vielleicht liegt das auch daran (die Nicht-Beteiligung, meine ich), dass man sich nicht fachkündig genug fühlt, an der Diskussion teil zu nehmen. Nichts falsches sagen wollen, nicht angegriffen werden wollen, keinen auf die Füße treten wollen ...
für meinen Teil habe ich mehrfach mit Kindern mit Ad(h)s zu tun gehabt (als Pädagogin und Therapeutin ...)
Dem Vorteil, die Eltern schieben die Krankheit vor weil sie mit der Erziehung nicht klarkommen, bin ich, zum Glück, nie begegnet.
Eins zu eins - Therapiesituation - ist günstig. Kleingruppen auch. Da kann ich individuell auf das Kind eingehen. Die Situation gestalten, dass es angesprochen fühlt und nicht überfordert wird
In einer großen Klasse (ab 15 Kindern ist in dem Falle groß) ist es schwierig. Die Konzentrationsfähigkeit bei Kindern ohne AD(H)S ist nicht immer super ausgeprägt. Wenn einer oder zwei (unverschuldet) dazu absolut nicht in der Lage sind und die anderen anquaseln, durch den Raum rennen, sich auf den Boden schmeißen, ja, auch "übersensibel" (das Wort mag ich nicht - sensibel sein ist für mich eigentlich eine positive Eigenschaft) reagieren, bringt es den anderen "raus", für den Lehrer ist es schon anstrengend. Da brauche ich eine starke Hand aber auch viel Feingefühl und Flexibilität.
Ich habe sehr unterschiedliche Reaktionen der Kinder und das Personal (Erzieher, Lehrer) erlebt:
Genervt-sein, Kind muss in die Ecke sitzen oder wird auch sonst bestraft oder angemacht. Dies wurde mir öfters erzählt, schrecklich, was soll das bringen und was hat es gebracht? GARNICHTS, außer, dass Kind sich zunehmend schlechter fühlt und sich schlechter benimmt, wird ausgegrenzt, entwickelt noch mehr Probleme.
Aber auch ... Akzeptanz der Situation. Allen Kindern wurden erklärt (kindgerecht), was los sei. Der Junge in dem Fall worüber ich gerade nachdenke durfte aufstehen wann er wollte, sich hinter den Vorhängen verstecken (ja, die gabs - war eine Privatschule), auf dem Boden herumkrabbeln, es wurden unterschiedliche Angebote gemacht, die Kinder mussten nicht alle auf dem gleichen Niveau sein, die gleichen Aufgaben erfüllen, die gleichen Arbeitsblätter abgeben ... Der Junge hatte seine "Phasen" (so wurde das dort genannt) und gut wars. Und guck mal an, die wurden nach und nach, seeehr langsam aber sicher, weniger. Er hatte Freunde, wurde in der Klasse akzeptiert, lernen tat er auch
Es ist schon ein schwieriges Feld, m.E. hauptsächlich weil es oft nicht geglaubt wird, dass es eine Krankheit ist und nicht eine Ausrede, leider. Siehe auch früher Anorexia Nervosa (wurde in den 80er Jahren auch mehrfach als Modekrankheit "abgetan"), Borderline-Erkrankungen, PTBS (Post-traumatische Belastungs Störung), und viele andere.
Ja, die Gesellschaft befindet sich im "Krabbelstadion"... Trotzdem sind solche Diskussionen richtig. Wenn nicht darüber gesprochen wird, wird sich nichts ändern.