Hallo zusammen,
ich möchte hier gerne ein paar Probleme Schildern, die ich schon seit einiger Zeit mit mir herumtrage. Mich würden einfach eure Gedanken dazu interessieren, denn ich drehe mich hier nur im Kreis. Vielleicht würden mir ein paar andere Blickwinkel guttun.
Ich fühle mich extrem unwohl mit der Schule meiner Tochter (meine Tochter gottseidank nicht, die geht - noch - gerne hin). Ich habe ein massives Problem damit, wie einige Dinge gehandhabt werden. Nun bin ich ja eine frischgebackene Erstkllässlerinnenmama, habe also bis jetzt nur Erfahrungen mit dem Kindergarten, mit dem ich sehr eng zusammen gearbeitet habe. Wenn dort (selten einmal) Probleme auftraten, wurden diese zeitnah - oft am selben Tag - angesprochen, so dass ich gut reagieren konnte. Ein kurzes Feedback gab es eigentlich immer. Ich bin nicht mit der Erwartungshaltung an die Schule rangegangen, dass das dort so weiterlaufen kann. Immerhin ist nur noch ein Lehrer für mehr Kinder zuständig, und die Kleinen sollen natürlich auch selbständiger werden. Auch, dass die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Eltern und Lehrern nur während bestimmter Sprechzeiten stattfinden kann, ist mir klar. Also bin ich mit der Einstellung an die Schule herangegangen, dass ich immer gesprächsbereit bin, falls Probleme anstehen, und mich ansonsten nicht einmische.
Gleichzeitig wollte ich mich aber für die Schule engagieren. Ich habe mich zum Klassenelternsprecher wählen lassen, bin im Elternbeirat und stehe der Klasse jede Woche für zwei Stunden als Lesepatin zur Verfügung (wobei ich diese Zeit bewusst, auch nach Schulschluss, nicht dazu nutze, die Klassenlehrerin auf meine Tochter anzusprechen. Da bin ich wirklich, ganz neutral, nur als Lesepatin).
Soweit die Rahmenbedingungen. Nun zu den Problemen, die ich habe.
Zum Einen fällt mir während meiner Zeit als Lesepatin auf, dass es in der Klasse zugeht wie bei den Hottentotten. Die Kinder gehen buchstäblich über Tisch und Bänke, reden und essen völlig ungeniert, rennen aufs Klo, wenn es ihnen gerade einfällt. In den Pausen wird getreten, gekratzt, geschlagen, gebissen und geschubst. Und die Lehrerin steht diesem Treiben, in meinen Augen, ziemlich hilflos gegenüber.
Nun ist die Klassenlehrerin seit zwei Wochen krank und die Kinder haben diverse Vertretungslehrerinnen. Eine von denen hat den Kindern eiskalt um die Ohren geknallt: "Ihr seid die schlimmste Klasse in der ganzen Schule. Und du, Junge xyz, bist der allerschlimmste!"Das kann doch kein Lehrer zu einer ersten Klasse, bzw.direkt zu einem Erstklässler sagen! Ich meine, die kommen aus dem Kindergarten und wissen doch noch garnicht, wie Schule überhaupt funktioniert. Klar sind da auch die Eltern gefragt, dass sie ihre Kinder darauf vorbereiten, dass es in der Schule anders läuft. Dass es in der Schule andere Regeln gibt. Aber es kann doch nicht die Erwartungshaltung herrschen, dass die Kinder mit einem Schnipsen von Kindergartenkind auf Schulkind werden. Die müssen das doch erst lernen. Und da sehe ich auch die Lehrerin in der Pflicht, dass die sich in der Klasse Respekt verschaffen kann und den Kindern das vermittelt. Und zu einem gewissen Grad scheint es tatsächlich an der Lehrerin zu liegen, denn bei den Vertretungslehrerinnen ist die Klasse viel ruhiger und disziplinierter.
Dann ist es so, dass meine Tochter seit der Kloaktion (die ich in einem anderen Thread beschrieben habe), wie auch einige andere Kinder, ein Heft hat, in das die Lehrerin jeden Tag eine Sonne (gutes Betragen) mit kleinem Wölkchen (eine Kleinigkeit war nicht ganz so gut), mit großem Wölkchen (naja, geht so), nur eine Wolke (das könnte besser sein) bis hin zu einer regnenden Wolke (völlige Katastrophe) malt. Meistens hat meine Tochter eine Sonne, manchmal mit kleinem Wölkchen, selten mit einem großen Wölkchen. Wenn ich frage, wofür die Wolken stehen, kommt zu 90% entweder die Aussage:
"Weil ich geweint habe." - "Warum hast du denn geweint?" - "Weil xy mich getreten/geschlagen/gebissen hat." Also bekommt meine Tochter eine "schlechte Bewertung", weil sie das Opfer körperlicher Gewalt war? Kann das denn richtig sein?
Oder es gab eine Rüge, weil sie unkonzentriert war. Ganz ehrlich, bei dem Lärmpegel könnte ich mich auch nicht konzentrieren.
Die restlichen 10% sind Sachen, wie nach der Pause zu spät in den Unterricht, schwätzen etc, also wirklich Fehlverhalten ihrerseits, bei dem ich auch mit ihr bespreche, dass es so nicht geht.
Wie gesagt, ich finde diese Sonnengeschichte als Feedback für mich prinzipiell gut, weil ich zeitnah auf unpassendes Verhalten meiner Tochter reagieren kann. Und auch sie ist da mit Feuereifer dabei. Wenn ich sie abhole, wird als Erstes dieses Heft präsentiert. Andererseits habe ich mittlerweile das Gefühl, dass hier nur das Ergebnis (weinendes bzw. unkonzentriertes Kind) bewertet wird, und nicht an der Ursache (körperliche Gewalt, Unruhe im Unterricht) gearbeitet wird. Vielleicht auch, weil ich (im Gegensatz zu anderen Eltern?) eben ansprechbar, um Zusammenarbeit bemüht und damit gut greifbar bin. Der bequemste Weg halt.
Eine weitere Situation, die mich sehr geärgert hat und bis heute beschäftigt, ist Folgende: Ich stand (wieder an einem Tag, an dem ich als Lesepate da war) in der Pause im Flur und habe gewartet, dass die Lehrerin das Klassenzimmer aufsperrt. Zufällig kam die Sportlehrerin vorbei und sieht mich da vor der Tür stehen.
"Sind Sie eine Mutter?"
"Ja?"
"Welches Kind von denen gehört denn zu Ihnen?"
"Die MiniJayCee."
"Können sie mir die mal zeigen? Ich kenne die Kinder noch nicht so gut." (Nach einem halben Jahr??? Wie, bitteschön, hat sie die Kinder denn im Lerngesprächbogen beurteilt, wenn sie den Gesichtern nicht mal Namen zuordnen kann? Aber na gut. Ich also auf meine Tochter gedeutet.)
"Ach, die. Ja, das ist eine ganz wilde. Wirft sich auch gern mal auf den Boden, wenn ihr was nicht passt. Erst wenn ich damit drohe, dass ich Sie anrufe, pariert sie. Vor Ihnen hat sie anscheinend Respekt. Sagen Sie ihr doch mal, dass sie vor mir auch Respekt haben muss."
Sprachs, und verschwand. Prinzipiell bin ich ja der Meinung, dass Respekt bis zu einem gewissen Grad selbst erarbeitet werden muss und nicht angeordnet werden kann. Aber natürlich habe ich mit meiner Tochter gesprochen und ihr vorgeschlagen, dass die Sportlehrerin ja auch in das Sonnenheft malen könnte. Tochter fand das super, nach der nächsten Stunde hat sie ihr also das Heft gegeben. Aber die Lehrerin könne da nichts reinmalen, weil sie nie einen Stift dabei hätte. In meinen Augen ist das eine billige Ausrede, denn immerhin bringt sie die Kinder nach dem Sportunterricht zurück ins Klassenzimmer, und da wimmelt es nur so von Stiften. Ich meine, wie soll ich ihr denn helfen, wenn es ihr schon zu viel ist, mir nach der Stunde ein winziges Feedback zu geben?
Gestern lief sie mir dann wieder auf dem Flur über den Weg. Ich dachte, das sei vielleicht eine gute Gelegenheit, das Thema kurz nochmal anzusprechen.
Ich also: "Grüß Gott, Frau xyz, dürfte ich kurz..."
Sie: "Ach, Frau JayCee, hallo, ich hab grad gar keine Zeit, ich muss die nächsten Kinder zum Unterricht holen. Aber was auch immer Sie zu ihrer Tochter gesagt haben, es hat geholfen."
Und dann stellte sie sich eiskalt zwei Türen weiter hin und hat Löcher in die Luft gestarrt, bis es - fünf Minuten später - zum Ende der Pause geläutet hat und ihre Schüler aufgetaucht sind. Ich meine, entweder sie will Hilfe von mir als Mutter - dann muss sich auch mit mir auseinandersetzen. Oder eben nicht, dann soll sie mich aber auch nicht darauf ansprechen.
Auch meine Arbeit als Klassenenlternsprecher empfinde ich als sehr schwierig. Es gibt ziemlich viele Termine, auch am Vormittag, für die Elternbeteiligung nötig ist (Plätzchenbacken, Lesewelt, Wandertage etc.) Diese Termine werden äußerst kurzfristig mitgeteilt, sodass es fast unmöglich ist, Eltern hierfür zu finden, da einfach viele berufstätig sind. Bitten, diese Termine doch etwas frühzeitiger bekannt zu geben, werden ignoriert. Außerdem werden diesbezüglich von mir verfasste Infoschreiben oft erst Tage später an die Klasse verteilt, sodass alles noch kurzfristiger ist. Whatsapp und Mail sind keine Alternative, weil nicht alle Eltern ihre Daten bekannt gegeben haben. Insgesamt schlägt mir von Seiten der Lehrerin hier ein ziemliches “Wurstigkeitsgefühl” entgegen. Ich finde das extrem frustrierend und werde mich auf jeden Fall nächstes Jahr nicht mehr zur Wahl aufstellen lassen.
Ich meine, vielleicht bin ich auch einfach dadurch verwöhnt, dass wir bis jetzt nie Probleme mit Kinderkrippe, Kiga etc. hatten. Dass mir von dort immer vermittelt wurde, meine Tochter sei ein völlig unkompliziertes, gut erzogenes Kind mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein. Die wenigen Probleme, die es gab, wurden schnell und effizient zu aller Zufriedenheit gelöst. Außerdem ist sie ein Mensch, dem eigentlich die Herzen zufliegen. Bis jetzt gab es niemanden, der sie nicht leiden konnte.
Vielleicht sehe ich es zu dramatisch, aber an dieser Schule habe ich den Eindruck, dass die Persönlichkeit des Kindes eigentlich völlig egal ist. Hauptsache, es funktioniert. Individualität ist unerwünscht. Vielleicht ist das auch der völlig normale Schulalltag und garnicht anders machbar, und ich bin einfach zu blauäugig an das Thema Schule gegangen. Wie auch immer, auf jeden Fall habe ich extreme Bauchschmerzen, wenn ich daran denke, wieviel Schulzeit noch vor uns liegt. Ich befürchte, dass meiner Tochter, wenn es so weitergeht wie bisher, der Spaß am Lernen gründlich ausgetrieben wird, und das wäre echt ein Jammer. Und ich sehe wirklich nichts, was ich dagegen tun kann.
LG, JayCee