4.1 Datenübermittlung an den/die Minderjährige/n
In bestimmte Teile der Akte hat das Kind während der Beistandschaft bereits ein Ein-sichtsrecht nach § 810 BGB. Nach dieser Regelung kann die Person, die ein rechtliches Interesse an Einsicht in eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde hat, von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht ua dann verlangen, wenn die Urkunde in ihrem Interesse er-richtet worden ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft ent-hält, die zwischen ihr und einem anderen stattgefunden haben. Alle Unterlagen, die der Unterhaltsverpflichtete dem Beistand in Erfüllung seiner Auskunftspflicht nach § 1605 Abs. 1 BGB überlässt, sind als Urkunden anzusehen, die „im Interesse des Kindes“ errichtet wurden bzw „Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft“ iSd § 810 BGB dokumentieren, da die Unterlagen regelmäßig der Vorbereitung einer Titelerrichtung über den Unterhalt dienen. Das Kind kann bei der Wahrnehmung seines Einsichtsrechts nach § 810 BGB idR von dem Elternteil vertreten werden, der die Beistandschaft beantragt hat.
Soweit ein Anspruch nach § 810 BGB besteht, existiert kein Ermessensspielraum des Bei-stands; dieser hat vielmehr Akteneinsicht zu gewähren.
Dieses Einsichtsrecht ist nicht auf Angaben über Einkünfte und Vermögen des Unter-haltspflichtigen beschränkt, da auch andere Umstände für die konkrete Unterhaltsbe-stimmung bedeutsam sein können. So kann bspw auch die Weitergabe von Daten aus medizinischen Gutachten über den Gesundheitszustand des Unterhaltspflichtigen in Betracht kommen, wenn diesen Daten im Rahmen der Feststellung möglicher Unter-haltsansprüche Bedeutung zukommt. Kein Recht auf Weitergabe besteht allerdings auf die Teile der Akte, die der Unterhaltsverpflichtete dem Beistand nicht in Erfüllung seiner Auskunftspflicht nach § 1605 Abs. 1 BGB überlassen hat, dh solche Daten, die keinerlei Relevanz für die Ermittlung des Unterhaltsanspruchs aufweisen (bspw eine psychothe-rapeutische Behandlung ohne Einschränkung der Leistungsfähigkeit oder behördenin-terne Vermerke).
Entgegenstehende Interessen des Unterhaltspflichtigen sind iRd § 810 BGB nicht zu prü-fen, da diese auch gegenüber dem Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB nicht geltend gemacht werden können.
4.2 Datenübermittlung an den Elternteil, der die Beistandschaft beantragt hat
Der Elternteil, der eine Beistandschaft beantragt hat, bleibt gleichberechtigter gesetzli-cher Vertreter des Kindes neben dem Beistand und ist zur Verfügung über Beginn und Ende der Beistandschaft befugt. Als gesetzlicher Vertreter seines Kindes kann er das Ak-teneinsichtsrecht des Kindes stellvertretend wahrnehmen. Nach Auffassung des DIJuF hat der Elternteil als gesetzlicher Vertreter des Kindes darüber hinaus ein eigenes recht-liches Interesse iSd § 810 BGB, die im Besitz des Beistands befindlichen Urkunden einzu-sehen, und daher auch ein vom Anspruch des Kindes unabhängiges eigenständiges Akteneinsichtsrecht (Münder ua/Proksch/Hoffmann 2013, § 68 SGB VIII Rn 20).
Unabhängig von einem Anspruch des Elternteils nach § 810 BGB wird dessen Stellung als gesetzlicher Vertreter des Kindes letztlich idR dazu führen, dass das bestehende Er-messen hinsichtlich der Übermittlung von Daten nur dann fehlerfrei ausgeübt wird, wenn der Beistand dem antragstellenden Elternteil in angemessenen Zeitabständen Zwi-schennachrichten gibt und die eigene Tätigkeit mit dem beantragenden Elternteil rück-koppelt (DIJuF-Rechtsgutachten JAmt 2001, 183, 184; JAmt 2001, 346). Nur so ist es dem Elternteil als gesetzlichem Vertreter des Kindes möglich, sich einer sachgerechten Inte-ressenwahrnehmung durch den Beistand zu vergewissern (Oberloskamp/Kunkel 2010, § 19 Rn 16, § 16 Rn 64), sich über den Stand der Unterhaltsbeitreibung zu informieren und ggf die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen zu prüfen. In diesem Sinne ist auch ein Übersenden von Kopien von Schreiben des Beistands an den Unterhalts-pflichtigen an den antragsstellenden Elternteil Praxis vieler Fachkräfte.
4.3 Datenübermittlung an einen Rechtsanwalt
Dem Elternteil, der befugt ist eine Beistandschaft zu beantragen, steht es frei, eine/n Anwalt/Anwältin zu beauftragen, ohne die Beistandschaft zu beenden (TG Aufgaben des Beistandes – Ausgewählte Problemfelder). Ein/e beauftragte/r Rechtsanwalt/-anwältin besitzt kein eigenständiges Akteneinsichts-recht. Sein/ihr Akteneinsichtsrecht leitet sich aus seiner/ihrer Stellung als Bevollmächtig-te/r des Kindes bzw des Elternteils ab, der die Beistandschaft beantragt hat. Hat das Kind bzw der beantragende Elternteil ein Akteneinsichtsrecht, so kann es/er dieses auch durch eine/n von ihm bevollmächtige/n Rechtsanwalt/-anwältin wahrnehmen (DIJuF-Rechtsgutachten JAmt 2001, 183). Dem Verlangen eines/einer bevollmächtigten Rechtsanwalts/-anwältin auf Akteneinsicht in Form von Aktenübersendung ist idR nach-zukommen (s. Frage 12).