Überdurchschnittlich viele Kinder von AEs in Heimen und Pflegefamilien

  • Das Statistische Bundesamt hat aktuelle Zahlen zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen in Heimen und Pflegefamilien (rund 50% Inobhutnahmen) veröffentlicht nach Auswertung der vorliegenden Daten von 2021. Insgesamt waren 210.000 junge Menschen betroffen. Überdurchschnittlich viele stammten aus AE-Familien. Hier die Pressemitteilung des DESTATIS:



    Im Jahr 2021 lebten in Deutschland rund 122.700 junge Menschen in einem Heim und rund 87.300 in einer Pflegefamilie. Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilt, wuchsen damit 210.000 junge Menschen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe – zumindest vorübergehend – außerhalb der eigenen Familie auf. Das waren 6.700 weniger junge Menschen als im Vorjahr (‑3 %). Damit ist die Fallzahl das vierte Jahr in Folge gesunken.


    Insgesamt ging die Zahl der in Heimen oder Pflegefamilien untergebrachten jungen Menschen in den vier Jahren seit 2017 um 29.600 Fälle (-12 %) zurück, nachdem sie ab 2014 stark gestiegen war und 2017 mit 240.000 Fällen ihren Höchststand erreicht hatte. Diese Entwicklung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ehemals unbegleitet eingereiste Minderjährige die Heime oder Pflegefamilien, in denen sie zeitweise untergebracht waren, nun verstärkt wieder verlassen.


    Eltern waren in gut jedem zweiten Fall alleinerziehend

    In vier von fünf Fällen (80 %) waren die jungen Menschen, die 2021 außerhalb der eigenen Familie betreut wurden, minderjährig. In etwa jedem zweiten Fall waren sie unter 14 Jahre (49 %). Ein Fünftel (20 %) zählte zu den sogenannten „Careleavern“, waren also junge Erwachsene am Übergang in ein selbstständiges Leben.


    Während jüngere Kinder bis zum Alter von 10 Jahren häufiger in Pflegefamilien betreut wurden, überwog ab dem 11. Lebensjahr die Erziehung in einem Heim. Generell wurden etwas mehr Jungen als Mädchen außerhalb der eigenen Familie erzogen (54 %), das traf besonders auf Heime zu (56 %). Dabei endete eine Heimerziehung im Schnitt nach 21 Monaten, die Unterbringung in einer Pflegefamilie dagegen nach durchschnittlich über vier Jahren (49 Monate). Mit Blick auf die Herkunftsfamilie waren die Eltern der jungen Menschen

    • zu 51 % alleinerziehend,
    • zu 19% Elternteile in neuer Partnerschaft,
    • zu 17 % zusammenlebende Elternpaare.

    In 67 % der Fälle bezogen Betroffene oder ihre Familien Transferleistungen

    Auffällig ist, wie häufig sich die Betroffenen beziehungsweise ihre Herkunftsfamilien nahe dem Existenzminimum bewegten: In 140.400 oder 67 % aller Fälle lebten die jungen Menschen selbst oder ihre Herkunftsfamilien vollständig oder teilweise von Transferleistungen. Dazu zählten

    • Arbeitslosengeld II (SGBII),
    • Sozialhilfe oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGBXII),
    • ein Kinderzuschlag.

    Besonders belastet waren auch hier offensichtlich wieder Alleinerziehende: In insgesamt 106.900 Fällen waren die Eltern der jungen Menschen, die 2021 in einem Heim oder einer Pflegefamilie aufwuchsen, alleinerziehend. In 81.300 Fällen bezogen diese alleinerziehenden Elternteile oder die betroffenen jungen Menschen selbst Transferleistungen. Damit lag der Anteil der Transferleistungsbezieher in dieser Personengruppe bei 76 % – deutlich über dem vergleichbaren Anteil von Elternteilen in neuer Partnerschaft (64 %) und zusammenlebenden Elternpaaren (63 %).


    Gründe für neue Unterbringungen

    In gut einem Viertel aller Fälle (26 %) haben die Träger der Kinder- und Jugendhilfe die Unterbringung in einer Pflegefamilie oder einem Heim im Jahr 2021 neu eingeleitet. Gründe dafür waren

    • in 18 % der Fälle eine sogenannte Unversorgtheit des jungen Menschen, verursacht etwa durch den Ausfall der Bezugsperson infolge einer Erkrankung oder durch eine unbegleitete Einreise aus dem Ausland.
    • in 17 % der Fälle die Gefährdung des Kindeswohls durch Vernachlässigung, körperliche Misshandlung, psychische Misshandlung oder sexuelle Gewalt,
    • in 14 % der Fälle die eingeschränkte Erziehungskompetenz der Eltern, z.B. pädagogische Überforderung, Erziehungsunsicherheit oder unangemessene Verwöhnung.

    Pressemitteilung Nr. 454 des Statistischen Bundesamts

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Erschreckend.

    Die Frage ist, ob und welche Konsequenzen daraus gezogen werden. Ich befürchte, dass nichts passiert und sich keine Gedanken darüber gemacht werden, warum es so häufig AEs und einkommensschwache Familien trifft und wie man diese Familien sinnvoll unterstützen kann.

  • warum bekommen die beroffenen Familien das nicht alleine hin?

    Die Möglichkeiten sind doch da? Sie werden halt nicht genutzt. Was willst du da machen?


    Und es "trifft" ja nicht einkommensschwache Familien, das ist ja kein Naturereignis, was über einen kommt.


    Aber wenn, dann würde ich bei der Bildung in der sozialien Integration der Kinder anfangen. Ein verpflichtender Kindergartenbesuch zum Beispiel halte ich für sinnvoll.

    wenn meine Meinung deine sein müsste hieße sie "Deinung"

  • 50 % sind ü14 Jahre - das sind oft problematische Familienverhältnisse die über Jahre gewachsen sind plus Pubertät

    - ein Teil sind auch unbegleitete Flüchtlinge


    Kleine Kinder (u6) sind wirklich bedauerliche Einzelfälle, die gab es schon immer und natürlich ist es alleine und mit wenig Geld auch dreimal schwerer....

  • mit Ü14 ist der Drops mMn für die Familie abe schon gelutscht. Da ist es für den Jugendlichen besser, in einer Pflegefamilie aufzuwachsen, wo er Erwerbstätigkeit, Haushaltsführung, Zuverlässigkeit etcpp. kennenlernt.

    wenn meine Meinung deine sein müsste hieße sie "Deinung"

  • warum bekommen die beroffenen Familien das nicht alleine hin?

    Die Möglichkeiten sind doch da? Sie werden halt nicht genutzt. Was willst du da machen?


    Und es "trifft" ja nicht einkommensschwache Familien, das ist ja kein Naturereignis, was über einen kommt.

    Welche Möglichkeiten sind da?


    Natürlich ist das kein Naturereignis. Die Tatsache, dass eine belastende finanzielle Situation gekoppelt mit wahrscheinlich auch beruflichem Stress nicht unbedingt zu einer entspannten Familiensituation führt, ist ein Prozess.

  • eine belastende finanzielle Situation kann nicht nachhaltig durch Transferleiustungen verändert werden sondern muss von den betroffenen Familien selber kommen.

    Meist fehl es da an intrinsischer Motivation.

    Und ich würde die belastende finanzielle Situation nicht unbedingt mit beruflichem Stress in Verbindung bringen sondern eher mit dem Gegenteil.

    wenn meine Meinung deine sein müsste hieße sie "Deinung"

  • unangemessene Verwöhnung.

    Was versteht man denn darunter?

    LG
    CoCo




    Halte mich fern von der Weisheit, die nicht weint; von der Philosophie, die nicht lacht und von der Größe, die sich nicht vor Kindern verneigt.
    ~ Kalil Gibran ~

  • Einengen, helikoptern, ungesund enge Beziehung

    Das ist mir zu allgemein... Den Begriff "helicoptern" kann ich eh nicht mehr hören. :rolleyes:

    LG
    CoCo




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    ~ Kalil Gibran ~

  • Was versteht man denn darunter?

    Die Wortwahl ist sicherlich ein Euphemismus, ein Stilmittel der Beschönigung für solche Fälle, wie ich sie mal erlebt habe: Ein achtjähriges Mädchen mit 30 Kilo Übergewicht wurde aus der Familie entnommen, weil die Mutter sie mit Unmengen Chips und Eistee großgezogen hat, das Kind in Stöckelschuhen und durchgeschminkt zur (Grund)Schule gefahren wurde und sich (vermeintliche) Freundschaften mit von den Eltern bereitgestelltem Geld erkauft hat.


    Und es "trifft" ja nicht einkommensschwache Familien, das ist ja kein Naturereignis, was über einen kommt.

    Destatis schreibt: "In 67 % der Fälle bezogen Betroffene oder ihre Familien Transferleistungen."

    67% liegen weit über dem prozentualen Anteil der Transferbezieher in Deutschland. Da kann man schon darüber nachdenken, ob Armut mit der Unterbringung in Verbindung zu bringen ist. An welcher Stelle dann genau, darüber kann man sicherlich spekulieren und so manche Vermutung anstellen.


    Aus (älteren) Studien weiß man, dass Bildung und Einkommen häufig miteinander korrespondieren. Als (verdientes) Ergebnis von Bildung. Umgekehrt sind finanzielle Möglichkeiten auch ein Einstieg in Bildungsmöglichkeiten: Aber auch, dass Finanzkraft mehr Möglichkeiten bedeutet, soziale Auffälligkeiten zu überspielen. Hier solche Möglichkeiten anzudenken, ist sicherlich begründet. Andere Erklärungsansätze sind aber sicherlich auch denkbar und belegt.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Vermutlich sind die Zahlen nur geringen Schwankungen unterworfen, die Probleme längst bekannt. - Ändert sich nur leider nichts.


    Je nach Interessenlage kann man sie verschieden interpretieren:

    zum Thema Elternteile in Transferleistungen:

    1. die können sich auch weniger wehren, z. B. gute Anwälte bezahlen bzw. sind "leichtere Opfer"

    2. Ressourcen gehen drauf für "Lebensunterhalt" sichern - da sind ja bekanntermassen auch viele Aufstocker dabei, die zur Arbeitseinkommen zusätzlich Leistungen (die mit Kinderzuschlag definitv) beziehen und dann fehlt die Zeit und Geduld nach Job und Ämterschreiben/Anträge ausfüllen eben ggf. bei den Kindern


    Konfliktpotential mit EX- oder neuem Partner haben Familien im klassischen Modell nicht.


    Ich finde, die Zahlen sollten da ein wenig besser aufbereitet werden.


    Leider werden die Daten in der breiten Öffentlichkeit (und damit Politik) aber eher dem RTL-Mainstream untergeordnet werden ..... Schade eigentlich.


    Interessant fände ich auch die Kosten für die reine Verwaltung in dem Zusammenhang.

    Kann mich erinnern. dass doch mal im Gespräch war, uns mit Gutscheinen für Haushaltshilfen zu unterstützen........

  • Die Frage ist doch, ob der Zusammenhang überhaupt kausal ist. Müssen die Kinder untergebracht werden, weil die Eltern Transferleistungen erhalten? Oder sind die Eltern grundsätzlich nicht belastbar, was dazu führt, dass sie keine Ausbildung abschließen konnten, im Berufsleben nicht bestehen können und dann eben auch die Erziehung ihrer Kinder nicht „hinkriegen“?
    Im Grunde hätte man vermutlich schon in der Kindheit der ELTERN Hilfen bieten müssen…

    Liebe Grüße
    Die Elefantendame


    Umwege erweitern die Ortskenntnis

  • Menschen mit Transferleistungen erhalten idR Verfahrens Kostenhilfe.

    Da ist es eher die Mittelschicht, die sich keinen Anwalt leisten kann

    Das bedeutet nicht automatisch, dass sie in der Lage sind, diese zu beantragen; einen Anwalt zu suchen, etc. Wenn es offenbar eh schon Überforderung gibt...

    LG
    CoCo




    Halte mich fern von der Weisheit, die nicht weint; von der Philosophie, die nicht lacht und von der Größe, die sich nicht vor Kindern verneigt.
    ~ Kalil Gibran ~

  • Das bedeutet nicht automatisch, dass sie in der Lage sind, diese zu beantragen; einen Anwalt zu suchen, etc. Wenn es offenbar eh schon Überforderung gibt...

    so ein kleines bisschen Eigenverantwortung muss aber schon sein.

    Und warum sollte die Erfolgsaussicht nicht gegeben sein?

    Bei meinen Verfahren vor dem GamGericht wusste auch niemand, wie das ausgehen wird. VKH bekam ich dennoch.

    Nun bin ich knapp über der Grenze zum Wohngeldbezug, bekäme keine VKH aber einen Anwalt kann ich mir trotzdem nicht leisten

    wenn meine Meinung deine sein müsste hieße sie "Deinung"

  • Ich finde, die Zahlen sollten da ein wenig besser aufbereitet werden.

    Diesmal habe ich nicht geguckt. Aber die Ergebnisse des letzten Mikrozensus und dann die Auswertungen an verschiedenster Stelle haben ein paar 1000 Seiten umfasst. Das ist ja jetzt nur die Pressemeldung zu einem ganz kleinen Bereich. Die ganz vielen Auswertungen kommen jetzt noch.


    Wenn es jedoch um eine einfachere Darstellung geht: Destatis arbeitet visualisiert mit Tabellen und grafischen Darstellungen. Die packt nur unsere Forensoftware nicht ...

    Liebe Grüße



    Bap



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  • so ein kleines bisschen Eigenverantwortung muss aber schon sein.

    Hier ist die Rede von Eltern, deren Kind(er) aus der Familie genommen werden sollen; also auf Deutsch, die Ka..e bereits richtig am dampfen ist. Da finde ich diesen Eigenverantwortungs-Spruch nicht angebracht.

    LG
    CoCo




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    ~ Kalil Gibran ~