Streit der Gerichte: Kind zum Vater oder zur Mutter?

  • 2013 war der Junge in Madrid geboren worden. Kurz darauf trennten sich die (unverheirateten) Eltern, die Mutter zog ohne Absprache mit dem Vater nach Deutschland. Lange Jahre versuchte der Vater, das Kind (zurück) zu bekommen, rief zuletzt die spanischen Gerichte an. 2021 ordnete schließlich ein Gericht in Madrid die Herausgabe des Kindes an. Die Mutter wehrte sich, zuletzt vor dem in Deutschland (vermeintlich) zuständigen Familiengericht Bamberg. Das Gericht jedoch sah sich an die Entscheidung des spanischen Gerichts entsprechend gültiger EU-Gesetze gebunden: Die spanische Entscheidung sei unmittelbar vollstreckbar und könne in Deutschland nicht überprüft werden.


    Dies ist, nach einer schnell beantragten Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl v. 01.08.2022Az. 1 BvQ 50/22) möglicherweise eine Fehleinschätzung des FamGerichts gewesen. Deshalb muss die Übergabe des Kindes an den Vater nicht sofort vollzogen werden. Die Mutter wurde aufgefordert, bis zum 11.8., also innerhalb von zehn Tagen, eine Verfassungsbeschwerde zu erheben und damit überprüfen zu lassen, ob deutsche Gerichte nicht doch zuständig sind.


    Dann könnte überprüft werden, wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich ausführt, ob das Kindeswohl des 8jährigen vielleicht ungebührlich beeinträchtigt wird durch das spanische Urteil. Der Junge wurde vom spanischen Gericht nicht gehört, spreche kein Spanisch, kenne den Vater nicht und würde seine langjährige Hauptbezugsperson verlieren.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Der Junge wurde vom spanischen Gericht nicht gehört, spreche kein Spanisch, kenne den Vater nicht und würde seine langjährige Hauptbezugsperson verlieren.

    Das wäre für mich der ausschlaggebende Punkt. Mutter sollte BET bleiben.

    Allerdings müsste im Anschluss geklärt werden, wie es für den KV möglich gemacht wird, sein Kind zu sehen und eine Beziehung aufzubauen.


    https://www.infranken.de/lk/ba…er-kurze-zeit-art-5515798

    https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/08/qk20220801_1bvq005022.html

    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Das könnte die Argumentationslinie sein, wenn es vor einem deutschen Familiengericht zu einer ABR-Entscheidung käme.

    Die derzeitige juristische Auseinandersetzung ist aber eine andere: Es gibt ein Urteil in Spanien nach langjährigen Verfahren. Laut EU-Recht sind solche Gerichtsurteile - grob und verkürzt gesagt - für den EU-Raum in der Regel in jedem EU-Land verbindlich. So sieht es das Familiengericht Bamberg. Das Bundesverfassungsgericht empfiehlt eine Überprüfung. In der Überprüfung wird es nicht um das Sorgerecht für den Jungen gehen (können), sondern einzig und allein darum, wie das EU-Recht zur Anerkennung von Gerichtsverfahren zu interpretieren ist.

    Eine solche Klage - wie gefordert - innerhalb von 10 Tagen so fundiert auf die Beine zu stellen, dass auf Gesetzen basierende geltende EU-Praxis ausgehebelt wird, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, zu der bestimmt spezialisierte Juristen hinzugezogen werden sollten. Denn das ist nicht zwingend das Fachgebiet eines Fachanwalts für Familienrecht ... Der käme erst wieder in seinem Fachgebiet zum Zuge (und könnte wie vom Verfassungsgericht in den Mund gelegt argumentieren) , wenn die Verfassungsbeschwerde positiv für die Mutter (und wohl das Kind, sage ich jetzt einfach einmal) entschieden worden ist.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Halten wir doch mal für‘s Protokoll fest: Die Mutter entzieht gesetzeswidrig dem Vater das Kind und wird vor Gericht dafür dann noch belohnt.


    Toll!

    „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe." (1. Korinther 16,14) - Jahreslosung 2024


    „Mach‘s wie Gott - werde Mensch.“ (Franz Kamphaus)

  • Halten wir doch mal für‘s Protokoll fest: Die Mutter entzieht gesetzeswidrig dem Vater das Kind und wird vor Gericht dafür dann noch belohnt.


    Toll!

    Naja. Das könnte auch eine schwierige juristische Frage sein. Mutter scheint Deutsche, war wohl unverheiratet bei der Geburt des Kindes. Damit liegt nach deutschem Recht das Sorgerecht allein bei der Mutter. Im spanischen Sorgerecht geht es allein darum, ob der (wohl spanische) Vater anerkannt/eingetragen ist als Vater. Damit besteht ein gemeinsames Sorgerecht. Das scheint der Fall zu sein.


    Kommt es in Spanien zur Trennung von Eltern (egal ob verheiratet oder nicht), soll eine Sorgerechtsvereinbarung zwischen den Eltern geschlossen werden, die vom Gericht bestätigt wird.

    Im Streitfall entscheidet das Gericht.

    Anders als in Deutschland erhält in Spanien bei einer Trennung nur ein Elternteil das, was wir in Deutschland als Sorgerecht verstehen (grob gesagt). Damit auch das ABR. Der andere Elternteil erhält einzig ein Umgangsrecht.


    Hier im Fall scheint (wohlgemerkt scheint, da die bisherigen Verfahrensinhalte mir nicht vorliegen) keine gemeinsame Sorgerechtsvereinbarung getroffen worden zu sein, sondern es ist zu einer streitigen Situation gekommen, die jetzt nach langen Verfahren in Spanien entschieden wurde mit Sorgerecht für den Vater und damit Herausgabezwang für die Mutter.

    Ob ein nach deutschem Recht "Kindesentzug" vorgelegen hat oder ob dem Vater Umgang in Deutschland oder unter besonderen Bedingungen ermöglicht worden wäre, weiß man nicht so genau. Ein gesetzeswidriges Verhalten der Mutter (und vielleicht sogar differenziert nach deutschem oder nach spanischem Recht) kann man vermuten, muss es aber nicht. Man müsste die nicht öffentlich zugänglichen Fakten prüfen (können).

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Wenn schon nicht das Kind gehört wurde bei dem spanischen Gerichtstermin, wurde denn die Mutter gehört? Oder wurde alles über deren Köpfen entschieden ?

    Bevor du mit dem Kopf durch die Wand gehst, überlege zuerst.........

    Was mache ich im Nebenzimmer ? (unbekannt)

  • Ich habe jetzt den Beschl v. 01.08.2022Az. 1 BvQ 50/22 gelesen, bis mir in den letzten Absätzen schwindelig wurde. :rolleyes:


    Wenn ich es richtig verstanden habe ist die Mutter in Spanien rechtskräftig verurteilt worden, nach dem Entzug des gemeinsamen Kindes für den Vater nicht erreichbar gewesen und hat auch keinen Zugang zum Kind ermöglicht.


    Sicherlich stünde für mich auch das Wohl des Kindes im Vordergrund, dass die Lauf- und Klagezeiten der verschiedenen Gerichte nicht zu verantworten hat, gleichzeitig hat Kaj doch recht, oder?


    Die Mutter hat das Kind dem anderen ET vorenthalten.

    Die Mutter hat den biologischen Vater ersetzt.


    Das möchte ich nicht lösen müssen.


    vg von overtherainbow

  • Wenn schon nicht das Kind gehört wurde bei dem spanischen Gerichtstermin, wurde denn die Mutter gehört? Oder wurde alles über deren Köpfen entschieden ?

    Die Mutter hat sich nur manchmal und dann schriftlich in die spanischen Verfahren eingeschaltet. U.a. wohl deshalb, weil gegen sie in Spanien ein gültiger Haftbefehl vorliegt. Sie hat sich wohl lange Zeit auf einen deutschen OLG-Beschluss zu ihren Gunsten gestützt, wonach das Kind über ein Jahr lang hier in Deutschland mit der Mutter gelebt hat und der Vater dem nicht widersprochen habe. - Das ist wohl aus heutiger Sicht zumindest umstritten. Die deutsche Sicht, dass durch Akzeptanz der Aufenthaltssituation sich das ABR bei dem dann Betreuungselternteil festschreibt, ist so allerdings in der spanischen rechtsprechung nicht zu finden. Das begründet auch die Verurteilung in Spanien wegen Kindesentzugs, andererseits die Nichtausführung des Haftbefehls in Deutschland.

    In gewisser Weise haben wir Ähnliches beobachten können bei der Auseinandersetzung der Spanischen Regierung mit der katalanischen Provinzregierung und dem ehemaligen katalanische Regierungschef Carles Puigdemont, der in Resteuropa lange Zeit unbehelligt aktiv sein konnte.

    Ohne Zweifel ist es zu keinem direkten Kontakt zwischen Vater und Kind gekommen. Frühzeitig war die Mutter durch den Haftbefehl bedroht. Sicherlich kein "Türöffner", um mit Kind nach Spanien zu reisen. Umgang gefördert hat die Mutter jedoch auch sicherlich nicht.

    Die Mutter hat in Deutschland ein halbes Jahr nach der Ausreise aus Spanien geheirat, ist mittlerweile wieder geschieden. Ob eine Heirat den Versuch bedeutet(e), den biologischen Vater zu ersetzen, ergibt sich durch eine Patchworksituation nicht zwingend, könnte hier natürlich vorliegen.


    Insgesamt hat hier der Vater in Spanien sein Anliegen bis in hohe Instanzen gerichtlich klären lassen und letztlich "gewonnen".

    Gleichzeitig hat in Deutschland die Mutter ihr Anliegen bis vor OLG getragen und auch mehrfach "gewonnen". Jeder Elternteil konnte also über fünf sechs Jahre hinweg sich auf der rechtlich sicheren Seite fühlen und hat das wohl auch.


    Auffallend und von höheren Gerichten jeweils erwähnt sind die ungewöhnlichen Appelle der spanischen wie deutschen Gerichte an die Eltern, jeweils kompromissbereit und lösungsorientiert sich zu verhalten. Es hat jedoch auf beiden Seiten nicht genutzt, hat man den Eindruck.


    Den Fall will derzeit wohl auch keiner der Richter "mit Freudigkeit" auf dem Schreibtisch liegen haben. Er zeigt einzig anschaulich, dass es selbst im EU-Raum bei gescheiterten Paarbeziehungen mit Kind trotz vermeintlich "gleichen Rechtsregelungen" zu nahezu unauflösbaren Problemen kommen kann.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.