ich war selbst auf verschiedenen schulen, am längsten auf einer solchen reformpädagogischen schule (laborschule bielefeld), aber auch drei jahre auf der realschule.
aus eigener erfahrung kann ich sagen: nein, noten waren für mich nicht nötig. sowohl für mich selbst als auch für meine eltern war die halbjährliche, ausführliche beurteilung in jedem fach eine viel bessere herangehensweise, defizite wurden ebenso wie stärken deutlich früher erkannt und wir konnten entsprechend entgegen wirken oder fördern. und die befürchtung, lehrer könnten damit zu subjektiv bewerten, kann ich zwar nachvollziehen, widerspreche dem aber trotzdem: die lehrer mit beurteilungssystem müssen sich sehr viel intensiver mit den fortschritten jedes enzelnen kindes auseinandersetzen. da reicht es nicht zu sagen "ali konnte von anfang an nicht richtig deutsch, schriftlich erst recht nicht also nur ein mangelhaft". es wird nicht nur der aktuelle stand im vergleich mit den anderen bewertet, sondern vielmehr geschaut, welche entwicklung stattgefunden hat. und die lehrer können eben nicht infach ne schlechte note reinwürgen, wenn ein kind ihnen unsympathisch ist und dankenswerterweise auch noch schriftlich schlechte noten hat. sie müssen ihre kritik viel genauer begründen.
wenn dort nach 2 klausuren im halbjahr nur die note befriedigend steht, weiß ich doch gar nicht, was genau ich noch dringend üben muss, noch viel weniger meine eltern.vielleicht hab ich einen aufgabenbereich noch nicht richtig verstanden, vielleicht waren mir aber auch nur meine freunde wichtiger und ich hab durch privatgespräche viel gestört. viel genauer ist da eine formulierung wie "deine rechtschreibung ist vorbildlich, aber gestalte doch deine satzanfänge in aufsätzen noch etwas spannender" oder etwas in der art. eine note war für mich immer sehr negativ behaftet, denn alles unter eins bedeutete ja, das ich das ideal nicht erreicht hab. das erzeugt meines erachtens nach auch bei jedem kind irgendwann einen unterschwelligen druck, der die lernfreude beeinträchtigt.
zu den altersgemischten klassen kann ich der befürchtung, die älteren seien benachteiligt nur widersprechen: zu meiner zeit waren in der schule leider nur die klassen 0, 1 und 2 zusammen im unterricht (schule ging ab 5 los), heute erstreckt sich die mischung bis zur 10.
die großen haben mit den kleineren geübt und erklärt, dass die kleinen davon profitieren ist also klar. gleichzeitig haben damit aber auch die großen den stoff viel mehr verinnerlicht, weil sie sich viel intensiver damit auseinandergesetzt haben, als einfach nur die aufgaben zu lösen und wegzulegen. -ich kann mich beispielsweise noch genau an mein diktatheft aus der 3. klasse erinnern und welchen fehler ich dort im letzten diktat gemacht habe. und ich kann über die beurteilungen noch heute genau nachvollziehen, wann ich welche entwicklungsschritte in welchem fach gemacht habe. ich kann teilweise sogar noch rekonstruieren, welche themen mich dort besonders berührt haben oder was an privatem trouble vielleicht für lerneinbrüche gesorgt hat. den stoff aus der realschule (8.-10. klasse) hab ich dagegen völlig vergessen, weil ich nur für die klausuren gelernt habe. und die noten sagen mir heute gar nichts mehr.
und für mich steht ganz klar fest: mein kind soll auch auf eine reformpädagogische schule gehen, sie ist dort bereits angemeldet für 2014 und ich hoffe, auch tatsächlich einen der wenigen, begehrten plätze für sie zu bekommen.
fähigkeiten wie im team zu arbeiten, sich ganzheitlich mit lerninhalten auseinanderzusetzen, innerhalb der eigenen interessen und fähigkeiten einen eigenen zugang zu themen zu finden und sich eine eigene meinung zu bilden kommen zu kurz in den regelschulen. lehrer nicht nur als anstrengende autorität sondern vor allem als unterstützng und förderer wahrzunehmen ebenfalls.
ca. 60-70% der abgänger von dieser schule (endet dort leider nach klasse 10) machen übrigens danach ihr abi und studieren. und vielen fällt das studium deutlich leichter als ehemaligen regelschülern, weil sie schon viel früher das selbständige lernen gelernt haben.
und abschließend: der anteil an "schulversagern" liegt bei regelschulen nach meinen erfahrungen deutlich höher als an solchen "besonderen schulen", wenngleich es natürlich auch dort einige gibt. ich kenne jedenfalls sehr viele, die an einer regelschule einfach durchgerutscht sind und weit bessere abschlüsse hätten erzielen können, wenn frühzeitiger stärken genutzt und defizite bearbeitet worden wären, wenn die freude am lernen gefördert worden wäre statt sie zu ersticken mit wettkampf und disziplinierung. das ist nur an einer regelschule mit einheitlichen bewertungskriterien schlecht möglich.