Ich hab es in vielen Situationen geschafft, übergriffige, zu nah kommende... Männer verbal zu stoppen und mich aus möglicherweise gefährlichen Lagen rechtzeitig rauszumanövrieren. Beim Trampen, auf Partys, an roten Ampeln, in der U-Bahn, auf der Arbeit...
Ich hab es gleichzeitig jahrelang nicht geschafft, mich aus einer psychisch und verbal gewalthaltigen Beziehung zu lösen, ich habe mich erniedrigen und beschimpfen lassen und - manchmal meinen Körper hingehalten, wenn ich keine Lust hatte, aber er.
Warum? Heute sage ich: Weil ich - und er - in einer Gesellschaft sozialisiert und in Familien aufgewachsen sind, in denen tradierte Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit gar nicht (er) oder nur in ersten Ansätzen (ich) in Frage gestellt wurden - und wie haben das in unserer Version übernommen. Sein Beschützertum beschützte mich und unsere Tochter als sein Eigentum, nicht als seine Mitmenschen. Ich habe mir erst eingebildet, "ihn zu ändern" und dann geglaubt, dass ich das jetzt durchziehen müsse als Ehe - wie all meine weiblichen Vorfahren.
Hilfsangebote von Familie, Freund*innen, von außen kamen nicht durch - ich hab diese giftige Brühe von Ehe ja noch verteidigt. Helfer resignieren auch irgendwann...
Und hab mich geschämt, auch danach noch lange, dafür, dass das "mir passiert ist", ausgerechnet mir.
Gewalt kommt selten plötzlich und selten allein. Femizide sind die Spitze, darunter sind die "ganz normalen" Machtstrukturen. M.E. bauen die immer noch auf patriarchalen Muster auf und es lohnt, darüber nachzudenken und eigene Vorstellungen zumindest zu reflektieren.
Hoffe, die Bezahlschrank ist durch den "Geschenklink" meines Abos weg: