18 Monate Witwe

  • Die ersten Wochen:


    Es war an einem schönen Frühsommermorgen, ich musste nicht arbeiten. Ich hatte gerade die Kinder in die Kita bzw. Schule gebracht und war auf dem Rückweg noch bei Aldi einkaufen. Als ich nach Hause kam stand ein Polizeiauto vor meiner Haustür. Es erwarteten mich zwei Polizeibeamte und der Gemeindepfarrer.


    Die nächsten Stunde und Tage erlebte ich wie ein Film, als würde ich mein eigenes Leben von außen sehen ohne aktiv daran beteiligt zu sein. Mein Mann war Tod. Ein Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit. Ein PKW aus dem Gegenverkehr hatte ausgeschert um einen LKW zu überholen und dabei meinen Mann übersehen, es kam zum Frontalcrash.


    Die ersten Tage waren sehr geschäftig. Eine Beerdigung musste organisiert werden, Verwandte aus dem ganzen Land reisten an, Kollegen und Freunde kamen zum trösten.
    Alle waren sie sehr hilfsbereit. Eine Freundin von mir ist Erzieherin und anerkannte Pflegemutter,sie hat die "Erstbetreuung" meiner beiden Jungs übernommen. Diese kompetente Hilfe hat glaube ich vieles im späteren Verlauf abgemildert. Sie war nicht hilflos der Situation gegenüber sondern konnte die Hilflosigkeit der Kinder auffangen und ihnen Antworten geben wo ich noch keine hatte. Sie hat dafür gesorgt dass ich obwohl ich jeden Halt verloren hatte für meine Kinder wie der Fels in der Brandung wirkte.


    Der große Bruch kam erst als die Beerdigung vorbei war. Das Haus wurde leer. Die Verwandten waren abgereist und die meisten Freunde und Kollegen kehrten zurück an ihre Arbeit.
    Die Kinder gingen zumindest Stundenweise wieder in den Kindergarten bzw. Schule. Sie sollten in all dem Chaos Normalität erfahren. So richtig allein war ich nicht denn meine Mutter war bei mir eingezogen. Ich hatte Anwaltstermine und telefonierte täglich mit Ämtern, Banken und Versicherungen.


    Ich bekam plötzlich Panik wie es weiter gehen sollte. Ich arbeitete zu dieser Zeit nur 50% und verdiente gerade einmal 1400 Euro Netto. Es war noch ein Kredit für den Umbau des Hauses offen, immerhin noch 75.000 Euro. Klar war der über eine Lebensversicherung abgesichert aber man kennt das ja mit den Versicherungen. Wenn man sie braucht reden sie sich raus.


    Dazu kamen dann noch die Kinder die langsam realisierten dass ihr Vater nicht mehr zurück kommen würde. Der große fing an wieder ins Bett zu machen und wurde aggressiv. Der kleine hörte auf zu essen.
    Meine Bekannte die Erzieherin stellte einen Kontakt zur Kinder und Jugendpsychiatrie her. Meine Kinder gingen nun zwei Mal die Woche dorthin zur Einzeltherapie danach noch zu einer therapeutischen Spielgruppe. Es half, langsam aber es half.
    Ich hatte Glück. Meine private Krankenversicherung/Beihilfe hat die Kosten ohne übernommen. Überhaut war die KV und die Beihilfe mir eine sehr große Hilfe. Auch später bei der Bewilligung der Mutter Kind Kur.


    Ich war immer noch nicht bei mir, immer noch hatte ich das von außen auf mein Leben zu schauen, noch immer hatte ich das Gefühl die Kontrolle über mein Leben verloren zu haben.
    Immerhin gab es auch einen finanziellen Lichtblick. Die Versicherung des Unfallfahrers hat den materiellen Schaden also den Totalschaden am Auto meines Mannes anerkannt und beglichen. Immerhin 15.000 Euro.
    Ich hatte dadurch finanziell erstmal Luft. Ich konnte die kurzfristig gestundeten Kreditraten wieder bedienen und unseren Lebensunterhalt sicher stellen. Wir würden unser Haus nicht verlieren. Ein schwacher Lichtblick.


    Sechs Wochen nach dem Tod meines Mannes hatte ich ein Gespräch mit meinem Arbeitgeber. Ich war im öffentlichen Dienst beschäftigt und pendelte jeden Montag und Dienstag sowie jeden zweiten Mittwoch fast eine Stunde nach Freiburg zur Arbeit. Mein Arbeitgeber war sehr hilfsbereit. Eine Aufstockung auf 75% kein Thema. Einen Hortplatz für meine Kinder, selbstverständlich. einen Arbeitsplatz näher zu meinem Wohnort nur eine Frage von Wochen. Ich wurde als Härtefall eingestuft und alles ging seiner Wege. Nur wenige Tage später hatte ich ein schreiben einer Nachbargemeinde in den Händen. Dort wäre eine 75% Stelle im gehobenen Dienst frei und ich solle doch mal zum kennenlernen vorbei kommen.


    10 Wochen nach dem Tod meines Mannes begann ich einen Arbeitsversuch. Erstmal zwei Stunden am Tag. Das leben musste weiter gehen besonders für meine Kinder. Die zwei Stunden verlangten mir alles ab. Zum Glück war meine Mutter da und half mir mit dem Haushalt. Heute weiß ich nicht mehr wie ich diese Zeit überstehen konnte.


    Die ersten drei Monate waren rum und eigentlich sind sie die schwersten zu beschreiben denn es liegt viel im Nebel oder ist einfach an mir vorbei gegangen. Vieles ist bei mir gar nicht im Bewusstsein angekommen.

  • Hallo Greenwidow,


    ich weiß nicht, möchtest du Antworten / Rückmeldungen? Ich möchte mich einfach bei dir bedanken :blume , dass du deine Geschichte aufschreibst. Ich könnte mir vorstellen, dass das alles andere als einfach ist und vielleicht auch das eine oder andere wieder aufwühlt?!


    Das, was du erlebt hast, ist etwas, woran man am liebsten noch nicht mal denken mag... und was doch passieren kann. Ich würde gerne wissen, wie es weiter ging?


    Nochmals danke und liebe Grüße,


    Maumau

  • Danke für die ersten Rückmeldungn hier im Forum und per PN. Ich werde die kommende Zeit weiter schreiben sowie ich Zeit und Muße habe. Das zu schreiben geht nicht mal eben nebenbei. Es dauert etwas bis sich die einzelnen Kapitel in meinem Kopf zusammenfügen. Ich möchte anderen damit Mut machen.