Arbeitgeber und AE - Ein Praxisbeispiel

  • Die Hamburger Morgenpost (hinter Bezahlschranke) und Focus Online haben jetzt einen in weiten Teilen gleichlautenden Bericht über die Hamburger Hafenarbeiterin Karina W. veröffentlicht. Seit kurzer Zeit alleinerziehend mit zwei 7 und 13 Jahre alten Kids hat sie den Arbeitgeber Eurogate gebeten, sie nur noch in der Frühschicht einzuteilen. So, wie es der AG für andere Arbeitnehmer anscheinend auch praktiziert - allerdings in anderen Schichten. Der Alleinerziehenden wurde das verweeigert. Als sie klagte, wurde sie gekündigt. Als sie vor dem Arbeitsgericht Recht bekam, wurde eine zweite Kündigung ausgesprochen, Karina W. über die Feiertage in den Dienstplan eingeteilt, Feiertagszuschläge per Erklärung verweigert.

    Karina bittet um familiengerechte Arbeitszeiten und wird von Eurogate gekündigt - FOCUS online


    Laut Hamburger Morgenpost ist Eurogate vor einiger Zeit als "familienfreundlicher Betrieb" ausgezeichnet worden. Von den rund 850 Hafenarbeitern sind ca. 30 Frauen. Bereits vor 2 Jahren gab es eine ähnliche Auseinandersetzung. Auch hier hat die Arbeitnehmerin erste Gerichtsauseinandersetzungen gewonnen, wurde jedoch über Änderungskündigungen und diskutable Schichteinteilungen unter Druck gesetzt. Während damals noch der Ehemann und Familie bestimmte Spitzen ausgleichen konnten, ist das diesmal bei der alleinerziehenden Mutter anscheinend wesentlich komplizierter.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Wer hat denn hier welches Recht?:/

    Hast du Volleybaps Beitrag gelesen?


    Als die Frau klagte, wurde sie gekündigt. Als sie vor dem Arbeitsgericht Recht bekam, wurde sie erneut gekündigt. Steht oben.


    Alle sind gleich, manche sind gleicher - so interpretiere ich das. „so, wie es der AG für andere AN anscheinend auch praktiziert, nur in anderen Schichten.“

  • Den Beitrag und den Bericht. Beides einfach so gelesen. :thumbup:

    Deine Interpretation beantwortet nur die Frage nicht ^^

    Wer ist den hier "gleicher"?

    Wenn bei 40 oder 300 Menschen sich jemand findet, der die unbeliebten Schichten freiwillig bei gleicher Qualifikation abdeckt, hat es der Arbeitgeber schwer zu argumentieren.

    Betriebliche Übung vielleicht? :/ Gibbet das noch?


    Wenn die Arbeitnehmerin nicht auf Teilzeit geht (TzBfG 8, Nr 3) wüsste ich wirklich gerne welche Rechte die Arbeitnehmerin hat.


    vg von overtherainbow

  • Wenn andere besondere Arbeitsbedingungen oder Schichten genehmigt bekommen, diese Frau aber nicht, stellt sich die Frage, warum dies so ist.


    Liegt es tatsächlich daran, dass sie eine Frau ist? Liegt es am AE - Status? Oder war sie vorher bereits wie auch immer im negativen Sinn „auffällig“?


    Denn: eigentlich sollte es doch so sein, dass für alle das Gleiche gilt, oder?


    Um im juristischen Sinne herauszufinden, wer im Recht ist und wer nicht, müsste man die Arbeitsverträge etc pp kennen. Alles weitere ist reine Spekulation. Immerhin ist sie aber einmal vor Gericht durchgekommen. Und wurde anschließend gekündigt.

    Und das Recht haben nicht immer gleichzusetzen ist, mit Recht zu bekommen - da hat wohl jede(r) schon Erfahrungen und Lernprozesse durch, die an sich niemand braucht. Oder?

  • Die jeweiligen Argumente der Streitparteien in der juristischen Auseinandersetzung sind ja (für unsere Diskussion leider) nicht öffentlich. Der AG hat verlautbaren lassen, dass ihm aus organisatiorischen Gründen eine verringerte Stundenzahl in der Schicht nicht möglich sei. Man müsse auch als Teilzeitler seine 8 Stunden machen. Aber dann halt mit weniger Schichten. - Hilft einem AE, der die Kinder außerhalb der Schulzeiten betreuen muss, natürlich wenig. Da nur die Frühschicht belegen zu können, ist wahrscheinlich gerade noch machbar. Aber Spät- und Nachtschicht ist da wohl nur möglich, wenn man zuverlässige Verwandtschaft hat oder der Ex-Partner einspringt. Und Wochenend- und Feiertagsdienste sind da auch eher mistig ...

    Wenn jetzt nicht im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag die benötigte Teilzeitregelung ausformuliert ist, ist es sicherlich schwierig. Da braucht es den Goodwill des AGs. Der ist bei Bürojobs und / oder im ÖD sicherlich einfacher zu bekommen denn als Kranführender oder Gabelstaplerfahrender in einem Containerhafen.

    Ich bin mal gespannt, ob die derzeitige Situation - Fachkräftemangel überall - nicht auch bei den letzten AGs zum Umdenken führt: Man sollte ein bisschen mehr Rücksicht auf die speziellen Situationen der AN nehmen. Das täte dem "Gesamtbetriebsklima" in Deutschland sicherlich gut ...

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Wenn andere besondere Arbeitsbedingungen oder Schichten genehmigt bekommen, diese Frau aber nicht, stellt sich die Frage, warum dies so ist.


    ....
    Denn: eigentlich sollte es doch so sein, dass für alle das Gleiche gilt, oder?


    Um im juristischen Sinne herauszufinden, wer im Recht ist und wer nicht, müsste man die Arbeitsverträge etc pp kennen. Alles weitere ist reine Spekulation. Immerhin ist sie aber einmal vor Gericht durchgekommen. Und wurde anschließend gekündigt.

    Und das Recht haben nicht immer gleichzusetzen ist, mit Recht zu bekommen - da hat wohl jede(r) schon Erfahrungen und Lernprozesse durch, die an sich niemand braucht. Oder?

    Hyphothese:

    100 Mitarbeiter:innen

    10 machen gerne Nachtschicht

    20 machen gerne Spätschicht

    30 können also ohne dass der Arbeitgeber sagen kann, daß betriebliche Abläufe gestört werden, ohne Herausforderungen Frühschicht machen.

    Bleiben halt nur 50 über.


    Wenn ich es denn richtig verstanden habe, ist Sie mir der Klage gegen die Kündigung erfolgreich gewesen, mit nichten aber zum Thema Verteilung ihrer Arbeitszeit.

    Das Geschlecht sollte wohl keine Rolle spielen, sehr wohl aber ihre Lohnsteuer-Klasse.


    Wenn für alle das Gleiche gilt, muss die Dame Wechselschicht arbeiten, es sei denn sie findet wiederkehrend jemanden jemand der tauscht, was aber dann keine generelle Regelung ist, die sie ja wohl anstrebt.


    Bleibt also die Frage, fern der (getriggerten?) moralischen individuellen Bewertung, auf welcher Rechtsgrundlage, der AE Mensch sozialverträgliche Arbeitszeiten bekommt.


    vg von overtherainbow


    Volleybap : In Teilzeit müsste aber doch Einvernehmen hergestellt werden, oder?

    Auf jeden Fall für den AG schwerer zu argumentieren.

  • So wie ich das verstanden habe, wurden Mitarbeitern, die nur Spät- oder Nachtschicht arbeiten wollten, dies genehmigt. Theoretisch müssten doch dann mehr Frühschichten "übrig" bleiben ? Also sollte es möglich sein, dass sie dann mindestens zwei (oder eher drei) Wochen Frühschicht im Monat hat. oder habe ich einen Fehler in der Logik ?

  • Over, der Anspruch auf Teilzeit besteht ja per Gesetz bei der hohen Mitarbeitendenzahl. Aber wohl nicht der Anspruch, dann nur in einer Schicht eingesetzt zu werden.

    Klar ist die Absprache, das Aufstellen des Dienstplans kompliziert. Aber es wäre sicher grundsätzlich machbar, wenn man als AG will ...


    Unbewegliche AG in Verbindung mit fehlenden Lehrkräften/Erziehern sowie Bus- und Straßenbahnfahrern werden absehbar kinderbetreuende AN in größere Probleme stürzen. Und dann wird es zum gesamtgesellschaftlichen Problem.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Für den ersten Absatz 👍.


    Zum zweiten: schon als meine beiden klein waren, also vor plusminus 25 Jahren war die Kinderfeindlichkeit in Deutschland ein Thema. Wie hieß es damals so schön? Man findet eher eine Wohnung mit drei Hunden als mit drei Kindern. O-Zitat einer Studienkollegin mit Kind. Seitdem ist irre viel passiert, es hat sich so verbessert. Meines Erachtens gibt es das Problem schon sehr lange.


    edit: es geht mir nicht darum zu sagen, dass alles gut ist. Da ist noch viel Entwicklungspotential! Aber ich finde, dass man auch sehen sollte, was alles passiert ist, dass sich vieles durchaus verbessert, anderes aber auch deutlich verschlechtert hat 🤷‍♀️.

  • Volleybap : da ist das TzBfG halt sehr schwammig.

    Das gesamtgesellschaftliche Probleme sehe ich durchaus jetzt schon. Demografischer Wandel hat ja viele Gründe.


    Machbar ist sicherlich vieles. Ich kenne durchaus Firmen, die über Einsatzzeitvereinbarungen an das Thema gegangen sind, also nicht nur AE, auch Pflege Angehöriger etc.


    Ein Recht auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie für AE fände ich super, ist mir halt nur nicht bekannt.


    Die eigentliche Planung halte ich übrigens nicht für die Herausforderung. Den betrieblichen Umgang schon eher. Da kommt dann eine andere Mitarbeiterin zum Personaler, weil sie wegen den vermehrten Nachtschichten keine Zeit hat, Kinder zu machen...u.s.w.


    vg von overtherainbow

  • Die eigentliche Planung halte ich übrigens nicht für die Herausforderung. Den betrieblichen Umgang schon eher. Da kommt dann eine andere Mitarbeiterin zum Personaler, weil sie wegen den vermehrten Nachtschichten keine Zeit hat, Kinder zu machen...u.s.w.


    vg von overtherainbow

    overtherainbow in einem Unternehmen, dass sich Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf die Fahnen schreibt, sollte es in der Haltung einen qualitativen Unterschied machen, das man keine Nachtschicht arbeitet, weil man Kinder betreut im Gegensatz dazu Kinder zeugen ... Zumal das ja auch tagsüber ginge 8). Ich denke, mit solchen Unterschieden kann man schon umgehen, ohne in Argumentationsschwierigkeiten zu kommen.

    Es gibt übrigens bisher nur im Pflegezeitgesetz einen rechtlichen Anspruch darauf die Arbeitszeiten an die Pflegesituation anzupassen. D.h. große Arbeitgeber (ab 25 Beschäftigten) können Wünsche nur schwer und nur aus betrieblichen Gründen ablehnen. Wenn das mit der Kinderbetreuung so weiter geht, wird eine ähnliche Regelung vielleicht auch dort erforderlich. So fängt man die ein, die nicht wollen. Ansonsten stimme ich mit dir überein, das mit entsprechender Planung viel ermöglicht werden kann. Der Wille, die Haltung oder Druck muss halt da sein.

    LG Campusmami



    Sonne muss von Innen scheinen :sonne


    Das Leben findet draußen statt :rainbow: .

  • campusmami : Naja, was Unternehmen sich alles auf die Fahne schreiben.8)

    Aber mal ernsthaft.

    Die erste Aufgabe eines Unternehmens ist Gewinn zu erwirtschaften und Gehälter zu zahlen. Im besten Falle mit glücklichen Mitarbeitern:innen, die davon leben können und nen sicheren Job haben den sie gerne machen.

    Dazu, für mich persönlich, auch eine soziale Verantwortung. Sicherlich gegenüber der Gesellschaft und in jedem Fall gegenüber den Mitarbeiter:innen.

    Der Rest ist dann aber eben eine Rechenfrage, aus meiner Sicht auch unabhängig davon, ob Industrie oder Bürojob.

    Unterm Strich geht nur soviel Flexibilität, wie Alle die die Tätigkeit auf dieser Position ausüben vertragen.

    Für die "brisante" Story aus Hamburg wären mehr Details interessant.



    vg von overtherainbow

  • Ohne Rücksicht auf bestimmte Wünsche und Arbeitszeiten, die manche Mitarbeiter einfach nicht leisten können, hätten wir noch viel weniger Mitarbeiter, denn da wo Mangel ist, können sich diese ihren Arbeitsplatz aussuchen. Nichts, desto trotz habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich bei solchen Entscheidungen das Team mitnehme. Und natürlich immer einen bestimmten Mix pro Team habe . kommt eine Mitarbeiterin dazu, die zum Beispiel nur Frühdienst arbeiten kann, muss sie wenigstens für ein Wochenende eine Lösung finden, um auch unangenehme Schichten zu übernehmen und ich frage vorher das Team, ob sie diese Unterstützung wollen (oder weiterhin Überstunden schieben).bis jetzt entschieden sich diese immer für die Neue mit den besonderen Arbeitszeitwünschen.