Müssen sich unterhaltsberechtigte AE um mehr Einkommen bemühen?

  • Das OLG Hamm hat im Sommer 2024 zum Trennungsunterhalt entschieden (Az.: 4 UF 35/24) und das Urteil kürzlich veröffentlicht:


    Nach einer Trennung hat ein Ehepaar sich über den Unterhalt gestritten. Der Vater wollte nur Kindesunterhalt für die bei der Trennung 2021 neun und fünf Jahre alte Kinder leisten. Jedoch keinen Trennungsunterhalt für die Mutter. Die selbstständige Frau war bei der Trennung 12, später 18 und zuletzt 22 Stunden tätig.


    Das OLG entschied: Der Mutter steht Trennungsunterhalt zu. Weder muss sie die Teilzeittätigkeit zugunsten einer Vollzeittätigkeit verändern noch aus der Selbstständigkeit in eine angestellte Tätigkeit überwechseln. Es müsse grundsätzlich geprüft werden, ob diese Arbeitsumstellungen für den Unterhaltsempfänger zumutbar seien.


    Grundsätzlich jedoch könne nach dem Trennungsjahr erwartet werden, dass eine während der Ehe ausgeübte Teilzeittätigkeit zu einer Vollzeittätigkeit ausgeweitet wird. Wenn aber (gemeinsame) Kinder betreut werden müssen wie im konkreten Fall, könne diese Pflicht aufgehoben werden. Im konkreten Fall war eine höhere Betreuungsanforderung durch eine Lernschwäche eines der Kinder gewichtig bei der Entscheidung zur Zahlungspflicht bzw. zur Teilzeitarbeit.


    Deutlich wird im Urteil: Der nacheheliche Trennungsunterhalt ist ein zu begründender Sonderfall.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Danke für die Info über dieses Urteil.


    Letztlich greift so eine Regelung aber auch nur dann, wenn der UET zahlungsfähig ist, oder?

    Klar. Erhöht aber auch den Druck auf den Unterhaltspflichtigen, selbst einer Arbeit nachzugehen, mit der er sowohl den Kindern Unterhalt leisten kann als auch dem Betreuungselternteil, wenn der durch einen besonderen, in den betreuten Kindern liegenden Umstand nicht Vollzeit arbeiten kann. (Nicht nur dem "normalen" Betreuungselternteil kann gesagt werden: "Schaff mal Vollzeit! Und das zu einem ordentlichen Stundenlohn!"


    Trennungsunterhalt/Betreuungsunterhalt ist ein schwieriges, "vermintes" Gebiet. Und manchmal ist es schwer nachzuvollziehen, warum im einen Fall das Gericht Unterhalt zuspricht und im anderen Fall nicht. So ganz die einheitliche Linie ist zumindest für mich nicht zwingend erkennbar.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Danke für die Info über dieses Urteil.


    Letztlich greift so eine Regelung aber auch nur dann, wenn der UET zahlungsfähig ist, oder?

    Die Leistungsfähigkeit zu beachten gilt immer und nicht nur in Einzelfällen.


    LG

    ... unn denn bin ick in mir jejangen, war aber ooch nüschd los! :drink ...

  • Wie sieht es denn eigentlich mit dem zahlenden Elternteil aus? Darf ein Elternteil seine Stunden und somit den Unterhalt reduzieren?

    Die übliche Antwort der Juristen lautet: Kommt darauf an ... Und sie passt mal wieder.


    Zuerst einmal: Es kommt nicht auf die geleisteten Stunden an, sondern auf den Ertrag, also das Einkommen.


    Grundsätzlich sind die Eltern für den (ausreichenden) Unterhalt der Kinder zuständig. Und das per Gesetz.

    Erziehlt ein Elternteil durch seine Arbeit so wenig Einkommen, dass er den Unterhalt nach Stufe 1 der DüTa ("Mindestbedarf") nicht erbringen kann, dann kann dieser Elternteil zu mehr Arbeit ("überobligatorisch") - auch über die 40 Stunden hinaus - verpflichtet werden. Dazu gibt es Urteile. Ungefähr in der Häufigkeit eines Millionen-Lottogewinns, sage ich jetzt mal überspitzt. "Es spielen viele mit den Zahlen. Zur Auszahlung kommt es eher nicht."


    Kürzt jemand mit hohem Einkommen seine Arbeitszeit und hat dafür sogar einen Grund ("Isch habe Rücken" ...), dann wird es schwierig. Manchmal, aber wirklich ganz selten wird jedoch der Unterhaltspflichtige so gestellt, als ob der das bisherige hohe Einkommen noch erzielen würde. (Findet man häufiger in einem Vergleich.)


    Wenn man AE wird, sieht es ja oft knapp aus mit der Betreuungszeit. Da liegt der Gedanke nahe, Arbeitszeit zu kürzen, um mehr Betreuungszeit zu haben. Das wird mittlerweile fast durchgängig genehmigt. Auch beim Trennungsunterhalt, der ja dann vom Umgangselternteil höher zu leisten ist.


    Vor einigen Jahren sah das noch nicht so gut aus. Ich habe - allerdings als AE.Mann - den Hinweis vom Gericht bekommen in einem Sorgerechtsverfahren: Kürze ich meine Vollzeitarbeitszeit, um die Kinder besser zu betreuen, kann ich die Finanzierung der Kinder nicht mehr auf dem bisherigen Maß halten (der Richter konnte nachweislich mit dem Dreisatz rechnen.) In dem Fall würde die Mutter ggfls. das ABR erhalten. Sie wäre als Frau sowieso nicht in der Lage, neben einem großzügigen Umgang einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Da die Kinder "in absehbarer Zeit sicherlich" eh zur Mutter kämen, dürfe ich keinesfalls jetzt meine Verdienstchancen einschränken. Ich müsse in Zukunft ja dann viel Unterhalt für die Kinder zahlen. - Es gibt noch Richter mit Weitblick, hüstel. Und er hat mit Sicherheit den von mir zu leistenden Barunterhalt an die Kids gemeint nach deren Volljährigkeit ...

    Was ich mit der Anekdote sagen will: Beim Unterhalt jenseits des Mindestunterhalts, also jenseits von der Zahlung von Sozialgeldern, die aus der Tasche der Allgemeinheit fließen, gibt es im Punkt Unterhalt die schrägsten Argumentationen und die schrägsten "Hinweise", Vergleiche, Urteile. In jegliche Richtung.

    Wenn hinter Deiner Frage, Rosefield, auch der Gedanke an den Barunterhalt mit einfließen sollte (wie ich darauf nur komme, lach): Da werdet ihr als Eltern ja gemeinsam nach Einkommen berechnet. Und gedeckelt. Gezwungen werden kann man da nur auf den Bedarf, grob den (anteiligen) Bafög-Satz. Das "Mehr" an Zahlung ist dann elterliche Nettigkeit. Und da ist der eine nett, der andere vielleicht nicht ...


    Der immerwährende Praxistipp: Kurz durchsprechen mit der RÄ. Und dann weglächeln. (Man kann ja nicht immer die Voodoo-Puppe einsetzen. Und die Nadeln sind eh gerade aus ...)

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Voodoo Puppe... Ich hatte in Boston eine Mitbewohnerin aus Kenia. Ihre Mutter war öfters zu Besuch und bot regelmäßig an unsere Probleme mit Voodoo Puppen zu lösen.


    Ich danke Dir aber für Deine Antwort. Ich würde gerne meine Stunden reduzieren aber noch traue ich es mich nicht. Die Lütte will ja ein Jahr ins Ausland und Sohnemann studieren plus Haus und Hof...


    Du bestätigst aber dass es wirklich querbeet entschieden wird.

  • Du solltest einen von Anfang an hinterlegten "guten Grund" haben - den Du nicht zwingend Ex mitteilen musst.


    Ich vermute "aus dem Stand", dass man weder bei Dir noch am Ex im Falle des Falles rütteln kann und es fällt "Mehrarbeitpflicht" vom Baum.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.