Ganz entspannt im Geburtshaus

  • Hallo zusammen,


    hier nun auch mal die Schilderung zur Geburt der Rumpelwichtin vor knapp zwei Jahren:


    Ich war damals noch mit dem KV verheiratet und wir hatten schon Mitte der Schwangerschaft festgestellt, dass gewisse „Aktivitäten“ (;)) bei mir verlässlich Übungswehen auslösten. Zwei Wochen vor Termin führte das dazu, dass mein Muttermund sich schon 2cm öffnete - wir waren also in Alarmbereitschaft versetzt und rechneten jederzeit damit, dass es nun los gehen könnte. Zwei Tage nach dem errechneten Termin ging es dann los. Leichte, aber unregelmäßige Wehen ab 16 Uhr. Ich rief meine Hebamme im Geburtshaus an und fragte, ob wir schon kommen sollten. Die pragmatische Antwort: „Wenn du mich das noch fragen musst, dann nicht!“ Wo sie Recht hat,... Ich habe mich also mit Schwangerschaftstee und Kuschelkissen in meinen Lieblingssessel verkrümelt, diverse Staffeln „Friends“ geschaut und abgewartet, während KV noch mal los ist zu einem Termin. Um ca. 21:30 bin ich dann aufgestanden, um mir in der Küche noch eine Kanne Tee zu machen. In dem Moment ging es schlagartig los - jetzt musste ich wirklich Wehen weg atmen und mich dabei irgendwo abstützen. Also

    KV angerufen, dass er fix kommen soll, Taxi gerufen (wir hatten kein Auto) und im Geburtshaus Bescheid gesagt, dass wir nun kommen. „Alles klar! Ich bin schon mit einer anderen Geburt beschäftigt, aber XY ist ja auch da und kümmert sich um euch!“ war die Antwort.


    KV kam 10 Minuten nach meinem Anruf angesprintet, hat sich unsere Tasche geschnappt und schon war auch das Taxi da. Vorm Taxi schnell noch eine Wehe veratmet - der junge Fahrer kriegte riesige Augen und ganz offensichtlich Sorge, dass er gleich irgendwo auf der Straße Geburtshelfer spielen müsse. „Schnell?“, fragte er in gebrochenem Deutsch und wir nickten eifrig - im Auto sitzen war zu diesem Zeitpunkt keine bequeme Sache mehr. Er hat seine Aufgabe auch sehr ernst genommen und ist mit einem Affenzahn durch die Stadt und über diverse rote Ampeln gerast (was kein Problem war, da unsere „Stadt“ ab 21 Uhr wie ausgestorben ist). 3 Minuten nach Fahrtbeginn waren wir schon da und haben so auf die Sekunde genau die Pause zwischen zwei Wehen für die Fahrt genutzt. Also aus dem Auto raus, schnell noch die Wehe veratmet und dann ab ins Geburtshaus, wo die zweite Hebamme der Nachtschicht uns schon im gemütlichen Geburtszimmer erwartete. Kurz hat sie mich an den Wehenschreiber gehängt und die Öffnung des Muttermundes kontrolliert (7cm), dann saß/lag ich ab 22 Uhr bei Kerzenschein in der Badewanne und veratmete meine Wehen weiter, während KV und die Hebamme mich mit Wasser, Tee, Unterhaltung und ruhigen Anweisungen versorgten. Die Wehen waren in der Wanne prima auszuhalten, wurden aber allmählich stärker. Um Mitternacht etwa platzte dann die Fruchtblase und die Wehen gingen in heftige Presswehen über. 2-3 musste ich noch aushalten, bis mein Muttermund weit genug geöffnet war - das war der schwierige und unangenehme Teil. Dann durfte ich aber zum Glück dem Pressdrang nachgeben und ab da ging alles ganz schnell. Es floss viel Blut in die Wanne und ein kleines dunkelhaariges Köpfchen kam in unser Blickfeld. Beim dritten Pressen konnte ich spüren, wie meine Tochter ihre Schulter drehte, um ihren Oberkörper aus dem Geburtskanal heraus zu bekommen - ein wirklich skurriles, aber nicht direkt schmerzhaftes Gefühl. Dann noch 2 Wehen und dann schwamm um 00:35 unsere perfekte kleine Tochter mit kohlrabenschwarzen Haaren vor mir in der Wanne und sah sich um. Die Hebamme holte sie heraus, legte sie mir in den Arm und ließ uns frisch gebackene Eltern erst einmal eine kleine Weile allein. Unsere Tochter lag einfach nur ganz ruhig da, machte ihre ersten Atemzüge und guckte mich an. Auf mich wirkte sie völlig entspannt und interessiert an ihrer neuen Umgebung. Das änderte sich auch nicht, als die Hebamme wieder kam, der frisch gebackene Papa die Nabelschnur durchschnitt und unsere Tochter dann gemeinsam mit der Hebamme wusch, wog und in Decken wickelte. Sie blieb weiterhin ganz ruhig und schaute nur aufmerksam zu, was da geschah. Ich war inzwischen sehr müde, also haben mich KV und Hebamme aus der

    Wanne gefischt und dann durften wir uns zu dritt in das große Familienbett im Raum legen. Unsere Tochter hat kurz an meiner Brust genuckelt und dann konnten wir alle erst einmal ein Ründchen schlafen. Nach einer Weile kam dann noch die Nachgeburt, unsere Tochter trank noch einmal, ich wurde noch mal untersucht und versorgt (einen kleinen Einriss der oberen

    Hautschichten hatte ich mir doch zugezogen, aber zum Glück keinen Dammriss o.ä.) und dann ging es mit dem Taxi wieder heim.


    Auf Anraten meiner Hebamme bin ich artig zwei Wochen lang im Bett geblieben, während KV sich rührend um mich und unsere Tochter gekümmert hat und unsere Verwandten uns brav in Ruhe ließen. Die Hebamme kam täglich vorbei, um zu sehen, wie es uns geht und um mal für 10 Minuten in unserer entspannten Atmosphäre Luft zu holen und einen Kaffee zu trinken, bevor sie wieder weiter musste. Dass sie sich bei uns so wohl fühlte, hat uns immens gefreut. Ansonsten haben wir viel gelesen, geschlafen oder einfach nur dagelegen und unserem winzigen Wesen beim zufriedenen Schnarchen auf unseren Bäuchen, im Bett zwischen uns und in unseren Armen zugesehen. Ich glaube, das war für uns alle drei von vorn bis hinten eine ziemlich schöne, entspannte Geburt und eine sehr interessante und bereichernde Erfahrung.


    Rückblickend kann ich allen, die wie ich keine großen Fans von Krankenhaus-Atmosphäre sind, nur wärmstens empfehlen, sich mit dem Thema Geburtshaus auseinander zu setzen. Basierend auf meiner Familien-Geschichte war zu erwarten, dass mein Körper mit Schwangerschaft und Geburt prima klar kommen würde und tatsächlich war das auch der Fall (ich hatte nicht mal morgendliche Übelkeit und hätte im Prinzip bis zum Termin prima arbeiten können, habe jedoch eine Woche vorher aufgehört, um ein wenig zu entspannen). Es bestand also kein Grund, zu erwarten, dass wir die Hightech-Ausrüstung des Uni-Klinikums oder deren Säuglings-Intensivstation brauchen würden. Davon abgesehen sprachen die Zahlen, die wir bei den Besichtigungen erfuhren, für sich: Das Geburtshaus hatte zwei Geburtsräume mit Wannen und diversen Geburtsmöbeln, das Klinikum drei Kreißsäle, jedoch nur einer davon mit Wanne. Im Klinikum waren schon beim Besichtigungstermin ganze Heerscharen von Paaren da (ungelogen!), die Geburtenrate und damit der Raumbedarf um ein Vielfaches höher als im Geburtshaus. Die Betreuung lief im Klinikum in Schichten, immer eine erfahrene Hebamme mit mehreren Schülerinnen, Wechsel alle paar Stunden. Im Geburtshaus gab es zwei Schichten: Tag und Nacht. Es waren immer mindestens zwei Hebammen vor Ort, dazu maximal eine Schülerin. Das Klinikum war für Notfälle nur 6 Minuten entfernt - es gab außer möglichen persönlichen Vorlieben schlichtweg keinen Grund, der bei einer natürlichen Geburt für das Klinikum hätte sprechen können. Demzufolge war das Geburtshaus für mich und für KV in jeder Hinsicht die richtige Entscheidung und wir sind uns immer noch einig, dass wir beide jederzeit wieder dort hin gehen würden, sollte einer von uns noch mal Nachwuchs bekommen.

    "Wenn wir einfach alles anzünden, sparen wir uns viele Zwischenschritte.“ Marina Weisband

  • Ach so, falls sich jetzt jemand wundert wegen der zwei Wochen Bettruhe: Ich bin klein und schmal, da musste sich für die Geburt sehr viel umformen und hinterher wieder zurück formen. Ich hätte natürlich schon längst wieder laufen können, aber meine Hebamme meinte, sie würde sehr mit mir schimpfen, wenn ich nicht wenigstens zwei Wochen liegen bleibe, um meinem Körper Zeit für eine entspannte und fehlerfreie Rückbildung der nötigsten Bereiche zu geben. Und wer will sich schon über zwei Wochen Frühstück im Bett und Lesen beschweren?!

    "Wenn wir einfach alles anzünden, sparen wir uns viele Zwischenschritte.“ Marina Weisband