Wie geht man damit um? Adipositas und Essverhalten und die Konsequenzen daraus

  • Hallo,


    auch wenn jetzt wieder Stimmen laut werden, dass mich das nix angeht. Ich bräuchte einen Rat, wie wir (mein Freund und auch ich) mit einer bestimmten Situation umgehen können/sollen/müssen. So langsam gehen uns die Ideen aus,

    Die Tochter meines Freundes leidet an Depressionen, ist in therapeutischer Behandlung und in vielen Dingen geht es - wenn auch ganz langsam - Schritt für Schritt bergauf. Sie ist auch medikamentös eingestellt.

    Sie war schon früher immer ein bisschen pummelig. Sie ist auch mit ihrer Figur/ihrem Gewicht mehr als unzufrieden. Eine Begleiterscheinung bzw. ein Symptom ihrer Depressionen ist ihr ausgeprägter Selbsthass. Im Laufe der letzten 10 Monate ging ihr Gewicht steig nach oben, weil sie jegliches Maß bezüglich ihres Essverhaltens verloren hat. Mittlerweile wiegt sie auf 1,65 m mehr als 90 kg, Tendenz steigend. Ich möchte betonen, dass uns das grundsätzlich egal ist, was sie wiegt. Sie muss keine Modelfigur haben. Leider ist es nur so, dass je mehr sie zunimmt, desto größer wird ihr Selbsthass und der große Konsum an Zucker und anderem Kram tut ihrem Hautbild auch nicht wirklich gut.


    Wir wissen, dass eine Nebenwirkung der Antidepressiva Heißhungerattacken sind. Es gab diesbezüglich auch schon eine Ernährungsberatung in der Tagesklinik, wie man mit sowas umgeht und entsprechend auch vermeiden bzw. entgegen wirken kann. Leider ist das in ihrem Kopf (noch) nicht angekommen. Die Portionen sind riesig und Eis, Weingummi, Kekse und Schokolade gehören zu ihrer täglichen "Ernährung" dazu... in Massen, nicht in Maßen.


    Aufgrund meiner eigenen Vorgeschichte koche ich ausgewogen und gesund. Auch habe ich mir bei der Ernährungsberaterin (meiner eigenen und der von der Bonustocher) Tips und Ideen geholt, wie ich die Ernährung abwechslungsreich und möglichst "figurfreundlich" gestalten kann, ohne dass das Ganze in eine Diät ausartet. Das will keiner... Ich selber habe eine jahrelange Ditätkarriere mit Jojo-Effekten hinter mir und musste einen ziemlich schweren Weg gehen, um auf ein gesundes Gewicht zu kommen. Das würde ich ihr natürlich gerne ersparen.


    Wir haben mit ihr gesprochen, weil wir ja wissen, sie sehr sie unter ihrer Figur leidet und unsere Unterstützung angeboten. Es wird kein Süßkram mehr gekauft, kein Nutella, keine Marmelade. Der Muckel motzt zwar, er muss dann nämlich auch verzichten (obowohl er es eigentlich am wenigsten nötig hätte), zieht aber mit und bunkert seine Süßigkeitenportion in seinem Zimmer und nascht nicht vor ihrer Nase. Es ist immer genug Obst und Gemüse zum "Naschen" da und ich mache sogar extra für sie Eis, damit sie auf nichts wirklich verzichten muss. Bringt leider alles nix. Sie kauft sich ihren "Stoff" dann halt einfach selber. Regelmäßig wird der Inhalt der Brotdose wieder mit heim gebracht, weil es beim Bäcker um die Ecke ja viel besser schmeckt. McDonalds liegt gleich auf dem Heimweg und es führt selten der Weg dran vorbei, sondern fast immer rein. Sie deckt sich von ihrem Taschengeld mit Süßkram ein. Die Menge kann man am Inhalt ihres Mülleimers erahnen (den wir rausbringen, damit ihr Zimmer nicht im Müll versinkt). Und statt dem Eis, was für sie extra gemacht worden ist, vernichtet sie das Eis der restlichen Familie und lässt ihres einfach im Gefrierfach stehen. War erst gestern wieder so weit: Muckel wollte sein Vanilleeis... weg wars. Für ihn im Übrigen sehr ärgerlich, weil er je eh schon auf vieles - auch freiwillig verzichtet - um es ihr leichter zu machen.


    Leider mangelt es ihr auch absolut an Bewegung, wenn sie sitzt, sitzt sie. Das macht es natürlich zusätzlich nicht gerade einfacher an Gewicht zu verlieren.


    Jedes mal, wenn das leidige Thema Ernährung und Gewicht kommt, ist sie einsichtig und gelobt Besserung, um dann nach einer Woche wieder in alte Gewohnheiten zu verfallen. Jeder Pickel und jede zu klein gewordene Hose gibt aber ein Mordsdrama zu Hause. Anfälle von Selbsthass legen dann sozusagen die ganze Familie lahm. Vor zwei Wochen war meine Mutter mit ihr shoppen. Die Hosen waren zwar knapp, aber durchaus tragbar (eine Nummer größer gab es die Hosen leider nicht und die Bonustochter hat sich geweigert, in die Übergrößenabteilung zu gehen). Am Montag hatten wir eine gemeinsame Unternehmung geplant und sie wollte eine der neuen Hosen anziehen. Die passte nicht mehr, also, sie konnte sie beim besten Willen nicht tragen. Ende vom Lied war der Weltuntergang und die Pläne, die wir hatten, sind gestorben. Der Muckel hat sich den Nachmittag in seinem Zimmer bzw. in den Garten verkrochen, damit er von ihrer Stimmung nicht allzuviel mitbekommt.


    Und damit sind wir beim eigentlichen Problem. So lange das bei ihr nicht im Kopf ankommt, können wir reden, so viel wir wollen und es wird sich nichts ändern. Aber der Teufelskreis aus Selbsthass und diesem fast selbstzerstörerischem Verhalten und den Dramen, die daraus entstehen, die machen uns fertig. Wir beide (ja ich auch, weil ich mit ihr zusammen wohne, betrifft es mich natürlich auch) wissen nicht wirklich, wie wir mit der Situation umgehen sollen, wenn mal wieder einer ihrer "Anfälle" kommt. Ignorieren? Sie toben lassen? Rücksicht nehmen? Mein Freund hat auch Bedenken, wenn er bei einem solchen "Anfall" mal ein paar deutliche Worte sagt, dass es ihr dann noch schlechter geht und sie in noch tiefere Depressionen versinkt. Auf der anderen Seite kann auch nicht die ganze Familie Rücksicht auf ihre Launen nehmen, wäre ja dem Muckel auch nicht fair gegenüber.


    Habt ihr da ne Idee?

  • Hallo Muckelmama,


    vorweg: selbstverständlich geht Dich das Mädchen was an. Da gibt es für mich gar nichts zu diskutieren.

    Ich denke allerdings auch, dass Du Dir und Deinem Sohn schon sehr viel zugemutet hast - und das auch noch in der doch sehr kurzen Zeit.


    Das Einzige was mir einfällt zum Thema ist eine Abnehm-Kur. Ein paar Wochen in die Berge z.B. Da war der Freund meines Sohnes mal. Hat super abgenommen. Mit dem Selbsthass...hm..das hat sie ja schon länger denke ich, vielleicht wird's auch wieder besser, wenn sie sich körperlich wieder wohler fühlt.... Irgendwo muss man anfangen...und manchmal wird's dann zum Selbstläufer. Manchmal aber auch nicht.


    Ich glaube nicht, dass es hilfreich ist, nicht mehr erzieherisch tätig zu sein, weil man Angst hat, es geht ihr dann noch schlechter. Angst ist ein ganz schlechter Ratgeber. Vielleicht muss das auch mal sein, damit sie erst mal an einen Punkt kommt, der sie selbst aktiviert. Nein, ihre Launen muss man nicht ertragen.

    So wie Du schreibst, ist da schon Handlungsbedarf.

    Grüsse Tani :wink



    Du bist nicht das was Du sagst, sondern das was Du tust!

  • Kurz aus der Erfahrung mit einer Anorexie-erkrankten-Tochter heraus gesagt:

    Das Mädchen gehört in eine stationäre Therapie.

    Daheim geht da nichts mehr.

    Entweder sie lässt sich helfen oder ihr müsst sie konsequenter Weise aus eurem Haushalt "entfernen" in eine Wohngruppe o.Ä.

    Andernfalls gefährdet ihr euch anderen und setzt euch der Gefahr der "Co-Erkrankung" aus.

  • Natürlich ist das Thema in ihrem Kopf. Darum ist sie im Gespräch einsichtig. Aber im Alltag fehlt die Kraft.


    Ihr braucht hier einen langen, langen Atem - und den Rat des Therapeuten. Ihr seid quasi "co-depressiv"... Und sollte alle gemeinsam ein Vorgehen erarbeiten, auf dass sich alle einigen können. Und ihr mit dem Wissen, dass dieser Weg über lange Zeit ein Weg des Scheiterns sein könnte.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Das Mädel ist krank.

    Anscheinend reicht eine ambulante Therapie nicht aus.


    Ich finde dieses dann muss sie halt alleine zu Hause bleiben, Nun ziehen wir unser Ding durch ohne Rücksicht, schon hart und bei allem Verständnis falsch.

    Depressionen ist nix was man sich aussucht.


    Es wird nix helfen ,die wird noch mehr bestätigt in ihrem Selbsthass.


    Ich halte eine Stationäre Unterbringung für eine sinnvolle Idee.

    Es gibt Kreisläufe, die durchbricht man nur ,wenn man räumlich getrennt ist.


    Liebe Grüße


    Ute

  • Mein Freund und ich haben uns zumindest darauf geeinigt, dass evtl. Pläne dann nicht einfach ad acta gelegt werden und wir unser Ding durchziehen. Dann muss sie halt zu Hause bleiben. Auch "in Watte" packen und übertriebene Rücksichtnahme wird es zukünftig so nicht mehr geben.


    ...und was wollt ihr machen, wenn sie mit Selbstverletzungen anfängt?

    Dann auch noch allein daheim lassen?


    Möchte jetzt keine Angst machen....eher vorbereiten auf sehr wahrscheinlich zu erwartende Szenarien.


    Sucht dem Kind schnellstmöglich eine Therapie.

  • Muckelmama :

    ...und jetzt einmal "Hopp auf den Arm" und lass dich einfach mal drücken. :knuddel

    Hast so viel um dein liebes Herz herumtoben..... :troest

  • Inkamann

    Sie ist ja in Therapie und selbstverletzendes Verhalten war bis jetzt kein Thema. Fakt ist, wenn sie ein Drama schiebt, werden der Muckel und ich auf keinerlei Aktivitäten mehr verzichten. Notfalls muss ihr Vater dann mit ihr zu Hause bleiben, falls sie anfängt, sich selbst weh zu tun. Es gibt ja auch Fortschritte: Sie arbeitet das Verhältnis zu ihrer Mutter auf, hat diese sogar zu ihrem 18. Geburtstag letzten Samstag eingeladen, sie geht wieder regelmäßig zur Schule, hat ihre Sozialphobie ganz gut im Griff und kann auch von Zeit zu Zeit ein richtig fröhlicher Teenager sein. Es ist ja nicht alles total schrecklich und schwierig.


    Es gibt auch total schöne Momente: Wenn wir mit den Kindern im Garten am Wochenende um den Feuerkorb sitzen oder wir als Familie schöne Dinge erleben.


    Das mit dem Essverhalten und der daraus resultierenden Zunahme und dem daraus resultierenden Selbsthass ist halt noch etwas, was sie in den Griff kriegen muss. Es ist halt schwierig, mit so etwas umzugehen. Wenn jemand aufgrund von Depressionen einen halben Nervenzusammenbruch bekommt, weil eine bestimmte Hose nicht mehr passt, kann man dann sagen "Bist ja selber schuld?" *seufz*

  • Ich finde dieses dann muss sie halt alleine zu Hause bleiben, Nun ziehen wir unser Ding durch ohne Rücksicht, schon hart und bei allem Verständnis falsch.

    Depressionen ist nix was man sich aussucht.


    Es wird nix helfen ,die wird noch mehr bestätigt in ihrem Selbsthass.

    Danke.


    Ob eine stationäre Therapie angezeigt ist, mag ich nicht beurteilen. Aber auch die fruchtet nur, wenn das Mädel das aus freien Stücken mitmacht...

    Ich wünsche Euch und vor allem ihr, dass sie aus diesem Kreislauf von Selbsthass, Essen und noch mehr Selbsthass herausfindet.

    LG
    CoCo




    Halte mich fern von der Weisheit, die nicht weint; von der Philosophie, die nicht lacht und von der Größe, die sich nicht vor Kindern verneigt.
    ~ Kalil Gibran ~

  • Ich meine das nicht böse.


    Nur bei psychischen Erkrankungen eines Familienmitgliedes wird oft die ganze Familie krank.

    Es leiden alle.


    Da gelten einfach andere Gesetze als bei "normalen," das lässt einen als Angehörigen immer wieder an Grenzen stosse und verzweifeln.


    Ich wünsche Euch allen viel Kraft.

    Manchmal ist der Weg , der grausam erscheinen mag. Stationärer Aufenthalt, welch schreckliche Vorstellung.,trotzdem der bessere.


    Liebe Grüße


    Ute

  • Ratte natürlich kann sie nichts für ihre Depressionen und ja, sie ist krank. Die Therapeutin hält eine stationäre Therapie zurzeit nicht für nötig. Die letzte teilstationäre Therapie hat sie im Februar mit recht guten Ergebnissen beendet.


    So "wir ziehen unser Ding ohne Rücksicht durch" ist das dann ja auch nicht. Liest sich wahrscheinlich härter, als ich das meine. Sie wird Zeit bekommen, um sich zu beruhigen, wir werden mit ihr reden und wenn alles nix hilft, werden zumindest zwei von vier Familienmitgliedern nicht mehr zu Hause bleiben. Je nachdem, wie es ihr geht, wird sich entscheiden, ob ihr Vater mit kommt oder bei ihr zu Hause bleibt.


    Wir versuchen immer sie zu bestärken, stehen auch immer hinter ihr und nehmen ziemlich viel Rücksicht im Alltag auf ihre Gefühle und Befindlichkeiten. Aber beide Kinder haben die gleiche Berechtigung und es geht halt nicht, dass einer immer zurückstecken muss.


    Mir war von Anfang an bewusst, dass es kein leichter Weg wird und ich bin mit vollem Herzen auch "Bonusmama". Auch wenn ich sie nicht geboren habe, behandele ich beide Kinder gleichberechtigt. Natürlich habe ich zum Muckel eine ganz andere Bindung, aber deswegen wird er nicht bevorzugt. Nur ständig benachteiligen möchten wir ihn auch nicht.


    Ich weiß, dass du das nicht "böse" meinst... und ich weiß auch, was Depressionen mit einem Menschen machen können. Ich habe jahrelang mit meinem depressiven (Ex)Mann zusammen gelebt. Gott sei Dank haben wir einen guten Draht zur Therapeutin.

  • Muckelmama


    Von Bevorzugung des Burschen o.ä haben.Ich nix geschrieben.




    Natürlich kann ich nicht beurteilen, was an Hilfe Therapie für das Mädel nötig ist.

    Ich gehe da nur von meinem Erfahrrungsschatz und so ein wenig Fachwissen aus.



    Liebe Grüße


    Ute

  • Ratte hab ich dir ja auch gar nicht unterstellt :-) ich möchte halt, dass alle zu ihrem "Recht" kommen und das ist manchmal gar nicht so einfach.


    Zurzeit überlegt mein Freund noch mal einen Termin mit der Therapeutin zu machen und genau diese Problematik zu besprechen. Wir möchten ihr ja alle helfen und wollen, dass es ihr gut geht. Rücksichtnahme ja, aber auch ein gewisses Maß an Abgrenzung ist gerade für mich wichtig...

  • Muckelmama:

    Ok, dann ist es nicht "ganz so" dramatisch wie ich es aus deinen Zeilen zuerest herausgelesen habe.

    Gut so.


    Dein Freund soll sich den Termin machen. Evtl. habt ihr ja mal alle zusammen einen Termin dort.


    Viel Kraft euch allen und passt auf euch auf.