Beiträge von Sonne*

    Mein eigener schwarzer Hund ist mir ein guter Kumpel geworden. Er geht zuverlässig "bei Fuß" ... hört wenn er "Platz" machen soll und wenn mal nicht, gehen wir zu unserm "Trainer" ;-)
    Tja und aus dem schwarzen Hund meiner damaligen Frau wurde ein mehr als hässliches Monster....fast hätte es damals meine Frau gänzlich, auch körperlich, sagen wir "gefressen" :kopf :-(


    Wofür ich einen halben Meter Text brauche, das fasst du in 4 Zeilen zusammen - und bringst darin noch 2 Personen unter!
    Danke für diese wunderbare Beschreibung (wenn auch inhaltlich natürlich nicht ganz so erfreulich..) :blume


    Freut mich zu hören, dass deine Frau in guten Händen ist. Dann hoffe ich, dass sich ihr Monster mit der Zeit wieder in einen schwarzen Hund verwandelt, der gut hört und selten zum Trainer muss!


    Wäre schön, wenn ihr die beiden dann irgendwann mal im Tierheim abgeben könntet........

    Hallo Inkamann,
    bewiesen ist leider noch nichts von dem wirklich, man nimmt an, dass es zum großen Teil am Serotonin liegt, aber es können auch andere Botenstoffe involviert sein - oder ganz andere Mechanismen verantwortlich sein, die wir einfach noch nicht entdeckt haben. *
    Die Tatsache, dass zB SSRI helfen, legt natürlich nahe, dass das Serotonin (mit-)verantwortlich ist, aber kein solches Medikament bringt einen ja wieder 100% zurück in die "bunte" Welt (wie Lenchen es so schön formuliert hat).
    Dazu kommt, dass diese Annahme von der Pharmaindustrie verbreitet wurde und wird.
    Es ist angenehm, die Dinge so vereinfacht zu betrachten (nicht du, sondern Pharmazie und Medizin), eine klare Kausalität anzunehmen und für dieses Problem auch gleich die passende Lösung anzubieten.


    Auch mir gefällt diese Sichtweise, sie ist entlastend und erklärend zugleich.
    Nur leider funktioniert es oft nicht so einfach. Sobald man genauer hinsieht, zeigen sich viele Ungereimtheiten, von unzureichender Wirkung bis zu fatalen Nebenwirkungen.
    Daher halte ich eine Psychotherapie grundsätzlich für notwendig, und sei es auch nur um herauszufinden, dass es sich vermutlich doch um ein mehr biologisches Problem handelt als um ein psychisches.
    Obwohl ich annehme, dass zu der biologischen Veranlagung meist auch noch eine typische Persönlichkeitsstruktur hinzukommt, die Depression (oder bipolare Störung) begünstigt.

    Ich ziehe meinen Hut vor dem Mut und der inneren Stärke aller, die über ihre KellerMonster, schwarzen Hunden, mit anderen Menschen sprechen.
    Ob nun öffentlich oder in intimer Runde.

    Weiß gar nicht, ob ich das wirklich als Kompliment annehmen kann, auch wenn es so gemeint ist. Denn ich finde ja, dass es eigentlich keine Frage von Mut sein sollte, darüber zu reden. Man verschweigt ja auch nicht peinlich berührt seinen Bluthochdruck oder seinen Diabetes :hae:
    Trotzdem danke :-)



    ...und da du sogar den schwarzen Hund kennst, vermute ich mal, dass du auch weißt, wovon wir hier reden..?





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    * Ich habe mich die letzten Jahre intensiv mit verschiedenen Aspekten der Hirnforschung beschäftigt, einerseits wegen der Erkrankung meiner Tochter, andererseits weil ich es einfach unglaublich spannend finde. Und dabei zeigt sich immer wieder, dass die Wissenschaft oft nur an der Oberfläche kratzt, viele Zusammenhänge noch gar nicht entdeckt, geschweige denn verstanden hat. Wir irren uns langsam empor.
    Beispiel: Bisher hat man Schizophrenie als psychiatrische Erkrankung angesehen und mit heftigen Neuroleptika behandelt, die mit Glück auch eine Besserung bringen und mit noch mehr Glück nur wenig Nebenwirkungen verursachen - aber niemand ist damit ganz gesund.
    Jetzt hat sich herausgestellt, dass wir diese Erkrankung (und vermutlich viele andere) aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten müssen, denn es wurden Autoantikörper gefunden, die Schizophrenie verursachen (und andere psychische Probleme). Also Immuntherapie statt Neuroleptika! Auch meine Tochter war erst in der Psychiatrie, bevor man festgestellt hat, dass sie eine Gehirnentzündung hat und Autoantikörper, die ihr Gehirn angreifen. Sie hatte einfach Glück, dass man 2 Jahre zuvor diese Antikörper entdeckt hat.
    Das als Erklärung, warum ich bei dem Thema sehr pingelig sein kann :rotwerd
    ...und dir ganz sicher nicht auf den Schlips treten möchte (falls vorhanden :-) )

    Nele,
    es gibt da so viele Abstufungen wie Menschen, würde ich sagen. Man braucht keinen Diagnosestempel, um sich schlecht zu fühlen oder deprimiert fühlen zu "dürfen". Aber es kann befreiend sein, wenn einem endlich mal jemand per (seriöser) Diagnose sagt, warum es einem schlecht geht.
    Suizidgedanken hatte ich auch nie, habe schließlich Kinder, aber ich habe schon mehrere Momente erlebt, wo mir schlagartig klar war, warum Betroffene sich vor einen Zug werfen. Denn die Schwärze kann so unerträglich sein, dass man meint, es nicht noch einen Tag oder noch eine Stunde länger aushalten zu können. Ich habe diese Momente einfach stur ausgesessen, die Zähne fest zusammengebissen und wie gelähmt abgewartet, dass sich der Schraubstock um meine Seele wieder eine Umdrehung öffnet. Beim ersten solchen Moment bin ich in Panik geraten, inzwischen weiß ich, dass sowas passieren kann - und dass es vorüber geht. Aber das Aushalten ist unglaublich anstrengend.


    Mit einem Huckepack-Monster durchs Leben zu gehen - oder sich zu schleppen - klingt auch nicht gerade angenehm.
    Wenn du vermutest, dass es auch an deinen Lebensumständen liegen könnte, dann wäre natürlich die Frage: Was kannst du verändern? Kannst du die Dinge zum Besseren verändern, die dich belasten? Und falls nicht, welche Möglichkeiten hast du, diese Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten? Das kann ungemein hilfreich sein! Du bist ja anscheinend in Behandlung - geht es da auch um solche Fragen?
    Und wenn dein Monster dich auslacht, dann wäre da auch die Frage nach deinem Selbstwertgefühl. Hast du oft Selbstzweifel?
    Immerhin bist du hoffnungsvoll, das ist doch schon mal sehr gut!



    Lenchen,
    deine Fragen lassen sich nicht so einfach beantworten, jeder Mensch ist anders. Ob ein Medikament wirkt, und wenn ja, wie, das ist sehr individuell.
    Die Scheu vor Medikamenten ist teils berechtigt, teils auch nicht, finde ich.
    Wenn man in die USA schaut, wo mit Psychopillen nur so um sich geworfen wird, wo sie beworben werden und völlig kritiklos auch an Jugendliche (und Kinder!) verteilt werden und von den meisten Menschen ebenso kritiklos eingenommen werden - dann gruselt es mich richtig!
    Ohne Frage steht eine sehr mächtige Pharmamafia äh -industrie dahinter, die nur am Profit interessiert ist, und die auch Ärzte mit Vergünstigungen ködert. Ohne Frage haben einige Präparate bei einigen Patienten fatale Nebenwirkungen wie Kontrollverlust, der zu Mord und Selbstmord führen kann.
    Andererseits gibt es Präparate, die sicherer sind als andere (zumindest statistisch), gibt es vernünftige Ärzte, die genau abwägen, aufklären und kontrollieren, gibt es Patienten, die ohne die zeitweilige Medikation kaum die Kurve kriegen.


    Ich habe die erste Depression ohne Medis ausgesessen (hatte noch keine offizielle Diagnose), es hat einige Monate gedauert, bis ich wieder einigermaßen handlungsfähig und alltagstauglich war. Ich konnte mir das erlauben weil ich einen Partner hatte, der das mit mir zusammen durchgestanden hat, weil ich nicht berufstätig war, weil mein Kind noch nicht schulpflichtig war.....
    Beim 2. Mal war ich allein mit krankem Kind, musste handlungsfähig bleiben, musste irgendwie funktionieren. Da habe ich es probiert mit einem SSRI und gute Erfahrungen gemacht, denn ich konnte damit meinen Alltag bewältigen, wenn auch nur auf Sparflamme.
    Nein, die Welt wird nicht wieder bunt damit, sie bleibt erstmal grau, aber sie ist eben auch nicht mehr schwarz.
    Ich sehe diese Medikamente als vorübergehende Gehhilfe, um nicht total abzustürzen oder um wieder auf die Beine zu kommen.
    Von grau nach bunt muss man dann schon selbst wieder hinkriegen, bzw mit Therapie.


    Dies ist aber ausdrücklich nur meine Erfahrung und meine Meinung.

    "Häkeln ist meine Psychotherapie"

    Ha! :D
    Was glaubt ihr, warum ich letzten Herbst wie eine Blöde gehäkelt, gestrickt und genäht habe? So viele Schals, Mützen und Pulswärmer brauche ich gar nicht... :-)
    Womöglich ist das auch schon seit meiner Jugend meine ganz persönliche selbstgestrickte Therapie, denn ich habe schon immer unendlich viel gebastelt und gewerkelt, um mir wenigstens damit Erfolgserlebnisse und ein gutes Gefühl zu verschaffen.
    Und als ich mit kranker Tochter in der Reha war (als ziemliches Wrack), habe ich 4 1/2 Monate kaum was anderes gemacht als meine Basteltherapie in den freien Stunden in meinem Zimmer, ich habe Tochters Station mit Weihnachts-, Faschings- und Frühlingsdeko versorgt.

    Ein ganz wichtiger Punkt für mich ist die bewusste Anerkennung von Freude und Dankbarkeit. Ich bemühe mich, diese Momente zu erkennen und zu benennen, gerne auch demjenigen gegenüber, der sie ausgelöst hat. So gebe ich ihnen für mich viel mehr Gewicht und Bedeutung.

    Ja, da stimme ich dir vollkommen zu. Das habe ich auch gelernt und das hilft mir sehr.
    In meiner Geschichte ist das ja auch ein entscheidender Moment.


    Etwas ist mir noch aufgefallen an deinem Zitat der Therapeutin, die sagte, dass Depression nicht heilbar ist.
    Diese Formulierung wäre für mich nicht hilfreich, denn dann gibt es ja nie Licht am Ende des Tunnels.
    Ich würde es lieber so formulieren: Die Veranlagung zur Depression ist nicht heilbar, die akute Erkrankung aber durchaus.


    Wie schön, dass du mit deinen Monstern in relativ harmonischer WG leben kannst!

    CoCo, noch bevor ich jetzt die anderen Beiträge lese, möchte ich hierzu etwas sagen:

    Ich greife mal Deine Worte auf, auch wenn sie von Dir jetzt vielleicht gar nicht so gemeint waren.


    Zitat von »Sonne«
    wie schwer es für dich immer noch ist, auch anderthalb Jahre später noch.

    Nein, ich habe es nicht SO gemeint. Ganz bewusst nicht, denn auch ich kenne dieses "jetzt muss es aber doch langsam mal wieder gut sein" , obwohl mir nichts so Fatales passiert ist wie dir.
    Ich habe gemeint: Die letzten anderthalb Jahre habe ich mein Leben weitergelebt, ab und zu etwas von dir gelesen, was insgesamt für mich eher so klang, als kämst du einigermaßen zurecht, denn es ging eben nicht immer nur um deine Trauer und deinen Schmerz. Ich habe gelegentlich an dich gedacht, ja, aber wirklich vorstellen konnte ich es mir nicht, welch ein Kampf jeder Tag für dich ist. Das ist mir erst jetzt richtig klar geworden. Ich finde anderthalb Jahre keine lange Zeit!


    Ich sehe, dass auch diese Formulierung nicht ganz glücklich gewählt ist. Ich meine das "müssen" eher im Sinne von "können". Da hab ich nicht aufgepasst.
    Also nicht: "Du bist selbst Schuld, wenn es dir schlecht geht, du tust ja nichts dagegen", sondern "Du musst nicht hilflos und passiv abwarten, ob es besser wird, sondern kannst selbst aktiv etwas dafür tun". Und das tust du ja auch, denke ich, zB indem du Kontakt suchst zu anderen verwaisten Eltern und entsprechende Bücher liest.


    Es ist nicht so leicht, die richtigen Worte zu finden.

    Liebe CoCo,
    jetzt habe ich eine Ahnung davon, wie schwer es für dich immer noch ist, auch anderthalb Jahre später noch.
    Sei mal feste gedrückt, du Tapfere! :knuddel
    Ohne so etwas erlebt zu haben kann man es nur erahnen, aber wenn du beschreibst, wie das Monster dich täglich anspringt, dann kann ich es einen Augenblick fast fühlen. Und ich kann sehr gut verstehen, was du meinst mit "ich vermisse auch mich".
    Ich glaube nicht, dass es für immer so bleiben wird für dich. Ich bin kein Freund von "Die Zeit heilt alle Wunden" - Sprüchen, aber ich bin davon überzeugt, dass man mit der Zeit hilfreiche Strategien entwickelt, um mit Schmerz und Trauer (oder anderen schlimmen Erfahrungen) besser umzugehen. Zum Beispiel die verständliche Wut irgendwie loszuwerden, damit sie einen nicht auffrisst.
    Nicht die Zeit heilt, man muss das auch selbst tun.
    Ja, dein früheres Leben gibt es nicht mehr. Ich glaube daran, dass du ein anderes Leben finden wirst. Eins mit einer dunklen Stelle, die wehtut, aber es wird trotzdem ein Leben sein, in dem es auch Freude und glückliche Momente gibt. Du bist doch schon auf dem Weg, oder? Ich wünsche dir, dass du dir das auch bald vorstellen und sogar glauben kannst


    Unpassend finde ich deine Geschichte hier nicht, denn sie hat ja sehr ähnliche Auswirkungen. Auch klassische Depressionen werden oft von außen ausgelöst, durch schlimme Erlebnisse oder übermäßig anstrengende Lebensumstände, die einen emotional überfordern.
    Die erste "Diagnose", die ich noch während meines ersten Absturzes bekam (von meinem Vater, der Psychologe war) lautete: Reaktive Depression. Und zwar als Reaktion auf einen enormen psychischen Druck (andere Geschichte). Und auch mein 2. Absturz 5 Jahre später war ausgelöst durch großen Druck und Überforderung (plötzliche Trennung+Tochter schwer krank+Ungewissheit, ob sie wieder gesund wird) - da haben alle gesagt: Kein Wunder!
    Und glaub mal, ich - sogar ich, die ihre Tochter behalten durfte - hatte 1-2 Jahre kaum ein anderes Thema, ich habe trotz meiner Angst, allen Leuten auf die Nerven zu gehen, jeden damit vollgequatscht. Ziemlich egoistisch kam mir das manchmal vor (und war es wohl auch), aber es musste so dringend so viel raus!
    Also mach du dir bitte nicht zu viele Gedanken darüber, ob du irgendwo die Stimmung runterziehst, wenn du ehrlich antwortest (auch wenn ich das gut verstehe), die Gefühle anderer Leute sind nämlich nicht wichtiger als deine. Sie werden es verstehen und verzeihen.


    Danke für deinen Beitrag.

    Ein kleiner Nachtrag noch zum Thema Öffentlichkeit (ohne eine Diskussion lostreten zu wollen, wie Volleybap ganz richtig angemerkt hat):
    Auch ich habe ein paar Tage überlegt, ob ich meine Geschichte hier hochlade, aber
    1. sind wir unter Pseudonym angemeldet,
    2. ist es die einzige Möglichkeit, wie wir uns hier austauschen können, und
    3. bin ich der Meinung, dass gerade das Thema Depression endlich raus muss aus der Tabuzone.
    Es sind so viele Menschen betroffen - niemand sollte sich schämen müssen dafür!
    Dies als Ermutigung. Und schließlich wurde und wird ja auch in anderen Threads über das Thema geschrieben.


    Jul, danke für die Erklärung, jetzt habe ich verstanden, was du meinst. Und genau das war auch für mich nach dem ersten Absturz ein wichtiges Thema, als ich mir zum ersten Mal mich und mein Leben genauer angesehen habe: Was davon bin ich selbst, was davon ist krankheitsbedingt?
    Man braucht tatsächlich eine lichte, gesunde Phase, um Unterschiede zu erkennen. Und auch dann ist es natürlich nicht so ganz eindeutig zu trennen, denn die Depression prägt dich und du erlebst deine individuelle Form der Depression.
    Da ich in den letzten Jahren erstmals den Eindruck hatte, phasenweise meinen "normalen Grauschleier" hinter mir gelassen zu haben, habe ich festgestellt, dass ich doch mehr Energie, mehr positives Denken und mehr Lebensfreude in mir habe, als ich bisher dachte. Das alles verschwindet zwar in dunklen Zeiten komplett, aber irgendwo in meinem Kopf weiß ich jetzt, dass es zurückkommen kann - und auch irgendwann zurückkommt.
    Mir hilft daher die Vorstellung, dass es bei mir viel mit biologischen Ursachen zu tun hat, eine Veranlagung, die gelegentlich das Gleichgewicht meiner Botsénstoffe durcheinander bringt (zB bei anhaltendem Stress oder gerne auch im Herbst).


    Die Antwort auf deine Frage ist, dass ich es als entlastend empfinde. Denn früher war da so viel Schuldgefühl, ich habe mir selbst vorgeworfen, mitschuldig zu sein an meinem Zustand. Und unwissende Mitmenschen bestätigen das ja auch immer wieder mit gutgemeinten, aber oft dummen Ratschlägen wie: Sei doch nicht so negativ, denk mal mehr positiv! Geh mal öfter raus und treibe Sport, dann geht es dir auch besser! etc. Du kennst solche Kommentare wahrscheinlich auch. Sie sind Futter für das Monster.
    Man darf aber nie pauschalisieren, es gibt ganz sicher Betroffene, für die mehr Licht, Sport und andere Strategien absolut hilfreich sind - nur ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass ich an diesen Strategien (eigenen oder auch vom Psychologen verordnet) fast verzweifelt bin, weil ich dann meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden konnte beim Versuch, mich zu ändern - auch wieder nur Futter für das Monster.
    Es gibt eben kein Patentrezept, jeder muss wohl seinen eigenen Weg finden.


    Und noch was: Wie schön, dass du jetzt hier schreiben kannst und uns mit deinen Beiträgen bereicherst! :blume

    Jul, danke für deine Schilderung, da finde ich mich in so einigen Sätzen wieder.
    Das Gemeine ist ja: Wenn man eine chronische depressive Grundstimmung hat, dann kennt man sich nur so. Und wenn dann obendrauf noch ein Schub kommt, dann ist das erstmal so vertraut, dass man es gar nicht so schnell kapiert, was passiert. Mir ging das so beim ersten Absturz vor 12 Jahren. Es hat sich alles verschlechtert, aus hellgrau wurde dunkelgrau, aus Phlegma wurde Lähmung, aus meiner "normalen" Angst wurde Panik...aber alles trotzdem noch irgendwie vertraut. Bis zu dem ersten richtig rabenschwarzen Tag...


    Auch für mich wird die Leichtigkeit des Seins wohl immer die kostbare Ausnahme sein, auch wenn ich solche Momente jetzt häufiger erlebe als früher - aber das Wichtigste ist doch, sie überhaupt ab und zu erleben zu können. Sie sind das Lebenselixier, das einen auch die dunklen Zeiten überstehen lässt.


    Ich weiß nicht genau, was du mit "abgekoppelt von mir" meinst, aber ich habe diesmal und auch nach dem letzten Mal eine interessante Erfahrung gemacht, nämlich dass ich wenig bis gar keinen Einfluss darauf habe, ob und wann es mich erwischt und wann ich wieder die Chance bekomme, mich zu wehren und aus dem Loch zu kriechen. Die Erkenntnis, dass das gar nicht so viel mit mir und meinem Lebenswandel zu tun hat, ist einerseits erschreckend, denn dann bin ich total ausgeliefert, andererseits aber auch befreiend, denn mich trifft auch keine Schuld.
    Jetzt habe ich wieder den perfekten Beweis: Mir ist bewusst, dass mein Lebensstil (gerade auch im Wintermodus!) nicht unbedingt "gesund" ist, also wenig Struktur (nur da, wo unumgänglich), zu wenig Schlaf, zu wenig Bewegung, zu wenig frische Luft, zu wenig Sozialkontakte....
    Noch vor 3 Wochen hat mich das total runtergezogen (siehe Kommentare des Monsters oben) - und jetzt aber nicht mehr, obwohl ich nichts verändert habe. Jetzt sehe ich es wieder ganz normal als unvorteilhaft, aber letztlich für die Jahreszeit ok.
    Situationen (und auch Gedanken), die mir noch vor 3 Wochen Herzrasen beschert haben, kann ich jetzt wieder ruhig abhandeln.
    Seltsam, oder? So habe ich es noch nie erlebt, fast wie an- und ausgeschaltet.

    Hallo ihr Lieben,


    ich lese hier immer wieder von mehr oder weniger ausgeprägten Depressionen und weiß aus eigener Erfahrung, dass man sich damit meist sehr allein fühlt.
    Als Alleinerziehende haben viele von uns einen höheren allgemeinen Stresslevel, viele haben zudem keinen Prtner, der einen einfach mal in den Arm nimmt und zuhört, wir können auch nicht einfach mal schwach sein und uns einen gepflegten Durchhänger leisten, wir müssen immer stark sein und funktionieren. Das kostet viel Kraft und erhöht meiner Meinung nach auch die Anfälligkeit für Depressionen und ihre Vorstufen wie Erschöpfungszustände und Burnout (je nach Veranlagung).
    Eine Seite für Erfahrungsaustausch wäre doch vielleicht gut? Ein Platz für kleine Geschichten rund um das Thema.
    Geschichten, in denen man sich wiederfinden kann, Geschichten, die Mut machen, oder auch Geschichten, die dieses schwere Thema mal mit etwas Humor angehen - für diejenigen, die gerade in ihrem dunklen Loch hocken, für diejenigen, die wieder heraus gefunden haben, und vielleicht auch für diejenigen, die sich gar nicht vorstellen können, wie man sich damit fühlt, aber einen Angehörigen oder Freund mit dem Problem haben.
    Und natürlich als Anregung, die eigene Geschichte mal in Worte zu fassen und aufzuschreiben, dabei vielleicht auch eine ungewohnte Perspekive einzunehmen, denn das tut gut und hilft manchmal auch beim Verarbeiten und Loslassen der unangenehmen Erfahrung.
    Wie sehen eure "Monster" aus? Wie habt ihr sie gezähmt, besiegt, verjagt?
    Ich mach mal den Anfang mit einer Geschichte.




    Kellermonster 18.2.2016



    Etwas muss aus einem tiefen Kellerloch nach oben in mein Wohnzimmer gekrochen sein, denn da hockt es jetzt und starrt mich an.
    Tagelang. Es verschwindet nicht.
    Ich will die ersten Tage lieber nicht genauer hinsehen, denn ES ist hässlich, auch flüchtig aus dem Augenwinkel betrachtet, und seine Anwesenheit ist zutiefst beunruhigend. Etwas daran ist mir aber vertraut, so verdammt vertraut... Und doch ist es diesmal irgendwie anders.
    Schließlich kratze ich meinen Mutzusammen und sehe dem Ungeheuer direkt in die Augen.
    Eine heiße und zugleich eiskalte Welle der Angst überrollt mich als ich erkenne, wen ich vor mir habe.
    Geahnt habe ich es, natürlich, nur sehen wollte ich es nicht.
    Jetzt hilft aber kein Ignorieren mehr.
    „Du schon wieder? Ich habe dich seitcdrei Jahren nicht hier oben gesehen, was machst du hier?“
    Es starrt mich an und wartet.
    „Und außerdem bist du sonst immer im Herbst gekommen, was willst du also jetzt von mir? Hast du dich im Datum geirrt? Es ist Winter!
    Also zieh Leine! Verkriech dich wieder dahin, wo du hergekommen bist!“
    Ziemlich große Klappe, ja, aber nur in Gedanken. In Wirklichkeit schrumpfe ich unter dem finsteren Blick zu einem jämmerlichen Häufchen Elend zusammen.
    Es starrt mich an.
    Es folgt mir ins Bad und auch ins Schlafzimmer. Ich muss zähneknirschend hinnehmen, dass es sich nachts neben meinem Bett postiert und mich beobachtet. Und mir düstere Gedanken einflüstert. Gedanken wie: Du kriegst nichts aufdie Reihe, weißt du ja selbst, stimmt's? Was ist mit all deinen Ideen und Plänen? Du hängst faul rum, machst nur das Nötigste. Ist das wirklich das Leben, das du führen willst?
    Und es wird immer so weiter gehen. Du wirst älter und noch müder, du wirst dich nie wieder aufraffen können für die Sachen, die dir früher Spaß gemacht haben. Du bist einsam. Deine Schuld, du vernachlässigst ja sogar die paar Leute, die dich mögen. Du wirst irgendwann enden wie deine alte, krebskranke Nachbarin, allein in deinem Haus gefangen.
    Niemand wird kommen und für dich da sein. So sieht's aus.


    Eine Zukunftsperspektive entrollt sich vor meinem inneren Auge, die mich augenblicklich verzagen lässt.
    Ich fühle mich dem Leben da draußen nicht mehr gewachsen. Ich bin zu müde, zu schwach.
    Und was könnte ich schon daran ändern...?
    Nichts. Denn ich habe nicht die Kraft, etwas zu ändern.


    Und so arrangiere ich mich gezwungenermaßen mit meinem Kellermonster. Um seinen deprimierenden Einflüsterungen wenigstens zeitweise zu entgehen, beriesele ich mich bis spät abends mit Hörbüchern, Filmen und sonstigen sinnfreien Beschäftigungen. Ich versuche mein Gewissen etwas zu beruhigen mit der Ausrede, es handele sich dabei ja mindestens zur Hälfte um sehr wohl sinnvolle Sachbücher und Dokumentationen. Das ist Bildung und keine Realitätsflucht!
    Klar.
    Eine Woche geschafft, wenn auch nur mit großer Anstrengung. Noch eine Woche geschafft. Und dann noch eine.
    Aber das kann doch nicht der Sinn des Lebens sein, eine Woche nach der anderen irgendwie zu schaffen?
    Zwischendurch schlafe ich auf dem Sofa ein. Alles ist so schwer, nicht nur ich selbst.
    In mir ist es so kalt.
    Ich hasse den Winter.
    Mein monströser Begleiter macht es sich bequem in meinem Leben und drängt mich hinaus aus meinem Leben.
    Ich existiere noch, aber ich lebe nicht wirklich.



    Und dann...ist da plötzlich ein Hauch von etwas Anderem. Etwas fast schon Vergessenes sickert in mein lethargisches Bewusstsein und zupft mich am Ärmel: Hey, hast du die erste Frühlingsluft draußen gerochen? Geh mal raus, guck doch mal, da wachsen schon ein paar grüne Spitzen aus der Erde. Und wolltest du nicht längst mal wieder aufräumen? Heute wäre ein echt guter Tag dafür! Und du könntest auch mal wieder Klavier spielen, oder?


    Ich bin überrascht. Ja, stimmt, ich könnte wirklich mal wieder aufräumen. Ich habe keine auch nur halbwegs plausible Ausrede, es nicht zu tun. Es nicht heute zu tun - oder gar jetzt sofort.
    Plötzlich erscheint das, was mich als unüberwindbarer Berg von Arbeit und Pflichten zu Boden gedrückt hat, als gar nicht mehr so schlimm und tatsächlich machbar. Es rückt wieder in den Bereich des Möglichen. Ja, ich könnte das schaffen!
    Und das erste Erfolgserlebnis – mehrere wunderbar aufgeräumte Zimmer – ermutigt mich.
    Noch traue ich dem frischen Hauch nicht so ganz, aber ich bin tatsächlich wieder zuversichtlicher.
    Ich kann mir sogar wieder vorstellen, dass mein Leben anders verlaufen könnte als in meiner düsteren Zukunftsvision.


    Das Monster gerät jetzt ein bisschen in die Defensive, es stellt deshalb gemeine Fragen wie:
    Aha, du bist also stolz auf Kleinigkeiten, die für andere Leute selbstverständlich sind? Und das ist jetzt der große Durchbruch oder was?
    Du machst dir was vor, hast du etwa vergessen, was du noch alles dringend erledigen musst? Dein Auto fällt bald auseinander, der Papierkram stapelt sich...
    Und übrigens: Du bist auch viel zu schlapp, um im Garten endlich die Haselstämme abzusägen mit deiner tollen neuen Motorsäge, das schaffst du nie vor dem Frühling. Stimmt's oder hab ich Recht?


    Ha, und wie ich sägen kann! Auch wenn es mich sehr große Überwindung kostet.
    Ich mach dich platt, elendes Monster!


    In der Nacht muss ich noch mal los, um meinen Sohn in der Stadt vom Bahnhof abzuholen. Überraschung, es hat heftig geschneit am Abend, Schnee statt Frühling!
    Also Pfad zum Gartentor fegen, Auto freischaufeln und los geht’s.
    Kaum jemand ist unterwegs so spät und ich schleiche gemächlich die kurvige, schmale Landstraße entlang durch die Dunkelheit, die im Scheinwerferlicht als weiße Zauberwelt erstrahlt. Die Bäume und Sträucher am Straßenrand sind von dicken Flocken bedeckt, filigrane Kunstwerke aus Schnee, die Straße vor mir glitzert hell.
    Ich liebe den Winter!
    Und in dem Moment durchströmt mich ein wohlig warmes Gefühl der Freude.
    Ja, Freude, einfach so!
    Es ist, als ob ein Schmerz plötzlich nachlässt, der einen wochenlang gequält hat. Man hat sich schon so daran gewöhnt, dass man ihn nicht mehr ständig bewusst spürt - aber in dem Augenblick, wo er verschwindet, ist es eine unbeschreibliche Erleichterung.
    Willkommen Lebensfreude, da bist du endlich wieder! Ich dachte schon, ich würde dich nie wieder sehen!


    Das Untier gibt auf, es ist eindeutig auf dem Weg zurück in den Keller, denn ich spüre seine Anwesenheit
    jetzt nicht mehr.
    Auf Nimmerwiedersehen Kellermonster! Hoffentlich verrottest du da unten!


    Es hat allerdings klebrige Spuren aus schwarzen Gedanken in meinem Haus hinterlassen und ich werde da sicher noch öfter mitten rein treten. Hauptsache, ich bleibe nicht zu lange dran kleben. Und das schwarze Zeug läuft sich auch ab mit der Zeit...


    Nur etwas irritiert mich noch: Wie hat es das angestellt, sich diesmal so lautlos anzuschleichen, mich zu einem so ungewohnten Zeitpunkt zu überraschen?
    Es ist hinterhältig, keine Frage.


    Und doch muss ich irgendwie mit ihm auskommen, es wohnt nun mal in meinem Keller. Es lässt sich auch nicht einfach
    rausschmeißen, leider. Denn schließlich ist es ja ein Teil von mir, genau wie das verrückte kleine Kerlchen, das ab und zu vorbeihüpft
    und mich auf die komischsten Ideen bringt (zum Beispiel eine Geschichte über mein Kellermonster zu schreiben). Die beiden können
    sich natürlich nicht ausstehen und gehen sich konsequent aus dem Weg, genau wie das Monster und die Freude.
    Immerhin hat mir das Monster diesmal nur einen Kurzbesuch abgestattet und sich ohne irgendwelche Notfallmaßnahmen meinerseits wieder verkrümelt. Vielleicht sollte ich mit ihm besser eine Art Frieden schließen statt es zu hassen?
    Zumindest solange es brav in seinem - oder vielmehr meinem - Kellerloch hocken bleibt und mich in Ruhe lässt.
    Also doch eher Waffenruhe als Frieden.
    Wage es ja nicht, mir den Sommer zu versauen! Und auch im Herbst will ich Monster höchstens zu Halloween sehen!

    Ja, das kenne ich auch. Wir wohnen auch auf dem Dorf allein in einem Haus, was ich persönlich zwar als großen Luxus empfinde, aber die Kontaktaufnahme für Kinder nicht gerade erleichtert. Zudem kenne ich hier sonst keine Alleinerziehenden, anscheinend gibt es hier nur komplette Familien. Daran sollte man sich aber nicht gedanklich aufhängen, es ist eben so, na und? Ist schließlich keine Schande, allein ein Kind groß zu ziehen!
    Wir hatten das Problem, dass die Mädels in der Klasse entweder kein Interesse hatten, da sie sich schon aus dem Kindergarten kannten und bereits Freundschaften oder zumindest Bekanntschaften vorhanden waren, als wir zur Einschulung hier her gezogen sind. Oder aber es stellte sich schnell heraus, dass die Mädels charakterlich einfach nicht passten, kurz gesagt zu zickig waren. Damit konnte meine Tochter nicht umgehen, hat darunter gelitten, wenn sie mal wieder gemein zu ihr waren. Und ich habe mit gelitten, denn ich selbst war früher auch meist eine Außenseiterin und weiß, wie das ist. Ich habe immer wieder versucht, sie zu bestärken, habe ausführlich mit ihr darüber geredet, wenn sie mir berichtet hat, was vorgefallen ist, habe das Verhalten dieser Mädchen hinterfragt: Was meinst du, warum die sowas macht? Was bringt ihr das? Um kindgerecht die Psychologie dahinter zu erkennen, dass nämlich die größten Zicken oft diejenigen mit dem geringsten Selbstwertgefühl sind - sonst hätten sie solches Verhalten ja gar nicht nötig. Und möchte man so sein wie die, um dazu zu gehören? Will man mit jemandem befreundet sein, der einen schlecht behandelt?
    Das hilft nicht unbedingt dabei, Freunde zu finden, macht die Gemeinheiten und Abfuhren aber etwas erträglicher. Und hilft vielleicht dabei, ein eigenes Selbstbewusstsein zu entwickeln.
    Für neue Kontakte sind Kurse, Gruppen oder Vereine hilfreich. In unserer Schule gab es in der OGS viele Kursangebote, ansonsten im Dorf noch die Jugendfeuerwehr oder Vereine.
    Meine Tochter hatte dann das Glück, dass in der 4. ein neues Mädchen in die Klasse kam - und die beiden klebten fortan fast symbiotisch aneinander. Nach 2 Jahren wechselte die Freundin auf eine andere Schule, aber ich freue mich, dass sie trotzdem noch regelmäßig Kontakt haben. Jetzt ist es in der Schule natürlich wieder schwierig ohne die beste Freundin, das alte Problem. Aber Kinder müssen daran nicht verzweifeln oder zerbrechen, sie können daran auch wachsen.
    Kommt immer darauf an, wie man das betrachtet und dem Kind vermittelt.


    Und dieses "die brauchen uns nicht" ist hier auch so, die brauchen weder meine Tochter noch mich. Ich bin ja in derselben Situation wie sie (und ihr beide), muss mir erst mühsam Kontakte suchen und "erarbeiten". Das dauert auf dem Dorf eben viel länger als in der Stadt, ist viel schwieriger. Klar fühle ich mich auch manchmal allein und ausgeschlossen, aber trotzdem weiß ich, dass ich auch allein klarkomme. Und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich mit der Zeit auch hier Leute finden, mit denen ich was anfangen kann. Dasselbe gilt für meine Tochter.

    Ich denke, wir passen das, was wir an Möglichkeiten, an Fähigkeiten und Eigenschaften, sozusagen an Bord haben auf unserer Reise durchs Leben immer wieder an die sich verändernden Umstände an. Unter anderen Umständen würde ich ein anderes Leben führen, wäre aber doch trotzdem ich, auch wenn ich mich vielleicht in eine andere Richtung weiterentwickeln würde.
    Mutter oder Vater zu werden bringt einfach nur bisher verborgene Eigenschaften ans Licht, die man vorher an sich selbst nicht kannte.
    Es kann sich so anfühlen, als ob man sein altes Leben (jung, kinderlos,
    frei, sorglos) verloren hat und in einem neuen Leben steckt
    (Verantwortung, wenig Freiraum, evtl Sorgen um Kinder und Zukunft...) -
    und dieses neue Leben ist zwar auch schön, aber so anders als man es
    bisher kannte. Das kann das Selbstbild ein wenig erschüttern, wenn man
    sich dann fragt: Bin ich immer noch ich..?


    Mir stellt sich diese Frage eher andersrum. Ich hatte mit 18 als Schülerin noch keine Ahnung, wer ich eigentlich bin, wo ich hin will, wer ich mal sein könnte... Verglichen mit einigen heutigen Jugendlichen war ich ein echter Spätzünder 8-)
    Und dann wurde ich schwanger... Also kenne ich mich eigentlich nur als Mutter, denn meine Jugend ging ohne den Umweg über die Selbstfindungsphase des Erwachsenwerdens sofort über in ein Leben als alleinerziehende Mutter. Und da stehe ich auch jetzt, knapp 30 Jahre später noch (bzw wieder), mit dem 2. Kind, das bald flügge wird.
    Und dann?? Wenn Kind in 5 Jahren volljährig ist aud auszieht, dann habe ich mit Anfang 50 zum ersten Mal im Leben die Situation, das freie, sorglose, selbstbestimmte Leben zu führen, das Andere mit Anfang 20 haben. :Hm
    Und wer werde ich dann sein?
    Immer noch ich :D ...nur unter anderen Bedingungen.


    Randbemerkung: Man kann auch mit Kind wilde und tolle Zeiten erleben, in der Gegend rumfahren, auf Festivals gehen, Parties feiern... Ich hab damals auch nicht viel ausgelassen, Kind hat die Festivals geliebt (von Baby bis Jugendlicher), auf Parties irgendwo im Nebenraum geschlafen, und unsere vielen Rucksackreisen mit Zelt (hatte ja nie Geld für "normalen" Urlaub) waren zwar oft anstrengend (die ganze Schlepperei und Latscherei in der Hitze in Portugal :crazy ), aber trotzdem schön für uns beide - zumindest gab es auch 20 Jahre später auf Nachfrage keine Beschwerden :-)
    Nur musste ich eben immer für 2 denken, schleppen...die Verantwortung tragen. Ist für mich so normal, dass ich es mir kaum anders vorstellen kann.

    Ich...empfinde die Arbeit an mir selbst auch nicht als Arbeit, weil ich mich dadurch entwickele und mir das Freude macht.

    Ok, aber hast du denn schon mal wirklich intensiv therapeutisch an dir gearbeitet? Das macht im Nachhinein Freude, wenn man tatsächlich voran gekommen ist, aber währenddessen ist das mitunter auch schmerzhaft, weil man sich von unguten, aber liebgewonnenen Denk- und Verhaltensmustern trennen muss.


    Dein Ansatz, erst selbst deine Betrachtungsweise zu ändern und danach mit deiner Tochter zu reden, klingt logisch, aber ich bezweifle, dass du deine anscheinend sehr tiefsitzende Abneigung gegen ihre Vorgehensweise auf diese eher abstrakte Art ablegen kannst, ohne ihre Sicht der Dinge zu kennen.


    Meine Enkelin bekommt Monat für Monat Kleinigkeiten über Amazon. Im September ein geile Winterjacke,
    im Oktober 2 Hosen und 2 Pullover, im November 2 Bücher Sankt Martin und der Nikolaus, im Dezember Kleidung von Otto.

    Was bezweckst du mit dieser Information? ...Und das "geil" lässt auch mich zweifeln...


    Das Kind kann nichts für den Scheiß, denihre Mutter
    angestellt hat.

    Und da ist es schon wieder! Diese Einstellung kannst du nicht mal eben wegtherapieren.
    Willst du ja auch gar nicht, sonst würdest du andere Worte wählen.


    Für mich ist ein Kind ein Geschenk Gottes und nicht das Produkt einer Bumserei ohne Verhütungsmittel.

    Und woher weißt du, dass Gott deiner Tochter nicht auf diese Weise ein Kind geschenkt hat, weil es ihr/ihm anders nicht möglich war?
    Das ist kein Argument, das ist wieder eine Abwertung deiner Tochter und ihres Verhaltens, im Gewand des gläubigen Gutmenschen, der die Moral auf seiner Seite wähnt.
    Kinder entstehen grundsätzlich aus einer Bumserei ohne Verhütungsmittel. Meist formuliert man es nur etwas anders...

    Cuttysark,
    falls du hier noch liest: Wenn du dich mit einer so persönlichen Geschichte, die zudem noch das Potenzial für sehr unterschiedliche Meinungen birgt, in die Öffentlichkeit eines Forums wagst, dann musst du dich nicht wundern über Gegenwind und ebenso persönliche Meinungsäußerungen. Ich fand die Antworten übrigens relativ gemäßigt angesichts deines ersten Beitrags (bedenke deine Wortwahl!).
    Und ich möchte nicht von dir in die Kategorie "meint, dass ich nicht richtig ticke" geschoben werden, denn ich bin nach wie vor der Meinung, dass du dich mit deiner Tochter mal ganz in Ruhe zusammensetzen solltest, weil da das eigentliche Problem liegt. Natürlich hast du andere Wertvorstellungen als viele der jungen Schreiber hier, aber das allein erklärt wohl nicht dein Problem.
    Du hast erwähnt, dass du mit deiner Tochter bisher nicht gesprochen hast darüber - tu das. Und im Sinne eines konstruktiven Gesprächs würde ich dir empfehlen, ihr nicht gleich deine Sicht um die Ohren zu hauen (mit obiger Wortwahl), sondern erstmal ihr zuzuhören.


    Ich verstehe übrigens Kopfsalats Einwand wegen des Therapieplatzes, den du als Wellness ansiehst, während viele Menschen ihn wohl deutlich dringender bräuchten. Wir wissen nicht, wie krank oder belastet du wirklich bist, ob dein Anspruch "berechtigt" ist, aber der Gedanke ist aufgrund deiner Formulierung sehr nachvollziehbar.


    Und übrigens: Wenn man psychotherapeutische Angebote wirklich ernsthaft für sich nutzen will, dann ist das tatsächlich Arbeit und nicht Wellness pur. Da ist niemand, der einem das Weltbild geraderückt, das muss man schon selbst tun.
    Viel Erfolg dabei!

    Ich war auch etwas irritiert von deinem ersten Beitrag, habe erst überhaupt nicht verstanden, wo jetzt dein Problem liegt, denn einerseits schreibst du, es ginge dir nur um das Wohl deiner Enkelin, andererseits beschreibst du deine Tochter als liebevolle Mutter. Also was genau macht dir denn da solche Sorgen, dass du dich deshalb hier anmeldest und schreibst?


    Das Problem liegt natürlich tiefer, denn im weiteren Verlauf deiner Beiträge wird deutlich, dass es eher um ein Problem mit deiner Tochter geht und nicht um die Sorge wegen der Enkelin. Dein abwertender Ton, mit dem du ihre Beziehungen und den Kindsvater beschreibst, macht das sehr deutlich.
    Und das erinnert mich sehr an meine Eltern! Deshalb will ich dir mal meine Erfahrung schildern aus meiner Sicht, vielleicht fühlt es sich für deine Tochter nämlich ähnlich an.

    Sie wuchs in liebevoller Umgebung auf.
    Eltern, Großeltern, Geschwister, Tiere und Eigentum in ländlicher Umgebung und finanziell sicheren Verhältnissen begleiteten
    ihr Leben.


    Trotz allem muss etwas falsch gelaufen sein, wie ihr zu Recht bemerkt.

    Das könnte man so auch über mich sagen - allerdings nur von außen betrachtet. Das Materielle ist eine Sache (Haus, finanzielle Sicherheit, Klavierstunden etc), wie auch der Bildungsstand, nämlich durchweg studierte Leute in der gesamten Familie.
    Eine ganz andere Sache ist die emotionale Sicherheit und Stabilität, die du in dem Wort "liebevoll" zum Ausdruck bringen willst. Es mag aus deiner Sicht liebevoll gewesen sein, aber wie sicher bist du dir, dass es auch für deine Tochter liebevoll war?
    Meine Eltern würden ziemlich sicher auch sagen, dass mein Bruder und ich liebevoll aufgewachsen sind (kann sie leider nicht mehr fragen, sie sind schon länger tot), aber wir Kinder haben das leider nicht so empfunden.
    Das liegt an unterschiedlichen Vorstellungen generationenbedingt, auch Kriegs- oder Fluchterfahrungen und eigene familiäre Probleme prägen die Eltern natürlich. Somit geht es nicht um Schuld, sondern einfach um sehr unterschiedliches Empfinden derselben Realität.
    Und das führt oft zu massiven Problemen: Die Eltern finden, sie haben ihren Kindern alles gegeben, haben entsprechende Erwartungen und Wünsche, wie ihre Kinder sich entwickeln und später ihr Leben gestalten.
    Wir Kinder sind aber mit einer ganz anderen Realität aufgewachsen, fühlten uns emotional nie genug angenommen, respektiert, unterstützt, sahen die hohen Erwartungen der Eltern (zB Studium, Karriere, geordnetes Leben) als einengend oder gar als bedrohlich, da wir uns abstrampeln mussten, um diesen Erwartungen gerecht zu werden, obwohl es eigentlich nicht unser Weg war. Und doch konnten wir die Erwartungen nie ganz erfüllen. Zwar vielleicht beruflich (mein Bruder), aber nicht privat, und insbesondere ich nicht mit meiner Lebensgestaltung (die "Chaotenmänner").
    Ich habe nicht bis 40 gewartet mit dem ersten Kind, ich bin sehr früh ungeplant schwanger geworden, was natürlich ein Unterschied ist zu deiner Tochter (und gewissermaßen ein Pluspunkt für sie, denn sie war vernünftig genug, erst einen Beruf zu erlernen und auszuüben und Lebenserfahrung zu sammeln).
    Aber die Reaktion war fast dieselbe, weswegen ich mir überhaupt die Mühe mache, dir zu schreiben.
    Die Reaktion auf meine "Beichte", dass ich schwanger bin, war: "Das arme Kind, das tut mir jetzt schon leid, was kann aus dem schon werden!"
    Das war ein Schlag ins Gesicht, oder vielmehr mitten ins Herz, der auch jetzt, fast 30 Jahre später, noch nachwirkt.


    Tu das deiner Tochter nicht an! Wenn du sie nicht verlieren willst, dann akzeptiere sie, wie sie ist: Eine tolle Frau, die einen guten Beruf erlernt hat und ausübt, die mutig genug ist, um ihren Lebensplan in die Tat umzusetzen, die eine gute Mutter ist und wahrscheinlich auch eine gute Tochter sein möchte - wenn du sie lässt.


    Rede mit ihr, vielmehr frage sie nach ihrer Sicht der Dinge und höre aufmerksam zu. Niemand hat das Recht gepachtet, nur weil er einer anderen Generation angehört und andere Wertvorstellungen hat. Sie wird gute Gründe haben für das, was sie tut.

    Ich find's ein bisschen schade. Ich finde den Kindern gehen ein paar Jahre Kindheit verloren.


    Genau das denke ich auch. Ich finds gruselig, wenn Zehn- oder Elfjährige sich aufbrezeln wie Fünfzehnjährige, wenn sie wie Püppchen aussehen und statt zu toben und zu spielen, wie man es als Kind machen sollte, sich die Nägel lackieren und stundenlang vorm Spiegel stehen.


    Das hat wohl viele Gründe, zB Mütter, die das bewusst oder unbewusst fördern (wie in deinem Beispiel), TV-Serien, in denen schon Kinder immer rundum perfekt aussehen und genau das vorleben, die allgegenwärtige Werbung.......
    Ich habe immer das Gefühl, da gegensteuern zu müssen, um alles in einem gesunden Rahmen zu halten. Meine Tochter hat nämlich auch so ein "Tussi-Gen", ist sehr empfänglich für das alles. Von mir hat sie das aber eindeutig nicht, ich habe erst jetzt mit Ende 40 angefangen, spaßeshalber mal ihren Glitzernagellack auszuprobieren :D

    Zwischen Tochter (13) und mir kam das Thema Figur und Gewicht natürlich auch schon gelegentlich zur Sprache. Sie hat mit dem ersten Pubertätsschub einiges zugenommen, war vorher normalschlank, hat jetzt eine normale Pubertätsfigur, also mit ersten Rundungen. Sie hat das natürlich auch kritisch betrachtet (von allen Seiten) und ich rede mit ihr darüber und erkläre, dass es völlig normal ist, in dieser Entwicklungsphase hier und da etwas rundlicher zu werden und dass nicht alles gleichzeitig bzw gleich schnell wächst. Also mal wächst es obenrum, dann werden die Oberschenkel kräftiger, dann kommt mal wieder ein Schub Längenwachstum und gleicht alles aus. Ich habe ihr erzählt, dass mein Bruder in dem Alter zB extrem lange Arme hatte und total dünn war, aber schließlich hat sich alles ausgeglichen und die Proportionen haben wieder gepasst.
    Ich besitze eine Waage, die aber nur sehr selten benutzt wird, zB um den Hund zu wiegen, oder um bei mir 2x im Jahr zu sehen, ob meine 10kg zu viel immer noch da sind :brille
    Würde Tochter anfangen, sich jede Woche zu wiegen, würde diese Waage auch kaputt gehen oder einfach verschwinden :pfeif
    Ich habe ihr auch schon meine Meinung über Diäten gesagt, nämlich dass das fast immer gesundheitsgefährdender Quatsch ist. Bin mit Eltern aufgewachsen, die sich jahrzehntelang immer wieder mit irgendwelchen Diäten herumgequält haben, hat vermutlich nicht wirklich was gebracht. Sinnvoll ist nur eine dauerhafte vernünftige Ernährung kombiniert mit ausreichend Bewegung. Aber es ist auch kein Weltuntergang, wenn man ab dem mittleren Alter ein paar Kilo zulegt - finde ich - solange es nicht gesundheitsgefährdend ist und solange man sich damit wohl fühlt. Ist ja zT auch Veranlagung, ob man ein guter oder schlechter Futterverwerter ist, und wieso soll man sich ein Leben lang quälen, nur um einem fragwürdigen Schönheitsideal zu entsprechen? Echte Schönheit hat nichts mit dem Gewicht zu tun!
    Das sind so meine Gedanken, und die versuche ich auch zu vermitteln. Was sie dann daraus macht, werde ich ja sehen. Bis jetzt hat sie auch (noch) ein gesundes Verhältnis zu ihrem Körper.


    Schminken - ja, auch wenn ich nicht begeistert bin und das auch sage. Ab und zu darf sie mal farbiges Lipgloss in der Schule tragen, manchmal hat sie sich auch schon heimlich morgens geschminkt, Wimpern und Lippen... Ist aber leider so, dass viele Mädels schon so früh damit anfangen, dann will sie es natürlich auch ausprobieren, klar.


    Mitbringsel oder Geschenke sind hier natürlich auch manchmal ein Glitzernagellack oä, aber gern auch Sachen, mit denen man kreativ sein kann, wie Bastelmaterial (neulich gabs Sperrholz und neue Sägeblätter, dann bunte Wolle, schön ist auch diese Modelliermasse, die nur trocknen muss...). Sie ist da noch nicht ganz so pubertätsmäßig "cool", macht auch noch solche Sachen gern, was ich natürlich fördere.


    Magersucht ist, soviel ich weiß, das sichtbare Symptom eines psychischen Problems, das sich dann verselbständigen kann.
    Ich vermute, dass man schon vorher Anzeichen sehen kann, sofern der/die Jugendliche einem genügend Einblicke gewährt. Ist aber sicher nicht leicht zu unterscheiden von der typischen pubertären Labilität...