Beiträge von greenwidow

    Danke für die ersten Rückmeldungn hier im Forum und per PN. Ich werde die kommende Zeit weiter schreiben sowie ich Zeit und Muße habe. Das zu schreiben geht nicht mal eben nebenbei. Es dauert etwas bis sich die einzelnen Kapitel in meinem Kopf zusammenfügen. Ich möchte anderen damit Mut machen.

    Die ersten Wochen:


    Es war an einem schönen Frühsommermorgen, ich musste nicht arbeiten. Ich hatte gerade die Kinder in die Kita bzw. Schule gebracht und war auf dem Rückweg noch bei Aldi einkaufen. Als ich nach Hause kam stand ein Polizeiauto vor meiner Haustür. Es erwarteten mich zwei Polizeibeamte und der Gemeindepfarrer.


    Die nächsten Stunde und Tage erlebte ich wie ein Film, als würde ich mein eigenes Leben von außen sehen ohne aktiv daran beteiligt zu sein. Mein Mann war Tod. Ein Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit. Ein PKW aus dem Gegenverkehr hatte ausgeschert um einen LKW zu überholen und dabei meinen Mann übersehen, es kam zum Frontalcrash.


    Die ersten Tage waren sehr geschäftig. Eine Beerdigung musste organisiert werden, Verwandte aus dem ganzen Land reisten an, Kollegen und Freunde kamen zum trösten.
    Alle waren sie sehr hilfsbereit. Eine Freundin von mir ist Erzieherin und anerkannte Pflegemutter,sie hat die "Erstbetreuung" meiner beiden Jungs übernommen. Diese kompetente Hilfe hat glaube ich vieles im späteren Verlauf abgemildert. Sie war nicht hilflos der Situation gegenüber sondern konnte die Hilflosigkeit der Kinder auffangen und ihnen Antworten geben wo ich noch keine hatte. Sie hat dafür gesorgt dass ich obwohl ich jeden Halt verloren hatte für meine Kinder wie der Fels in der Brandung wirkte.


    Der große Bruch kam erst als die Beerdigung vorbei war. Das Haus wurde leer. Die Verwandten waren abgereist und die meisten Freunde und Kollegen kehrten zurück an ihre Arbeit.
    Die Kinder gingen zumindest Stundenweise wieder in den Kindergarten bzw. Schule. Sie sollten in all dem Chaos Normalität erfahren. So richtig allein war ich nicht denn meine Mutter war bei mir eingezogen. Ich hatte Anwaltstermine und telefonierte täglich mit Ämtern, Banken und Versicherungen.


    Ich bekam plötzlich Panik wie es weiter gehen sollte. Ich arbeitete zu dieser Zeit nur 50% und verdiente gerade einmal 1400 Euro Netto. Es war noch ein Kredit für den Umbau des Hauses offen, immerhin noch 75.000 Euro. Klar war der über eine Lebensversicherung abgesichert aber man kennt das ja mit den Versicherungen. Wenn man sie braucht reden sie sich raus.


    Dazu kamen dann noch die Kinder die langsam realisierten dass ihr Vater nicht mehr zurück kommen würde. Der große fing an wieder ins Bett zu machen und wurde aggressiv. Der kleine hörte auf zu essen.
    Meine Bekannte die Erzieherin stellte einen Kontakt zur Kinder und Jugendpsychiatrie her. Meine Kinder gingen nun zwei Mal die Woche dorthin zur Einzeltherapie danach noch zu einer therapeutischen Spielgruppe. Es half, langsam aber es half.
    Ich hatte Glück. Meine private Krankenversicherung/Beihilfe hat die Kosten ohne übernommen. Überhaut war die KV und die Beihilfe mir eine sehr große Hilfe. Auch später bei der Bewilligung der Mutter Kind Kur.


    Ich war immer noch nicht bei mir, immer noch hatte ich das von außen auf mein Leben zu schauen, noch immer hatte ich das Gefühl die Kontrolle über mein Leben verloren zu haben.
    Immerhin gab es auch einen finanziellen Lichtblick. Die Versicherung des Unfallfahrers hat den materiellen Schaden also den Totalschaden am Auto meines Mannes anerkannt und beglichen. Immerhin 15.000 Euro.
    Ich hatte dadurch finanziell erstmal Luft. Ich konnte die kurzfristig gestundeten Kreditraten wieder bedienen und unseren Lebensunterhalt sicher stellen. Wir würden unser Haus nicht verlieren. Ein schwacher Lichtblick.


    Sechs Wochen nach dem Tod meines Mannes hatte ich ein Gespräch mit meinem Arbeitgeber. Ich war im öffentlichen Dienst beschäftigt und pendelte jeden Montag und Dienstag sowie jeden zweiten Mittwoch fast eine Stunde nach Freiburg zur Arbeit. Mein Arbeitgeber war sehr hilfsbereit. Eine Aufstockung auf 75% kein Thema. Einen Hortplatz für meine Kinder, selbstverständlich. einen Arbeitsplatz näher zu meinem Wohnort nur eine Frage von Wochen. Ich wurde als Härtefall eingestuft und alles ging seiner Wege. Nur wenige Tage später hatte ich ein schreiben einer Nachbargemeinde in den Händen. Dort wäre eine 75% Stelle im gehobenen Dienst frei und ich solle doch mal zum kennenlernen vorbei kommen.


    10 Wochen nach dem Tod meines Mannes begann ich einen Arbeitsversuch. Erstmal zwei Stunden am Tag. Das leben musste weiter gehen besonders für meine Kinder. Die zwei Stunden verlangten mir alles ab. Zum Glück war meine Mutter da und half mir mit dem Haushalt. Heute weiß ich nicht mehr wie ich diese Zeit überstehen konnte.


    Die ersten drei Monate waren rum und eigentlich sind sie die schwersten zu beschreiben denn es liegt viel im Nebel oder ist einfach an mir vorbei gegangen. Vieles ist bei mir gar nicht im Bewusstsein angekommen.

    Wenn ich ihn frage, wie denn das Wochenende bei der Mama war (einfach, um Anteil zu nehmen), bekomme ich nur noch stereotype Antworten oder gar keine mehr. Auch unser Familienhelfer hat schon seit mehreren Monaten die Erfahrung gemacht, dass kaum Antworten kommen ... kann der Sohn wirklich nur dann glücklich sein, wenn er wieder von seiner Mama vereinnahmt wird? Ich fühle mich gerade etwas ratlos.

    Erwartest du da nicht etwas viel von deinem fünjährigen Sohn? Ein Kind in diesem Alter kann doch noch gar nicht emotional so differenziert sein wie du es erwartest selbst wenn es nicht in einem Loyalitätskonflikt steckt. Dazu kommt noch die mangelnde sprachliche Ausdrucksfähigkeit in dem Alter.
    Selbst fünfjährige in nichtproblematischen Familienverhältnissen fangen in für sie schwierigen Situationen manchmal an zu weinen weil sie einfach nicht in der Lage sind ihre Gefühle in Worte zu fassen.
    Vermittelst du einen wertneutralen Eindruck wenn du ihn nach der Zeit mit seiner Mutter fragst? Kinder reagieren sehr sensibel auf Stimmlage und fühlen negative Schwinungen. Dein Sohn spürt vielleicht unterbewußt dass du seinen Besuchen bei der Mutter nicht positiv gesinnt bist und möchte dich nicht verletzen oder dich nicht verärgern wenn er positiv von seinen Gefühlen spricht.


    Sätze wie Mama weiß es besser denn ie hat mich geboren würde ich nicht auf die Goldwage legen. Kinder sagen sowas. Meine Kinder haben mir in dem Alter gesagt dass ich keine Reifen wechseln könne weil ich ein Mädchen sei oder sie haben gesagt dass Oma alles Besser wisse weil sie ja die älteste im Haus sei.


    Kinder in dem Alter teilen ihre Bindung zu den Eltern oft nonverbal mit. Sie malen Bilder, schenken dir selbstgebasteltes oder kommen zum kuscheln. Wenn du darauf eingehst kannst du die Bindung zu deinem Sohn gar nicht verlieren.


    Wenn du was für die Bindung zu deinem Sohn tun willst dann geht das in kleinen Dosen. Nimm ihn spontan in den Arm und sag ihm wie Lieb du ihn hast. Mach ein Bild von euch beiden und rahme es. Hänge es in das Zimmer deines Sohnes. Erkenne wenn dein Sohn dich braucht. Wenn er mit seinem Spielzeug ein Problem hat oder eine Mauer nicht hochklettern kann. Dann bist du da hilfst ihm, ermunterst ihn und bist sein Held.


    Auch wenn dein Sohn dir nicht 1 zu 1 eine Rückmeldung gibt hab Geduld. Wie sagte mein Klavierlehrer früher immer, Müßig nährt sich das Eichhörnchen.

    Hallo,
    ich bin die Julia, 33 Jahre alt aus der nähe von Freiburg und habe zwei (meist) entzückende Jungs im alter von sieben und neun Jahren. Vor 18 Jahren hat das Schicksal mir den Mann und meinen Jungs den Vater genommen. Seit dem ist viel passiert.
    Ich freue mich über einen regen Austausch über unseren nicht immer einfachen Alltag als alleinerziehende aber auch über die vielen tollen Momente des Lebens.