Politische Entscheidung im Punkt Organspende

  • Maximaltherapie wird ja nur gefahren, wenn es keine Patientenverfügung gibt, die das Gegenteil sagt? Jedenfalls sollte es ja so sein. Deshalb ist es, wie Du ja auch sagtest, so wichtig, sich um so etwas zu kümmern. Was man gerne immer mal wieder hinausschiebt. Leider mussten wir letzten September bei meinem Vater erleben, wie selbst dann damit umgegangen wird. Wobei das sicherlich auch von der Klinik und dem jeweiligen Arzt abhängt. Bzw. war es in dem Fall ein Logopäde; der uns dazu bringen wollte, meinem Vater eine Magensonde zur Ernährung legen zu lassen, entgegen seinem ausdrücklichen Willen in seiner Patientenverfügung. "Die finden wir gerade nicht."

    Ich bin so froh (und meine Mutter auch), dass ich in diesem Augenblick dort war - sie wüsste nämlich nicht, ob sie sich durch die Worte des Logopäden "Sie wissen schon, dass er dann verhungert." hätte verunsichern lassen. Es kam dann glücklicherweise der gerufene Arzt hinzu, der den Logopäden gestoppt hat.


    Letzterer kam übrigens ins Zimmer gestürmt, um mit meinem Vater Schluckübungen zu machen. Mein Vater war noch sediert von einer Bronchoskopie und schon ins "Sterbezimmer" verlegt worden. Leider war dem Logopäden das nicht bekannt.

    Wen wundert es denn unter solchen Umständen, (wir sind da kein Einzelfall), dass wenig bis kein Vertrauen mehr da ist. Und dass sich das auch auf das Vertrauen in den Umgang mit potentiellen Organspendern ausweitet...

    LG
    CoCo




    Halte mich fern von der Weisheit, die nicht weint; von der Philosophie, die nicht lacht und von der Größe, die sich nicht vor Kindern verneigt.
    ~ Kalil Gibran ~

  • Die Sterbehilfe betrifft Menschen, die das aktiv wünschen, das kann ein Hirntoter per Definition nicht.


    Und die meisten Patientenverfügungen sind so schwammig geschrieben ( von Anwälten halt ), dass sie für die Tonne sind.


    Ich will keine lebensverlängernden Massnahmen, wenn klar ist, dass ich sterben werde. Ja, wenn klar ist, dass jemand stirbt, dann macht keiner was.


    ( Im Notfall habe ich auch schon reanimiert, obwohl ich wusste, dass es keinen Erfolg haben wird, Anfahrtszeit über 15 Minuren, Patient schon blitzeblau vorgefunden worden, kein Laienreanimation...aber da ankommen und sagen: Nö, das wird nix! Ist unmenschlich. Abgesehen davon, erstmal anfangen, dann klären. )


    Das Problem, man behandelt ja erstmal einen Patienten, erst im Verlauf wird klar, der wird sterben, aber DANN eine Behandlung zu beenden ist nicht ohne Weiteres möglich, denn das ist aktive Sterbehilfe.


    Ich selber war in der Situation mit meinem Vater auf der Intensivstation. Mir war klar, dass er nicht überlebt. Alles, was ich machen konnte war, sagen, dass er nicht reanimiert werden soll. Meine Schwester, die mal erfolglos 14 Semester Jura studiert hat, meinte dann, ob das nicht unterlassene Hilfeleistung wäre.


    Der Arzt rollte mit den Augen und notierte Maximaltherapie. Obwohl es allen Beteiligten klar war ( außer einer meiner beiden Schwestern ), dass das Unsinn sei.


    Im persönlichen Gespräch sagte er mir dann, dass man bei der Prognose sicherlich nicht ewig auf ihm umspringen würde ( pietätvoller formuliert natürlich ).


    Ich hab dann gesagt, wissen sie, er ist eh unter Narkose und bekommt nix mit. Dann ist es halt so.


    Eine Woche später war er dann tot. Meine Schwester brauchte das für sich, für mich war es ok. Sie konnte ihn nicht gehen lassen, musste dann aber.


    Als Tipp, man kann jeden Arzt, zu dem man einen guten Draht hat ( nicht mehr, nachdem man Kurastudium oder ähnliches erwähnt hat ) fragen, wie denn seine persönliche Einschätzung ist und was er machen würde, wenn da seine Mutter liegen würde.


    Ich persönlich habe schon oft zu Ärzten gesagt: Machen sie, was sie für richtig halten, das ist dann schon ok. Ich bin mit allem einverstanden.


    Denn ich hab da jemanden vor mir, der weiss, was er tut.

  • Denn ich hab da jemanden vor mir, der weiss, was er tut.


    Genau das Gefühl habe ich, z.B. bei den Krankenhausaufenthalten meines Vaters, des öfteren eben nicht gehabt. Auch bezogen auf Pflegepersonal und eben Logopäden. Eine Schwester, die mit gezückter Insulinspritze am Bett meines Vaters stand; er hat in seinem Leben noch kein Insulin bekommen. Das ist schon länger her und er war zum Glück gerade wach und konnte sagen "Geh mir wech." Bändchen mit falschem Namen am Handgelenk meiner Mutter vor ihrer OP letzten Oktober. Um nur mal zwei Beispiele zu nennen.


    Dass das sicherlich nicht zuletzt an Überlastung durch dauerhaften Personalmangel liegt, ist klar - macht es aber in der Situation für den Einzelnen nicht schöner. Und trägt halt nicht zu Vertrauen bei.

    LG
    CoCo




    Halte mich fern von der Weisheit, die nicht weint; von der Philosophie, die nicht lacht und von der Größe, die sich nicht vor Kindern verneigt.
    ~ Kalil Gibran ~

  • Mein Vater hat die letzten Monate seines Lebens ja auch viel in den unterschiedlichsten Krankenhäusern o.ä. verbracht. Da haben wir auch die unterschiedlichsten Erfahrungen gemacht. Die Schlimmste war in einem riesen Klotz in München, ein gigantisches Haus mit deutlich über 1000 Betten. Da ist mein Vater einfach mal so verloren gegangen. Nach einer Untersuchung außerhalb des Zimmers wurde ein fremder Mann hereingeschoben und mit seinem Bett auf den Platz meines Vaters gestellt. Meine Mutter fragte, wo denn ihr Mann sei. Die Pflegerin zeigte auf den Mann und meinte: "Na, da ist er doch!" Meine Mutter: "Äh, nein?" Pflegerin, auf die Krankenakte schauend: "Doch, hier steht's doch: Herr XY, Zimmer 007". Nach einiger Diskussion sah die Pflegerin dann ein, dass Name und Zimmernummer passten, aber Geburtsdatum und Stockwerk nicht. Und dass meine Mutter ihren Ehemann, mit dem sie immerhin über 40 Jahre verheiratet war, erkennt, wenn sie ihn sieht. Es dauerte dann aber noch 2(!) Stunden, bevor mein Vater wiedergefunden wurde - und das auch nur, weil meine Mutter Amok gelaufen ist und allen die Hölle heiß gemacht hat. Für meinen Vater war die Zeit der Horror, weil er sich weder artikulieren noch orientieren konnte und irgendwo auf einem der unzähligen Flure in diesem Haus abgestellt war.

    Durchaus positiv war die Erfahrung dagegen in dem Haus, in dem er schließlich starb. Die Chemo hatte seine gesamten Blutzellen buchstäblich zerschossen, es war klar, dass es nichts mehr gab, was ihm helfen wurde. Er lag fast eine Woche alleine in einem Einzelzimmer auf der Intensivstation, wir durften 24 Stunden am Tag dableiben, wenn wir wollten, er war immer sauber und gepflegt, und auch wenn er nicht mehr viel mitbekam, die Pfleger gingen immer respektvoll mit ihm (und uns) um. Die Palliatvärztin blieb eng mit uns im Kontakt, besprach alle Therapie (viele Schmerzmittel, nichts unnötig Lebenserhaltendes) akribisch mit uns und als er dann schließlich ging, wurde er "schön" hergerichtet und wir bekamen soviel Zeit, wie wir brauchten und wollten, um uns von ihm zu verabschieden. Ich glaube, vier Stunden saßen meine Mutter, meine Geschwister, meine Tante und mein Onkel um sein Bett und haben von ihm erzählt, Anekdoten aufgewärmt, miteinander geweint und sogar gelacht. Und - haltet mich für komplett bescheuert - als wir gingen, hatte er ein Lächeln auf den Lippen. Ich bin froh, dass wir diese Zeit hatten, dass keiner mit der Stoppuhr hinter uns stand - weder, um das Zimmer für den nächsten Patienten frei zu bekommen, noch - und damit komme ich zum Thema des Threads zurück - um ihn zeitnah für die Organspende vorzubereiten. Und auch wenn es vielleicht egoistisch ist - uns wäre etwas unendlich kostbares genommen worden, hätten wir diese Zeit nicht bekommen. Auch wenn es ihm nichts mehr bedeutet hat, für uns war es ein gutes Gefühl, dass er in Würde und letztendlich Frieden gegangen ist.

    Man sitzt insgesamt viel zu wenig am Meer...

  • Es ist erschreckend, wie sich Laien die Organspende vorstellen.
    Ich muss Monsterkrümmel Recht geben.. ich D auf der ITS in Würde zu sterben, ist fast unmöglich.
    Es war einer der Gründe, warum ich in den OP gewechselt habe. Die Patientenverfügungen sind in 90% tatsächlich schwammig und die Ärzte haben Angst.. es wird Maximalpflege gefahren. Anderseits, wie oft hab ich erlebt, wie stark der Lebenswille ist... gerade wenn Luftnot auftritt.., wie sehr sich Grenzen ändern, was für einen persönlich lebenswert ist.
    Ich bin ein Organspender...und ich glaube an die Seele.. die fühlte ich noch nie im Körper beim Reanimieren... und beim Sterben saß ich oft händehaltend am Bett...

    Nicht auf das Leben kommt es an, sondern auf den Schwung, mit dem wir es anpacken. H. Walpole

  • Steht eigentlich irgendwo geschrieben, dass Menschen nach einer Organspende nicht hergerichtet werden zum Abschiednehmen? Das jemand in Anwesenheit seiner Verwandten stirbt, ist in Krankenhäusern glaub ich grundsätzlich nicht allzu häufig. Auf einer Palliativstation schon, aber da kommt ein Patient ja nur hin, wenn absehbar ist, dass es zu Ende geht UND wenn ein Platz frei ist.


    Meine Schwiemu hat - eben genau wegen "schwammig" formulierter Patientenverfügung - bestimmt 10 Wochen auf der Intensiv verbracht und ALLES mitgenommen.... Sepsis, Dialyse, Tracheotomie, Intubation über längere Zeit, immer wieder Narkosen, bis sie nicht mehr klar war im Kopf, Dekubitus, Magensonde, alles was Ihr Euch vorstellen könnt. Gestorben ist sie dann doch allein in einem Einzelzimmer auf einer Normalstation wegen einem MRSA-Keim, den sie vermutlich schon ewig hatte... völlig abseits vom Organspenden (sie war Mitte 80, da kam das nicht mehr in Frage) stirbt es sich auch sonst nicht so einfach in Deutschland. Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, ob sich mein Ex und sein Bruder sich noch von ihr haben verabschieden können. Ich glaube eher nicht....

  • Vllt etwas ot, aber sollte mir was passieren und ich hirntod sein, wünsche ich mir, dass man mich gehen lässt und nicht gefühlte oder tatsächliche Ewigkeiten am Leben erhält. So schmerzhaft das für die Angehörigen auch ist.


    Darüber hinaus würde ich mir tatsächlich wünschen, dass Menschen, die mich lieben oder mögen, nicht lange trauern, sondern sich freuen, dass man eine gemeinsame Zeit hatte, die schön war und an die man sich gerne zurückerinnert.

  • Das mit dem "gehen lassen" ist leider nicht so einfach...


    Und natürlich werden auch Organspender "hergerichtet".


    Die Operation ist mit der Organentnahme natürlich nicht zu Ende.


    Jede! Operation wird beendet, egal ob er noch lebt oder gestorben ist ( auch Nichtorganspender können ja während der Operation sterben ). Alles andere widerspricht dem Berufsethos und wäre unmenschlich.



    Der Patient wird zugenäht, die Wunden verbunden, der Mensch so hergerichtet, dass die Angehörigen Abschied nehmen können. Das machen wir mit JEDEM Verstorbenen. Natürlich nur, soweit es möglich ist. Bei Organspendern kein Problem, die haben hinterher nur eine Narbe auf der Brust, wie nach einer grossen Operation, bei Unfallopfern teils schwierig.


    Und normalerweise gibt es in jedem Krankenhaus die Möglichkeit, sich vom Verstorbenen zu verabschieden.


    Meist bleiben auf Station nur wenige Stunden, aber auf Wunsch kann man sich auch danach noch verabschieden, allerdings ist das in der Kühlung nicht sonderlich schön für Angehörige, aber auch das wird auf Wunsch möglich gemacht, ansonsten holt der Bestatter den Körper ab und auch dort wird auf Wunsch nochmal aufgebahrt.


    So oft man will.


    Auf überbelegten Stationen reissen sich die Schwestern oft alle Arme UND Beinen aus, um das möglich zu machen, auf einer voll belegten Station ohne Einzelzimmer kann das schonmal bedeuten, dass man das Arztzimmer zweckentfremdet, um die nötige Intimität für die Angehörigen herzustellen.


    Das hat mich morgens schon so manches Mal etwas erschreckt und ich musste gucken, wie ich an meine Sachen komme und mich umziehen kann. Aber auch da, macht man natürlich in so einer Situation möglich, auch wenn die eine Tochter erst in 5 Stunden kommt.


    Im Übrigen wird sowas, Einzelzimmer für Sterbende, Gespräche mit Angehörigen usw. im DRG System überhaupt nicht berücksichtigt. Das ist schlicht nicht vorgesehen...das darf man sich auf der Zunge zergehen.lassen. die Krankenkassen halten das für überflüssig.


    Wir nicht.

  • Und da wir gerade dabei sind und ich just 2 Einsätze hatte, wo ich mit Rettungswagen hin bin und nur noch den Tod feststellen konnte...dafür bekommt der Rettungswagen keinen Pfennig, der bekommt nämlich nur Geld, wenn der Patient transportiert wird.


    Weigert dieser sich oder verstirbt der Patient, war der Einsatz für lau. Egal, wie lange man reanimiert hat, oder welches teils wirklich teure Material man verbraucht hat, da sind oft hunderte von Euros verpufft.


    Wenn ich Totenscheine ausstelle, müsste ich die eigentlich in Rechnung stellen, das zahlen die Krankenkassen nicht, weil der Mensch ja tot ist.


    Da soll man dann den trauernden Angehörigen, die mit der Beerdigung teils in finanzielle Nöte geraten, noch ne Rechnung über 100€ hinlegen.


    Hab ich mir heute geschenkt, ich hoffe auf ein paar Karmapunkte...


    Es ist asozial, wo die Krankenlassen Geld sparen!