Also, ich versuch es mal konkreter. Ist natürlich schwierig mit nur wenigen Beispielen.
Erstmal, es ist völlig normal, dass du es dir für den Moment nicht gut geht, wenn er sich schlecht verhält. Aber sich da reinzusteigern hilft leider nicht. Ich weiß das ist sooo viel leichter gesagt als getan, aber es ist das Einzige was meiner Erfahrung nach wirklich hilft. Er ist noch in der Trotzphase und er ist ein Kind. Beides heißt, dass ausufernde Diskussionen mit ihm nicht zielführend sind.
Er verhält sich so, wie er sich verhält, weil du darauf reagierst. In dieser Hinsicht haben die Behavioristen schlicht und ergreifend recht.
Ich mache auch nicht freudestrahlend weiter, wenn mein Kind sich daneben benimmt. Aber mit der Zeit akzeptiert man, dass es gewisse Hochs und Tiefs gibt. Manchmal habe ich ein Traumkind, über das sich andere überschwenglich positiv äußern und dann wieder ein ganz normales, anstrengendes Kind.
Was ich aber mache sind zwei Dinge.
1.) Bei Fehlverhalten zuhause (motzern, anmeckern) das Ganze kurz und bündig abklären. Ich lasse mich ganz sicher nicht beschimpfen und das mache ich auch deutlich.
2.) Mich kurz auf mich selbst besinnen und dann ablenken. Nicht auf die Situation konzentrieren oder stundenlang darüber grübeln, was alles schief läuft oder warum. Letzteres hilft leider so gut wie nie. Souverän bleiben und das Theaterstück beenden. Ganz konkret hieße das beispielsweise, das ich mich abwende und versuche runterzufahren. Was immer hilft: Hausarbeit, bzw. aktiv irgendeiner Tätigkeit nachgehen (Computer bzw. Fernseher zählt NICHT dazu!!). Das lenkt ab und das Kind sieht, das Mama gerade beschäftigt ist. Das ist etwas anderes, als ein Kind aus Rache zu ignorieren oder in die Auszeit zu schicken.
Es gibt auch noch einen anderen Grund, warum das hilft. Die meisten Kinder wissen (altersabhängig) irgendwann, dass sie etwas falsch gemacht haben. Das schlechte Gewissen plagt sie, aber sie kommen nicht so richtig aus der Situation raus. Mama ist sauer und selbst wenn das Kind sich entschuldigt, darf es sich oft noch eine Predigt anhören bzw. Mama ist immer noch sauer. Bei dir merkt man wie sehr das an dir nagt. Und selbst wenn du SAGST dass alles ok ist, sind das erstmal nur Worte. Kinder achten aber viel mehr auf z.B. die Körpersprache. Wenn du dich ablenkst kannst du vielleicht kurz später ganz ehrlich sagen, dass es wieder gut ist. Zum anderen hat das Kind so eventuell eine Chance aus dem ganzen Dilemma wieder herauszukommen. Du kannst ihm eine Tür aufmachen. Wenn er sieht, dass du z.B. aufräumst oder die Fenster putzt, wird er möglicherweise von ganz alleine ankommen und dir helfen wollen. Kinder wollen sich nützlich machen, wollen gebraucht werden. Dann kannst du ihm genau das anbieten und dich daran erfreuen. Zumindest bei meinem war es dann bisher immer so, dass neben der engagierten Mithilfe dann auch bald eine ehrliche Entschuldigung von Herzen kam, die ich zu diesem Zeitpunkt meistens schon gar nicht mehr gebraucht hätte. Seit ich das so mache, gibt es derartige Probleme praktisch nicht mehr (kann auch am Alter liegen).
Nach Hause gehen und sauer sein wäre ganz sicher keine Alternative gewesen. Aber Verantwortung übernehmen. Wie gesagt, es war deine Entscheidung dorthinzugehen. Es ist auch deine Entscheidung keine Ausflüge mehr zu machen, weil er sich nicht benimmt. Ich weiß, dass das schwer anzunehmen ist, aber das ist notwendig um aus einem solchen Kreislauf und aus der gefühlten Hilflosigkeit auszusteigen. Du bist erwachsen, er ist ein Kind und du kannst ihm nicht die Verantwortung übertragen bzw. die Schuld für deine Entscheidungen geben. Ja, ich würde vermutlich auch keinen Ausflug machen, wenn ich wüsste, dass es in einer Katastrophe endet, aber ich akzeptiere das als meine alleinige Entscheidung. Es ist immer schnell gesagt "Ich hatte keine Wahl", "die Umstände oder andere waren schuld", aber in vielen Situationen HAT man eine Entscheidungsfreiheit. Das anzuerkennen hilft, nicht andere (v.a. das eigene Kind) verantwortlich zu machen und gelassener zu bleiben.
Was auch immer hilft ist über die eigene Kindheit nachzudenken. Ob es wohl irgendjemanden gibt, der langfristig von strafenden Eltern profitiert hat? Ich kenne niemanden. Bei den meisten hat das ihr Verhältnis zu den eigenen Eltern nachhaltig negativ geprägt. Das heißt um Himmels Willen nicht, alles durchgehen zu lassen oder gar zu rechtfertigen. Aber ein bisschen nachsichtig zu sein. Geschehenes lässt sich leider nicht ungeschehen machen und man macht es nicht besser, wenn man einem kleinen Kind Vorträge hält oder den eigenen Ärger an ihm auslässt. Was hättest du dir als Kind gewünscht, wie deine Eltern reagieren, wenn du einen Fehler gemacht hast?
Zu guter Letzt: Versuche einmal eine ganze Woche lang ohne explizite Anweisungen, wie auch immer du sie nennst, auszukommen. Kein "Tu dies, mach das, achte auf jenes, verhalte dich so". Versuche weitestgehend auf Maßnahmen zu verzichten die nur dazu dienen sein Verhalten zu kontrollieren, also sowohl Bestrafungen, als auch Belohnungen!! Die Basics (Bettgehzeit) müssen natürlich sein, aber bei allem anderen geht es oft auch so. Beim Tischdecken zum Abendessen kann er dir helfen, so ist klar, dass das nun ansteht. Zähne werden danach gemeinsam geputzt usw. Und dann versuche ihn einfach nur zu beobachten, ohne das was du beobachtest (gedanklich) zu bewerten! Es gibt vermutlich kaum etwas Schwereres, auch wenn es sich banal anhört. Versuche ihn einfach nur zu sehen, zu beobachten und anzunehmen, so wie er gerade ist - ohne ihn zu vergleichen, Überlegungen anzustellen, wie bestimmte Dinge anders sein könnten, wie er sich Tags zuvor benommen hat, usw. Vollständig gelingt das niemandem!! Und es ist normal, dass es am Anfang sehr, sehr schwer ist. Aber vielleicht versuchst du es einmal und probierst es aus. Das wäre ein erster Schritt.