Noch einmal eine Zuständigkeitsfrage

  • Folgendes Szenario mit Bitte um Unterstützung:


    US Familie stationiert in Deutschland unter SOFA (Statute of Forces Agreement). Er wird gewalttätig gegenüber seiner Frau, seinen Kindern aber auch dem Au-Pair gegenüber (hat versucht das Mädchen zu erwürgen). Bis auf das Au-Pair sind alle US Staatsbürger und ohne deutschen Aufenthaltstitel hier in Deutschland. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, wie der Status des Au-Pairs ist.


    Ehemann wird in Hessen strafrechtlich verfolgt. Ehefrau hat die Trennung initiiert und möchte nach "Hause". Ehemann argumentiert, dass sie im Falle eines Rückzugs die Haager Konventionen missachtet und Kindesentführung durchführt. JAG, Judge Advocate General - Anwälte auf der Base, bestätigen, dass dies eine Kindesentführung wäre. Abgesehen davon, hat der Ehemann die Konten leergeräumt.


    Ich habe das Gefühl, dass das eine Falschinformation ist. Die Ehefrau als auch die Kinder würde nach der Scheidung sofort das Aufenthaltsrecht unter SOFA verlieren. Hier kann doch eigentlich nur das Familiengericht des zugehörigen US Bundesstaates greifen, oder? Die Familie ist hier nicht gemeldet, geht auf keine deutsche Schule etc. Was vielleicht noch wichtig ist, als US Bürger gilt man in den USA lebend, wenn man unter dem SOFA Status im Ausland (hier Deutschland) eingesetzt wird. SOFA gibt es für Militär, US Regierungsangestellte und ich meine, US Diplomaten.


    Was mir wirklich sehr viel Kummer bereitet ist, dass diese Ehepartner unter SOFA hier scheinbar zum juristischen Freiwild werden. (Ich kenne einen anderen Fall, in dem die vietnamesische Ehefrau unter SOFA und nicht Schengen Visum verlassen wurde und der Ehemann verschwand. Sie wurde ohne Geld und legalen Status zurückgelassen und keiner fühlt sich dann für diese Ehepartner zuständig). Oder gibt es hier eine Regelung oder rechtliche Grundlage, die ich nicht kenne?


    Die Ehefrau ist mit allem so durch den Wind und versteht natürlich auch kein Deutsch. Ich hatte gehofft, Ihr könntet ihr helfen. Es gibt einige Anwälte die beide Seiten verstehen aber davon leider nicht viele.


    Liebe Grüße

  • Letzteres ist ein Vorgang, den in D mutmaßlich kein Familiengericht anpackt. Während die strafrechtliche Ermittlung mutmaßlich vor allem wegen des Aupairs ein Fall für die deutsche Staatsanwaltschaft ist. Wenn da ausermittelt ist, wird die große Frage sein, ob die Sache vor ein deutsches Gericht geht oder vor ein US-amerikanisches Gericht. Da könnte, wohlgemerkt könnte entscheidend sein, ob die US-Gerichtsbarkeit die Gewalt gegen die Ehefrau und die Kinder so hoch einstuft, dass der Vorgang gegen das Aupair als Nebensache mit läuft.


    Wenn ich mich recht an vergleichbare Fälle aus früheren Zeiten erinnere - (Rosie, du weißt, glaube ich, wo und in welchem "US-Umfeld" ich gelebt habe ...) -, dann haben sich US-Eltern auch in irgendeiner Form zu entscheiden, wo die Kinder nach einer Trennung/Scheidung leben. Kommt es hier nicht zu einer einvernehmlichen Einigung und ein Elternteil entscheidet einfach, dann ist das ggfls. ein Kindesentzug. Da hier aber alle betroffenen Personen der US-Gerichtsbarkeit unterliegen durch das SOFA-Abkommen, greift hier mutmaßlich nicht die Haager Konvention. Der prügelnde Vater müsste sich, so die Mutter mit Kindern in die USA zurückkehrt ohne sein Einverständnis schlicht an die US-Gerichtsbarkeit wenden und sehen, ob und wie weit er dort kommt.


    Ich mutmaße, in die Richtung könnte ihn auch der JAG aufgeklärt haben. Das Drohgebärde "Haager Konvention" ist da vielleicht eher die märchenhafte Ausgestaltung der Geschichte durch den Vater, behaupte ich jetzt erst einmal "steil". Klingt "gut", macht Angst und Druck. (Anders sähe es aus, wenn die Mutter sich in ein Nicht-US-Land begeben will mit den Kindern.)


    Insofern sehe ich im Moment auch noch nicht, dass hier ein deutscher Anwalt gesucht werden müsste. Das wäre eine Empfehlung, wenn Kinder und Mutter hier in Deutschland bleiben wollten. Aber wenn sie schnell, kurzfristig und ohne den Vater/Ehemann in die USA zurück wollen, geht es vor allem darum, dass die Kids mitreisen dürfen und ohne weiteres einreisen. In den USA ist das dann eine ganz normale Scheidungsauseinandersetzung. Da gibt es, wenn ich es recht im Hinterkopf habe, je nach Bundesland mal günstigere, mal ungünstigere Gesetzeslage für die eine oder andere Seite ...


    Wird doch der deutsche Fam-Anwalt gesucht, dann sollte man in den Orten suchen, wo größere Kontingente von US-Soldaten stationiert sind. Wenn überhaupt, gibt es dort (noch) "Praktiker". Die müsste man wahrscheinlich abtelefonieren und die Gretchenfrage stellen: "Wie hältst du's mit dem US-Recht ...?"

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • @ Bap - herzlichen Dank. Diese Frau ist komplett überfordert und leider hilft das US Militär eher den aktiven Militärangehörigen als den Familienmitgliedern, wenn man nicht genau weiss, wo man fragen muss. Und der ein oder andere lässt sich da schnell einschüchtern. Fairerweise muss ich sagen, dass ich bisher mit JAG nur gute Erfahrungen gemacht habe aber ich habe ja auch einen Heimvorteil.


    Es ist unglaublich, wie viele Mythen es hier gibt. U.a. fordern viele deutsche Ehepartner keinen Versorgungsausgleich, sofern diese sich in Deutschland scheiden lassen. Es besteht die Auffassung, dass einem EU Bürger nichts zusteht. Nirgendwo ist dies im Gesetz aufzufinden aber diese Wahrnehmung ist recht hartnäckig. Mittlerweile wird dies auch den aktiven Militärangehörigen so kommuniziert: "Lass Dich in Deutschland scheiden, dann gibt es keinen Versorgungsausgleich". Viele deutsche Eltern sind auf der anderen Seite einfach froh, wenn sie alleiniges Sorgerecht bekommen.


    Ganz bescheiden dran sind aber diejenigen, die hier unter SOFA fallen und irgendwie zwischen den Stühlen sitzen, die Sprache vor Ort nicht sprechen, keine Arbeitsgenehmigung haben und der Ehepartner häusliche Gewalt anwendet. Der Abhängigkeitsgrad ist enorm hoch, die Familien auf einem anderen Kontinent und somit sind diese Partner einfach isoliert. Bei der hohen Anzahl an US Familien, passiert es leider häufiger. Es nimmt mich einfach sehr mit.

  • Es ist unglaublich, wie viele Mythen es hier gibt. U.a. fordern viele deutsche Ehepartner keinen Versorgungsausgleich, sofern diese sich in Deutschland scheiden lassen. Es besteht die Auffassung, dass einem EU Bürger nichts zusteht. Nirgendwo ist dies im Gesetz aufzufinden aber diese Wahrnehmung ist recht hartnäckig. Mittlerweile wird dies auch den aktiven Militärangehörigen so kommuniziert: "Lass Dich in Deutschland scheiden, dann gibt es keinen Versorgungsausgleich". Viele deutsche Eltern sind auf der anderen Seite einfach froh, wenn sie alleiniges Sorgerecht bekommen.

    Wenn nach deutschem Recht vor einem deutschen Gericht geschieden wird, gibt es grundsätzlich einen Versorgungsausgleich. Es ist umgekehrt: Er muss nicht gefordert werden, sondern es müsste aktiv durch gemeinsame Erklärung auf den Versorgungsausgleich verzichtet werden. Und selbst dann kann diese Erklärung nichtig sein: Wenn sie einen der Beteiligten grob benachteiligt und/bzw. der Allgemeinheit dadurch Kosten auferlegt würden durch Zahlung von Sozialgeldern. Allerdings kann in der Regel kein "deutscher" Versorgungsausgleich durchgeführt werden: Die Scheidungswilligen haben ja oft keine deutsche Rentenanwartschaft/keine deutschen Rentenpunkte erworben. Oder nur der eine Partner, während der andere aus den USA seinen Lohn bekommt. Hier wird oft der Weg gesucht, diese Sachen in den Vermögensausgleich einzubeziehen. (Rentenabsicherung in den USA ist ja oft freiwillig und vielleicht wie eine kapitalbildende Lebensversicherung zu sehen oder ein kapitalbildendes Fontsparen. Solche "Rentenabsicherungen" sind mit Stichtag heute schlicht nicht "ausgleichsreif". - In Deutschland kennen wir das noch aus der Nachwendezeit: Dort konnte der Versorgungsausgleich mit in der DDR erworbenen Rentenpunkten erst Jahre später berechnet werden.).

    Bei US-Ehen muss eine Klärung ggfls. bei Renteneintritt erfolgen - was natürlich bedeutet, der Expartner muss bis zum Renteneintritt Zugang zum Ex halten und dann den Ausgleich ggfls. via Gericht in den USA einfordern. Sicherlich nicht einfach. Einen entsprechenden Rechtsanspruch formulieren deutsche Gerichte in solchen Fällen in das Scheidungsurteil hinein bzw. das Gericht gibt den Hinweis auf diesen Rechtsanspruch mündlich (und die Prozessbeteiligten haben das drei Sekunden später vergessen, wenn sie es überhaupt verstanden haben ...) Das könnte alles zur verkürzten Aussage führen: Lass dich in D scheiden. Da gibt es keinen Versorgungsausgleich ...

    Hinzu kommt: Scheidungsrecht in den USA ist Bundesländerrecht. Jeder US-Bundesstaat hat seine eigene Scheidungsgesetzgebung. Von diesem Recht gehen Betroffene beim Vergleich zu anderen Rechtsformen meist aus. Keine einfache Materie, um Dinge zu erklären.



    Andererseits wird bei einer "deutschen" Scheidung in der Regel kein alleiniges Sorgerecht einem Elternteil zugeteilt. Dafür müssten starke Gründe vorliegen. Selbst wenn - hier naheliegend - die Eltern /Kinder zukünftig auf unterschiedlichen Kontinenten leben würden, ist das nach deutschem Recht kein Grund, das alleinige Sorgerecht zuzuteilen. Da würden allerhöchstens Teile des Sorgerechts einem Elternteil übertragen oder aber empfohlen werden, dass der Umgangselternteil bestimmte Sorgeerklärungen abgibt.

    Liebe Grüße



    Bap



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  • Das Au Pair wurde ja vermittelt, sie müsste einen Ansprechpartner haben. Der für sie verantwortlich ist, sonst ist sie kein offizielles Au Pair. Ich habe eine zeitlang ein Französisches Au Pair bei mir aufgenommen und hatte die ganze Zeit Kontakt mit der Vermittlerin die sich wöchentlich nach dem Mädel erkundigte und ich musste Vorgaben einhalten. Lg

    Am Ende wird alles gut, ist es nicht Gut! Dann ist es auch nicht am Ende