Qualifizierte Familienrichter?

  • Nach einem Jahr hat sich noch nicht viel getan … Der Deutsche Bundestag hatte letztes Jahr am 7. Juli 2016 folgende „Entschließung“ verabschiedet im Rahmen der Beratungen des Gesetzes(BT-Drs 18/9092, S. 8): zur weiteren Änderung über das Verfahren in Familiensachen:


    „Zwar findet sich in der Praxis eine Vielzahl qualifizierter und sehr engagierter Familienrichter und Familienrichterinnen. Desgleichen wird teilweise aber auch Personal mit geringen richterlichen Erfahrungen, insbesondere auf dem Gebiet des Kindschaftsrechts in Familiengerichten eingesetzt. Den Familienrichterinnen und -richtern wird gleichwohl die Verantwortung für Entscheidungen in komplexen Kinderschutzverfahren und hochkonflikthaften Sorge-und Umgangsstreitigkeiten übertragen. Es ist dann ihre Aufgabe, zum Teil hochemotionale Verfahren in der gebotenen Weise vorrangig und beschleunigt durchzuführen, teilweise traumatisierte Kinder anzuhören und unter anderem darüber zu entscheiden, ob die Einholung eines Gutachtens überhaupt geboten ist. Sie müssen Sachverständige sorgfältig auswählen, die richtigen Fragen stellen und das Gutachten auf seine Verwertbarkeit hin überprüfen. Richterliches Problembewusstsein ist vor diesem Hintergrund insbesondere für die betroffenen Kinder, aber auch für die übrigen Beteiligten von herausragender Bedeutung.“


    Im Klartext sollte den Amtsgerichtsdirektoren deutlich gemacht werden, bitte gerade als Familienrichter nur solche Richterinnen und Richter zu berufen, die kompetent sind, also an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen und Berufserfahrung haben. In den Diskussionen wurden grundlegende Qualifikationsanforderungen gefordert, wie sie zB gesetzlich verankert für Insolvenzrichter bestehen (da geht es jedoch um Geld, Firmen, Arbeitsplätze …).
    Als 1977 die Familiengerichte geschaffen wurden, war die Idee, dass das Amt des Familienrichters eine Beförderung sei. Also nur Richter, die sich vorher in anderen Bereichen bewährt hätten, sollten berufen werden. Das ist jedoch nicht verwirklicht worden.
    In der Urfassung des § 23b GVG war bestimmt, dass nur bereits als Lebenszeitrichter anerkannte Richter als Familienrichter eingesetzt werden dürften. Das ist jetzt nicht (mehr) so. Heute darf bereits ein Proberichter nach einem Jahr Dienstzeit als Familienrichter Verfahren leiten. Da das Familienrecht nicht zum Prüf- und damit Lernstoff für das erste und zweite Staatsexamen zählt, werden sich junge Juristen ausgesprochen selten in der Studienzeit mit Familienrecht beschäftigen. Zumal er nicht weiß, ob er jemals in dem Bereich tätig sein wird. (Mit Raumfahrtrecht beschäftigen sich sicherlich auch wenige Juristen im Studium …).
    Familienrecht ist also sehr häufig „learning by doing“. Und es werden Dinge vom Familienrichter verlangt – ausgleichende Kommunikation mit den oft emotional verstrittenen Eltern, ohne dass hier einer „Recht“ oder „Unrecht“ hat; Grundwissen im analytisch-diagnostischen Bereich, wenn Gutachter eingeschaltet werden (müssen) -, die nicht zwingend zum „Juristenhandwerk“ gehören.
    Hinzu kommt: Familienrecht ist keine Karrieresprungbrett. Befördert wird man wesentlich eher im Landgerichtsbereich als im Amtsgerichtsbereich. „Freiwillig“ wird also nur Familienrichter, wer es als besondere Aufgabe sieht (danke für jeden, der das aus innerer Berufung tut!) – oder wer sich gegen den Job nicht wehren kann oder wer keinen anderen Richterjob bekommt.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Hmm also bei mir waren alle die ich hatte 4 Richter kompetent das haben mir mehrere Anwälte die ich zu den Personen befragt habe bestätigt.
    Die waren auch alle ü50, die eine Richterin dürfte die 50 noch nicht genommen haben.

  • Ich befürchte, bis der Bundestag so einen deutlichen Satz:
    "Zwar findet sich in der Praxis eine Vielzahl qualifizierter und sehr engagierter Familienrichter und Familienrichterinnen. Desgleichen wird teilweise aber auch Personal mit geringen richterlichen Erfahrungen, insbesondere auf dem Gebiet des Kindschaftsrechts in Familiengerichten eingesetzt"
    in eine Entschließung reinschreibt und damit ja deutliche Kritik am Justizwesen übt, muss denen eine ganze Menge zu Ohren gekommen sein.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Ich befürchte, bis der Bundestag so einen deutlichen Satz:
    "Zwar findet sich in der Praxis eine Vielzahl qualifizierter und sehr engagierter Familienrichter und Familienrichterinnen. Desgleichen wird teilweise aber auch Personal mit geringen richterlichen Erfahrungen, insbesondere auf dem Gebiet des Kindschaftsrechts in Familiengerichten eingesetzt"
    in eine Entschließung reinschreibt und damit ja deutliche Kritik am Justizwesen übt, muss denen eine ganze Menge zu Ohren gekommen sein.

    Ist halt die Frage ob es sich dabei um fachliche Qualifikation oder ideologie handelt.
    Bei meinen ersten 2 Richtern* haben mir die Anwälte die ich gefragt habe durch die Bank weg gesagt "Ach du scheiße na dann viel Glück das ist kein Richter* das ist ein politischer Soldat*" hmm macht dann mut.
    Wie schon gesagt fachlich haben die den 4 Richtern* jeweils sehr gute fachliche Qualifikationen attestiert.


    Mehr kannich dazu aus meiner sicht nicht sagen. Die Fälle wurden bei 3 Richtern sehr schnell bearbeitet usw.



    *geschlechtsneutral zu sehen, danke

    Einmal editiert, zuletzt von Agrippa ()

  • In aller Kürze zusammengefasst: "Tatort Familiengericht"


    Da die Anwälte für Familienangelegenheiten vermutlich regelmäßig mit immer wieder denselben Richtern zu tun haben werden, könnte ich mir vorstellen, dass die sich da gegenseitig in Frieden lassen und gegebenenfalls die Beratung ihrer Mandanten so anpassen, dass sichergestellt ist, dass der eine dem anderen nicht weh tut und nach Möglichkeit ein Vergleich erreicht wird. Und dann gibt es natürlich auch noch solche Richter, welche einfach schon voreingenommen sind und ihre Fälle möglichst rasch ad acta legen wollen. Ob die dann wirklich an einer guten Lösung für das Kind interessiert sind, wage ich manchmal zu bezweifeln.


    Aber zum Glück habe ich derzeit nichts mit Robenträgern zu tun und hoffe, das bleibt auch noch eine Weile so.

  • Hallo,


    ich hatte mich bisher noch nicht damit beschäftigt...und ehrlich gesagt bin ich schon davon ausgegangen, dass man beim Familiengericht als RichterIn schon ne Ahnung von der Materie haben muss, also ne Aus-bzw. Fortbildung dahingehend, bevor man auf naive Leute losgelassen wird, die sich auf das Urteil/Beschluss usw. verlassen (müssen). Daher kommen wohl auch die vielen Vergleiche (Vergleichsgebühr auch nicht zu verachten).


    Nun wundert mich dann auch gar nichts mehr. Ich war noch nie beim Familiengericht und werde alles mögliche dafür tun, niemals ahnungslose Sesselpupser über mein Privatleben entscheiden zu lassen. Eher verzichte ich auf meine Rechte - und das dann aber in Eigenregie.

    Grüsse Tani :wink



    Du bist nicht das was Du sagst, sondern das was Du tust!

  • Es gibt in der Eigenerfahrung je nach Häufigkeit der Auseinandersetzungen Höhepunkte und Tiefpunkte. Im Rahmen der Vermoegensauseinandersetzung im Scheidungsverfahren hat das hiesige OLG geschlagene sieben Mal die Berechnungen des FamRichters kassiert und zur Neuberechnung zurück über wiesen. Beim letzten Mal hat es der Amtsgerichtspraesident an sich gezogen und mit seinem Leiter der Gerichtskasse persönlich gerechnet. Dann erst waren keine eklatanten Fehler drin. - Hier hatte einfach Grundwissen gefehlt. Und bei Zahlen ist der Denkfehler relativ einfach nachweisbar. Bei Kundschaft Sachen weniger.
    Da war mein Negativhöhepunkt ein Richter, der meiner Ex das ABR zusprach, das sie per Klage eingefordert hatte. Der Richter war Ersatzrichter für den versetzten Vorgänger. Seine Begründung für den Entscheid: 1. gehören Kinder zur Mutter, Väter können das nicht. Er hätte noch nie gesehen, dass das klappt. 2. Kinder sollen nicht aus ihrem Lebensumfeld gerissen werden 3. Kinder hätten sich eindeutig dafür ausgesprochen, dass alles unveraendert bleiben soll.
    Problem war, dass er die Akte nicht richtig gelesen hatte. Die Kinder lebten nach der Trennung seit Jahren bei mir. Und genau das wollten sie nicht aendern.
    Auf die Nachfrage nach dem Urteil im Gerichtssaal, wann denn jetzt die Kinder mit ihren Sachen der Mutter übergeben werden müssten - heute oder bis sie aus ihrer Einraumwohnung in eine grössere gezogen sei, falls sie das beabsichtige -, und wer die Teenagerkinder denn gegen ihren erklaerten Willen überführen wuerde, wurde der Richter erst blass, dann sauer und erklärte, auch wenn er "natürlich" die Akte nicht vollständig habe lesen können, hätte er die entscheidenden Eindrücke gewonnen. Es stünde ja der Weg zum OLG offen, wenn man nicht einverstanden sei.
    (Das OLG fand die Entscheidung weniger lustig und sprach von eklatanten und grundlegenden Mängeln, als es das Urteil einen Tag nach der Eingabe im schriftlichen Verfahren aufhob.)


    Einen engagierten Richter hatte ich hingegen in einem anderen Verfahren. Der hat die Entscheidung ausgesetzt und dem betroffenen Kind angeboten, die Moeglichkeiten auszuprobieren und ihn anzurufen, wenn es sich "sicher" sei. - Unkonventionell, aber in der Situation kindgerecht und treffend. Das fanden sogar beide, eigentlich zerstrittenen Eltern.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.