Hallo!
Mein Kind ist in der 1. Klasse, die Kindern haben den Zugang zum Antolin erhalten. Nun sollen also fleißig Punkte gesammelt werden. Und ich habe ein Problem damit.
Ich liebe Bücher und ich lese gern. Seit ich lesen kann. Vorher habe ich gern Geschichten vorgelesen bekommen. Das Lesen bedeutet mir unheimlich viel. Und es ist etwas Intimes. Ich lese gern in der Badewanne, an schönen Orten, im Bett. Und ich habe mir gewünscht, dass meine Tochter einen ähnlichen Weg zum Buch findet. Dass sie liest um des Lesens willen. Nicht um des Wettbewerbs willen.
Für mich sind Bücher wie Freunde. Noch besser. Man kann sie in seinen dunkelsten Stunden aus dem Bücherregal holen, sich bei Liebeskummer und Schlafslosigkeit um 4 Uhr morgens von einem Ratgeber, einer Geschichte trösten lassen. Ich wollte, dass mein Kind Bücher so kennenlernen kann. Ich wollte sie die Welt des Lesens für sich selbst entdecken lassen.
Aber nun gibt es den Antolin. Und die Eltern der anderen Kinder. Deren Art mir davon zu erzählen, macht mir nur Stress. Seit Tagen wird mir erzählt, wieviele Bücher ihre Kinder schon gelesen haben, wie dick, wie viele Seiten. Wieviele Punkte sie dafür bekommen, was sie schon alles gesammelt haben. Dass es dafür eine Urkunde gibt. Ich habe dazu gesagt, dass ich bei keinem meiner eigenen Bücher jemals die Seiten gezählt habe. Wozu denn? Ich lese doch kein Buch, damit ich hinterher mit der Seitenzahl auftrumpfen kann. Ich habe auch nicht gezählt, wie viele Bücher ich meiner Tochter vorgelesen habe. Wozu? Ich lese, weil ich neugierig bin. Weil ich in dem Buch versinken will. Mich in der Geschichte verlieren. Träumen. Darüber nachdenken will. Und vielleicht möchte ich meine Gedanken über ein Buch auch mit keinem teilen. Was ich finde, mein gutes Recht ist.
Meine Tochter soll nun also für den Antolin lesen. Um dafür Punkte zu bekommen und eine Urkunde. Die Lehrer möchten, dass die Kinder regelmäßig lesen und ihr Leseverständnis geweckt wird. Die Eltern möchten mit mir im Wettstreit liegen welches Kind das Schnellste, Fleißigste und Schlaueste ist.
Ich möchte meine Ruhe davor haben. Und ich möchte, meiner Tochter die Möglichkeit eröffnen, durch das Lesen eine Welt zu entdecken, die ihr Freude und Trost schenken kann. Ich habe ihr ein Tagebuch geschenkt. Da schreibt sie jetzt regelmäßig hinein. Ich darf da auch nicht reinschauen. So habe ich es mir für sie gewünscht.
Nun als der Antolin. Nun wird das, was sie abends in ihrem Bett liest, beurteilt und es werden dazu Fragen gestellt. Verständnisfragen. Ich wollte, dass sie ein Buch für sich entdeckt. Man liest und dann passiert etwas. Emotionen, Bilder, Assoziationen...eigene Geschichten und Gedanken...es dauert ja auch manchmal etwas, bis man ein Buch verarbeitet hat. Ich habe Bücher lesen nie mit Konsum in Verbindung gesetzt. Ich habe schon Bücher gelesen, nach denen ich einen Monat Pause machen musste. So berührt war ich. Ich wollte, dass meine Tochter das lernt. Wie man ein Gespür für sich selbst entwickelt und für die eigenen Bedürfnisse. Und keinen Run auf möglichst viele Punkte macht.
Nun meine Frage? Wie macht ihr das?
Im Moment denke ich, wir zetteln keine Grundsatzdebatte an, meine Tochter sammelt die Mindestpunktzahl für eine Urkunde und dann machen wir so weiter wie gehabt. Sie liest was und wann sie will und entwickelt ihr eigenes Lesen und Tempo.