Michael Winterhoff, langjähriger Erziehungsprägender, ab Februar vor Gericht

  • Über die Jahre und sogar Jahrzehnte (2008 wohl erstmals nach Veröffentlichung seines Spiegel-Bestsellers "Warum unsere Kinder Tyrannen werden" ...) haben wir hier im Forum die ein oder andere These des zwischenzeitlich sehr gehypten Kinder- und Jugendpsychiaters Michael Winterhoff (teils kontrovers) diskutiert. Seine deutschlandweiten Vorträge füllten Veranstaltungssäle teils im vierstelligen Bereich. Mit seinen Thesen war er Gast bei ARD und ZDF, Interviewpartner in der Printpresse von Stern bis Spiegel. "Kleiner Tyrann" ist nahezu sprichwörtlich geworden als Beschreibung für manches Kinderverhalten. Seine Bücher beherrschten neben Jasper Juul ("Nein aus Liebe" oder "Das kompetente Kind") und Claudia und David Arp ("Und plötzlich sind sie 13, oder: Von der Kunst einen Kaktus zu umarmen" und dem deutlichen Gegenbuch zu Winterhoffs "Tyrannen" "Mit dem Kopf durch die Wand") den Erziehungsratgebermarkt.

    Nach langjährigen Ermittungen muss Winterhoff sich nun ab 12. Februar vor dem Landgericht Bonn zum Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in 36 Fällen verantworten. Es soll geklärt werden, ob die von ihm verordnete Psychopharmaka für Kinder einer medizinischen Indikation folgten.


    Grundsätzlich vorgeworfen wird ihm u.a. von Fachleuten und Betroffenen seine Standarddiagnose "frühkindlicher Narzissmus", die häufig als Grundlage für die Verabreichung von ruhigstellender Psychopharmaka gedient haben soll.


    Die sogenannte Jahreslosung der christlichen Kirchen für das Jahr 2025 (eine Art Jahresmotto) erweist sich da als wichtiger Hinweis und guter Rat auch in allen Erziehungsfragen: "Prüfet alles und behaltet das Gute!", hat der christliche Apostel Paulus vor knapp 2000 Jahren bereits empfohlen.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Nicht nur Medikation ohne medizinische Indikation, er hat auch immer wieder dafür gesorgt, dass Kinder in Fremdunterbringung kamen durch nicht sachgemäße Gutachten/ Stellungnahmen.

    Gut, dass er endlich vor Gericht steht.

    Liebe Grüße
    Die Elefantendame


    Umwege erweitern die Ortskenntnis

    Einmal editiert, zuletzt von elefantendame ()

  • Nicht nur Medikation ohne medizinische Indikation, er hat auch immer wieder dafür gesorgt, dass Kinder in Fremdunterbringung kamen durch nicht sachgemäße Gutachten/ Stellungnahmen.

    Hast Du da zufällig Anbindungen, Belege u.ä.? Es hat m.W. im Nachhinein manchen Vorwurf gegeben. Und es hat Verfahren gegeben, in denen Betroffene (bzw. die Eltern) erfolgreich ein Gegengutachten gefordert und bekommen haben. (Auf seiner eigenen "Spielwiese", dem direkt neben seinem Bonner Praxisstandort gelegenen Rhein-Sieg-Kreis hat es ja von Anfang an hohe Kritik gegeben. Das dortige JA hat jegliche direkte Zusammenarbeit verweigert, die Zusammenarbeit mit Einrichtungen aufgekündigt, die von Winterhoff betreut wurden. Und das noch vor seinem ersten Buch.) Aber den belastbaren Nachweis von nicht sachgemäßen Gutachten - gibt es den?

    Liebe Grüße



    Bap



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  • Ich hab mal eine Sendung dazu gesehen, es hatte eine Mutter geklagt und auch recht bekommen, aber erst nach vielen Jahren der FU. Die Tochter war 16, als sie zurück zur Mutter kommen konnte, das war echt eine traurige Geschichte. Mal sehen, ob ich das finde, dann verlinke ich es.

    Liebe Grüße
    Die Elefantendame


    Umwege erweitern die Ortskenntnis

  • Danke! Aja. Ein bekannter Fall. Das war mutmaßlich der mit dem Gegengutachten. Da hat sich dann das Gericht dem Gegengutachten angeschlossen. Ist aber wohl kein Nachweis für "Fehler" im Winterhoff-Gutachten (banal gesagt: Es werden sich keine Schadenersatzansprüche begründen lassen. Sind halt "nur" unterschiedliche Meinungen von Wissenschaftlern ...).


    Im anstehenden Verfahren ist es m.W. erstmalig, dass die Staatsanwaltschaft meint, belastbare Beweise für ein Fehlverhalten vorliegen zu haben. Und das wird eine große Geschichte. Ich meine gehört zu haben, es seien 40 Verhandlungstage angesetzt worden.

    Liebe Grüße



    Bap



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  • Mittlerweile läuft der fünfte Verhandlungstag. Winterhoff ist in 36 Fällen angeklagt. Er soll, so der Hauptvorwurf, Arzneimittel ohne entsprechende Indikation verschrieben haben. Derzeit werden betroffene (ehemalige) Kinder und deren Eltern angehört. Das gestaltet sich anscheinend sehr schwierig und unter hohen Belastungen der Betroffenen.


    Der Bonner Generalanzeiger hat ausführlich über einen Prozesstag am vergangenen Mittwoch berichtet. Eine bewegende Reportage, die viel von der Prozessproblematik aufzeigt:

    https://ga.de/bonn/stadt-bonn/…-winterhoff_aid-124349647

    Liebe Grüße



    Bap



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  • Da gab es gestern was im TV...ich musste wegschalten, weil er 1x im Monat bis zu 30 Kinder aus verschiedenen Bundesländern hat ankarren lassen. Die Krankenkassenkarten wurden vom Fahrer eingesammelt und diese dann der Sprechstundenhilfe zum einsacannen gegeben hat. Es wurden ja auch Erzieher und Sozialpädagogen gehört...und da musste ich dann umschalten. Wieso haben die so lange den Mund gehalten. Warum ist den Krankenkassen da nichts aufgefallen. Die Kinder kamen ja alle in bestimmte Heime. Und die Erziehungsansätze waren grauenhaft.

  • Ich bin mir nicht sicher, ob die Erzieher und Sozialpädagogen "so lange den Mund gehalten" haben. Soweit ich mich erinnere, war es eine zeitlang eine Sonderstellung, wenn eine Einrichtung damit werben konnte, von Winterhoff betreut zu werden. Und er war gern gesehener Referent auf Fachtagungen. Sein pädagogisches Konzept hat sowohl bei Fachleuten als auch bei Eltern viel Zustimmung ausgelöst. (Ich habe an meinem damaligen Wohnort, einer Kreisstadt mit 75.000 Einwohnern, mitten in der Woche einen Winterhoff-Vortrag mit über 1000 Eltern erlebt, die jeweils 15 Euro Eintritt gezahlt hatten.)


    Doch wegen des pädagogischen Konzepts steht er nicht vor Gericht. Es geht wohl darum, ob die medizinische Betreuung und die Medikamentierung der (Heim)Kinder medizinischer Stand war oder Körperverletzung.

    Liebe Grüße



    Bap



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  • Wie gesagt, seine schwarze Pädagogik ist gruselig.

    Auch das angewendete Medikament nicht unbedingt für Kinder geeignet.

    Er hat sich die Taschen auf Kosten der Kinder voll gemacht.

    Ich hoffe, er wird richtig bestraft

    Über den pädagogischen Ansatz habe ich mich damals schwer geärgert und fand den von Claudia und David Arp viel menschenwürdiger. Aber viele Eltern wie auch Pädagogen haben Winterhoff abgefeiert.


    Ob die Medikamentierungen möglich und sinnstiftend waren, dass ist genau der Gegenstand des Verfahrens. 40 angesetzte Verhandlungstage sind kein Zeichen dafür, dass das eine glasklare Sache ist.


    Abgerechnet hat Winterhoff ganz normale Kassensätze, vermute ich. So gesehen macht sich dann jeder Arzt, jeder Therapeut "auf Kosten der Patienten" die Taschen mehr oder weniger voll. (Winterhoff wird das mit seinen Büchern und Vorträgen, vielleicht auch Gutachten in stärkerem Maße geschafft haben als mit seinen Behandlungen, vermute ich).


    Wenn er sich falsch verhalten hat, dann gehört er bestraft. Ob schlechte/schwarze Pädagogik strafbar sein sollte (Ich finde zB auch die esoterische Waldorfpädagogik "schwierig". Aber das ist für mich noch kein Grund, eine "richtige Bestrafung" für Rudolf Steiner und aktuelle Waldorfpädagogen zu fordern.

    Liebe Grüße



    Bap



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  • "Warum unsere Kinder zu Tyrannen werden" empfinde ich als einen sehr schmissigen Buchtitel. Das dürfte so manch Pädagogen und Elternteil schon einen verstehenden Seufzer entlockt haben. Ich habe es tatsächlich gelesen, zwei Dinge, die mir hauptsächlich nicht gefallen: Individuelle Elternkompetenzen finden kaum Beachtung und das Erfahrungsfeld der Selbstwirksamkeit von Kindern und jungen Menschen wird meiner Meinung nach völlig ausgeblendet. Letzteres halte ich persönlich für unabdingbar für eine " gesunde" Eltern- Kind- Bindung und eine " gesunde" Entwicklung des Kindes.


    Elternratgeber sind keine Kochbücher, auch wenn das gerne suggeriert wird. Je nachdem mit welchem Rüstzeug solche Ratgeber gelesen werden, kann das mit dem heiligen Gral verwechselt werden. Die Verzweiflung oder auch Verunsicherung muss nur groß genug sein.

    Strafbar ist das nicht.

    Es gibt einige Erziehungsratgebende und Ratgeber deren Ansätze ich auch gut und spannend finde und auch den einen oder anderen Augenöffner für mich beinhaltet haben. Eher als Inspiration als eine Zutatenliste.


    Und natürlich gehört er tüchtig bestraft, wenn er seine Stellung genutzt hat , um seine Thesen zu stützen mit z.B. ungerechtfertigter Vergabe von Psychopharmaka oder/ und Kinder, Jugendliche und Eltern in die Irre geführt und somit misshandelt hat.

    Das muss das Gericht entscheiden.

  • Der Antrag der Staatsanwaltschaft, die Klage zu erweitern, ist vom Gericht abgelehnt worden.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Die Pressestelle des Landgerichts Bonn hat jetzt nach einer Anfrage des Regionalradios Bonn/Rhein-Sieg erklärt, das Verfahren würde deutlich länger dauern als bisher geplant. So der Radiosender heute. Nicht im August diesen Jahres, sondern wohl erst 2026 sei mit einem Urteil zu rechnen. Grund dafür seien zahlreiche Anträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Beide Seiten würden immer mehr Dokumente ins Verfahren einbringen und weitere Zeugen benennen.

    Winterhoff ist in 36 Fällen angeklagt, (minderjährige) Patienten ohne entsprechende Indikation mit Psychopharmaka ruhiggestellt zu haben.

    Laut einem Gerichtssprecher sei im Grunde jeder Fall als Einzelfall zu behandeln und müsse einzeln verhandelt und beurteilt werden.

    Liebe Grüße



    Bap



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    Einmal editiert, zuletzt von Volleybap ()