wegen Kleinigkeiten ausrastet. Wie sehen diese Kleinigkeiten ganz konkret aus, was passiert in genau dieser Situation?


    Wir sind (davon gehe ich aus) alle (?) keine Psychotherapeuten aber selbst wenn der / die eine oder andere Kinder-Psychotherapeut hier sein sollte, so fehlt uns immer noch das Wissen, was genau passiert. Es ist kompliziert...


    Anscheinend hat der Kleine aber ein großes Problem, mit dem er alleine und mit dem auch seine Bezugspersonen nicht klarkommen, richtig? Gibt es bei euch einen schulpsychologischen Dienst? Hier in unserer Ecke gibt es auch eine Gruppe für Trennungskinder. Ich glaube, in so einer Situation würde ich mir professionelle Hilfe und damit auch Unterstützung von außen suchen.


    Was man sonst tun kann... für klare und einsichtige Regeln und auch für Grenzen sorgen. Regeln, "liebevolle Konsequenz" und Rituale geben auf Grund ihrer Verbindlichkeit Halt. Du als mehr oder weniger Außenstehende könntest ihm immer wieder verdeutlichen, dass auch du für ihn da bist, wenn er jemanden braucht. Allerdings solltest du meiner Meinung dann auch aufpassen, dass er dich nicht gegebenenfalls ausspielt.


    Mein Sohn hatte auf Grund seiner Wutanfälle direkt nach der Trennung einen Boxsack, an dem er seine Wut und den ganzen Druck auslassen konnte.

  • wie bereits beschrieben wurde, benötigen die Kinder ganz viel Struktur...
    Sie brauchen aber auch Wissen...altersgerecht verpackt.
    Oft verstehen die Kinder nicht, welchen Streit die Eltern da austragen, weil es ihnen niemand so erklärt, dass sie es verstehen. Da sie es nicht verstehen, suchen sie die Schuld an sich selber. Ein Beispiel... meine Ex ist an Krebs erkrankt. Keiner konnte und wollte den Kindern es altersgerecht erklären, weil man die Kids vermeintlich schonen wollte. Einer der Lieblingssprüche meiner Ex, wenn die Kinder nicht so funktionierten, wie sie wollte, war: Kinder, ihr macht mich krank.... also hat die Große assoziiert: Mama ist krank, weil ich mein Zimmer nicht aufgeräumt habe.... also hat sie versucht, aus ihrem Kinderzimmer eine sterile Puppenstube zu machen.
    Da die Erwachsenen sich gerade selber im freien Fall befinden, können sie kaum selber Halt geben. So werden Versprechen gegeben, die nicht eingehalten werden können. Das wiederum verletzt die Kinder... sie fühlen sich ungeliebt und abgeschoben. Verlustangst ist das große Thema...Bei Angst reagiert die menschliche Seele entweder mit Flucht oder Aggression.
    Oft versuchen wir, die Kinder während ihrer Aggressionen zu kaufen, weil wir selbst hilflos sind. Deshalb rasten Kinder sehr gerne im Supermarkt aus. Und schon sind wir dressierte Eltern: Kind schreit, wird belohnt mit Schokolade.... den Rest kann man sich denken.


    Was kann man tun? Die Eltern müssen ihren Streit auf Erwachsenenebene lösen. Die Kinder sollten nicht gekauft, aufgehetzt oder ausgehorcht werden. Eltern sollten es unterlassen, den Ex-Partner vor den Kindern zu bewerten oder gar seine neue Beziehung. Es ist schwer, wenn man verletzt ist und soll dann auch noch möglichst neutral gegenüber den Kindern, der Next und dem Ex sein...
    Aber da müssen die Eltern durch....denn sie sind verdammt noch mal die Erwachsenen... da ist es völlig Banane, ob die Beziehung wegen 5cm feuchter Hautspalte auseinander gegangen ist oder man sich einfach nichts mehr zu sagen hat...
    Du kannst den Eltern nur raten, sich einen Mediator zu suchen, wo jeder seine Belange, Wünsche und Kritik vortragen kann und der Mediator versucht, das auf sachlicher Ebene zu halten. Zu zweit kochen da eher die Emotionen hoch und sind deshalb eher kontraproduktiv...
    Die Kinder brauchen verständlichen Input, viel Liebe und Rituale, an denen sie sich festhalten können...aber auch Raum für ihre Wut und das Signal, dass es ok ist, wenn man seine Eltern kritisiert...
    denn durch ihre Wut äußern sie, dass sie es Scheiße finden, was die Eltern da abziehen...sie trauen sich aber nicht, es in Worte zu fassen...denn die Eltern werden immer geliebt, egal was die Eltern mit den Kindern anstellen...

  • Also vorab,


    Wenn es sich um diese Kleinigkeiten handelt,
    Kind äussert "ich habe Hunger " auf dem Heimweg, Vater sagt ja gleich zuhause kriegst du was.Fußweg ca 5min
    Kind reagiert hierrauf augenblicklich mit Lautem weinen und rufen nach Mama.
    Das habe ich oft beobachtet.


    Auch Zuhause und in Läden ist das die antwort auf verneinung.


    Ich halte meinem Bekannten zugute das er sich sehr viel mühe gibt ruhig darauf zu reagieren,
    allerdings reizt der Junge Mann mit seinem Verhalten teilweise wirklich bis zur Äussersten Schmerz Grenze.


    Problematisch ist halt einfach, das er erstmal zu Mama will, dann zur Oma und letzlich einfach nur dem Vater unmengen vorwürfe macht,
    "Du liebst mich nicht, du willst mich garnicht und und und"


    Wie soll man das auffangen und wiederlegen?


    Es stimmt alles nicht.Er liebt seine Söhne sehr und macht sich viele gedanken wie er ihm helfen kann.
    Therapeutische Hilfe ist auch angedacht

    Am Ende wird alles gut, ist es nicht Gut! Dann ist es auch nicht am Ende

  • Kinder testen ihre Grenzen. Alle Kinder tun das. Ein Kind was einen Elternteil 'verloren' hat vielleicht noch mehr als andere.
    Sie hauen so fest gegen die Grenzen weil sie absolute Gewissheit brauchen das diese halten.


    Der Junge gibt sich vermutlich die Schuld für die Trennung.. das tun viele Kinder. Er denkt vielleicht 'Mama ist weg weil ich böse war und Papa geht auch wenn ich böse bin' er testet und testet.. Sicherheit ist das was er sucht. Das ist ganz elementar wichtig für Kinder.


    Ich denke am besten hilft man indem man sich verlässlich verhält. Konsequent. Das Kind muss sich auf die Aussage von Erwachsenen verlassen können.
    Ob es eine angekündigte 'Strafe' ist oder eine Belohnung. Das muss alles eingehalten werden. Wenn das Kind weiß das seine Bezugspersonen 'Die Wahrheit' sagen, dann kann es sich auch darauf verlassen das Worte wie „Ich bin immer für dich da“ und „Du bist nicht Schuld“ oder „Ich liebe dich“ wahr sind.


    Was andere Leute bei den Wutanfällen denken wäre mir übrigens ganz egal. In solchen Momenten sehe ich eigentlich nur mein Kind.


    Ansonsten kann ich Erziehungsberatung anraten. Die beraten auch bei Trennungen. Wäre natürlich toll wenn die Mutter das wahrnehmen wurde. Ansonsten wäre auch gut wenn der Vater und die sich Next zusammen dafür entschliessen würden. Die Next ist schliesslich auch involviert und braucht auch irgendeinen Ansatzpunkt für sich.


    Mutter und Next zusammen aber vielleicht lieber nicht ;)

  • Es liest sich jetzt vielleicht etwas "gemein", aber versucht der Kleine aus einem Gefühl der Orientierungs-, Hilf- und Machtlosigkeit vielleicht Macht auszuüben, um genau diese Gefühle zu kompensieren?


    Wie geht der Vater damit um (z.B. in der konkreten von dir beschriebenen Situation auf dem Heimweg)? Was löst das Verhalten des Sohnes bei ihm (=dem Vater) aus?


    Ich meine das nicht böse!

  • Es liest sich jetzt vielleicht etwas "gemein", aber versucht der Kleine aus einem Gefühl der Orientierungs-, Hilf- und Machtlosigkeit vielleicht Macht auszuüben, um genau diese Gefühle zu kompensieren?


    Wie geht der Vater damit um (z.B. in der konkreten von dir beschriebenen Situation auf dem Heimweg)? Was löst das Verhalten des Sohnes bei ihm (=dem Vater) aus?


    Ich meine das nicht böse!

    Also mein Bekannter reagiert erstmal so:
    Kind (8) : Ich hab Hunger ich will was vom Bäcker (auf der anderen Seite ist einer)
    Vater: Nein du bekommst gleich was zu hause.
    Kind: Weint und schimpft
    Vater: Ignorriert
    Kind: bleibt stehen, ich geh nich mehr mit dir mit
    Vater: Du kommst jetzt, geht weiter
    Kind kommt nach
    Kind: Du liebst mich garnicht, Mama(lauthals)
    Vater: Mama ist grade nicht hier,
    Kind: Ich zieh zu Mama du willst mich eh nicht


    so geht das weiter bis beide zu hause sind, hier geht der Kleine dann von sich aus ins Zimmer und Tobt sich aus.
    Der Vater reagiert hierrauf eher hilflos und auch wütend er versteht es zwar auch, aber wenn man das immer und immer wieder
    mitmacht.


    Es ist wirklich mega schwer da richtig drauf einzugehen
    Ich hab einige Male das gespräch mit dem kleinen gesucht
    Aber ausser das er ebenfalls die Next beschuldigt, seine Mama vermisst
    Sagt er nicht viel.


    Ich will ihm jetzt erstmal einen stressball besorgen.


    Die Erziehungsberatung ist auch ein guter Tipp danke dafür.


    Zur Mutter, sie liebt ihre Jungs denke ich auch. Allerdings betreibt sie massiven Psychoterror über deren Rücken mit dem Vater.
    Leider ist es so das sie wirklich noch emotional sehr gefangen ist, es ist kaum rankommen an sie.

    Am Ende wird alles gut, ist es nicht Gut! Dann ist es auch nicht am Ende

  • Es gibt ja mitlerweile relativ viele Gesprächskreise für "Scheidungskinder" wo Kinder untereinander, mit einer in diese Richtung ausgebildeten Person, über ihre Sorgen und Probleme sprechen können (beim Jugendamt, Diakonie, AWO etc zu erfragen). Vieleicht wäre das was für die Kids?


    Euer Fall speziell, klingt für mich (bin ja selbst kein Therapeut, nur Mutter) aber eher danach, dass er seinen Dickkopf durchsetzen will und dazu die Schwachstelle beim Papa nutzt, die er kennt.
    Die ganze Situation ist natürlich schwer für ihn und wird es wohl noch sehr lange bleiben. Da sind "außenstehende" Gesprächspartner oft Hilfreich. Die "kleinen" Wutanfälle sehen aber, aus meiner Sicht, wirklich einfach wie normale Trotzanfälle aus.

  • Ich verstehe überhaupt nicht, dass man als Mutter geht und seine Kinder kaum besucht... Ein Kind braucht bedingungslose Liebe durch einen männlichen Part (meist den Papa) und durch einen weiblichen Part (meist die Mama). Man kann sein Kind doch nicht so einfach verlassen. Klar, dass er sich verlassen und verloren fühlt.


    Da Du die Mutter nicht zwingen kannst, das Richtige für ihr Kind zu tun, kannst Du wirklich nur versuchen, dem Vater klar zu machen, dass er zur Zeit mit viel Liebe und Geborgenheit mit seinem Kind handeln sollte. Kann er nicht Urlaub nehmen? Sich etwas Zeit nur mit dem Kind nehmen? Um es aufzufangen? Natürlich sollte Dein Bekannter aber nicht alles durchlassen. Es ist nicht einfach. Schimpfen darf er und sollte er auch, denn Kinder spüren dadurch Sicherheit. Jemand kümmert sich um mich. Vielleicht hilft schon mal aber ein "Ich habe Dich lieb, auch wenn ich gerade mit Dir geschimpft habe" im nachhinein ab und zu mal...



    Darüber hinaus wäre aber ratsam, dass der Junge eine Therapie macht. Je nach Alter gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine Kunsttherapie, z. B. Auf jeden Fall sollte ein Therapeut mit ins Boot geholt werden.


    Ich bin selber Scheidungskind. Meine Mutter hat mich damals als ich 6 war von einem Tag zum Anderen von unserem gemeinsamen Zuhause rausgerissen. Sie hat von einem Tag zum Anderen meinen Vater verlassen und mich mitgenommen, in eine andere Stadt, in ein anderes Haus, direkt mit einem anderen Mann an ihrer Seite, mit einem fremden Mann für mich. Und ich kann Dir sagen, das hat Spuren hinterlassen bis zum jetztigen Erwachsenenalter. Ich habe Panikängste usw. Vielleicht hätte eine damalige Therapie mir geholfen.




    Kinder brauchen das Gefühl, geliebt zu werden.




    Viel Glück!