Bedürfnisorientierte Erziehung

  • Angeregt durch eine Einladung zum obigen Thema an der Pinnwand des Kindergartens (leider kann ich wohl nicht teilnehmen), habe ich mich trotzdem gefragt, was sich dahinter verbirgt - nachzulesen etwa hier. Danach geht es darum, die (wahren) Bedürfnisse des Kindes zu erkennen, ernst zu nehmen und darauf einzugehen, sofern möglich - im Unterschied zu den Wünschen, die Kinder nun mal so haben können. In der Einladung war ersichtlich, dass es ein Anliegen der Referentin ist, diesen Erziehungsstil in Verbindung mit dem Setzen von Grenzen zu sehen.


    Wie gelingt es Euch, die Bedürfnisse Euer Kinder zu erkennen, wie geht Ihr im Alltag darauf ein? Wo seht Ihr selbst den Unterschied zwischen Wünschen und Bedürfnissen in Eurem Alltag?

  • Ich empfehle dir das Buch:


    https://www.amazon.de/gew%C3%B…eibt+mich+in+den+wahnsinn


    Du bist zwar mit der Trotzphase weitestgehend durch, der Ansatz ist aber der gleiche.


    Und es geht dabei nicht, wie fälschlicherweise oft vermutet, nur um die Bedürfnisse der Kinder. Sondern um die aller mit den Kindern agierenden Mitmenschen, und ein Abwägen. Letztlich: Bekommt man die Erfüllung der Bedürfnisse aller hin, wenn diese kollidieren, und wenn nicht, welches Bedürfnis wiegt schwerer. So hat man natürlich zu Beginn ein gewisses Ungleichgewicht, ( klar, bei Babys etc, welches sich aber mit zunehmendem Alter angleicht.)


    Ja, dabei sind Wünsche nicht Bedürfnisse. wenn ich mal einen Klassiker nehme, wenn das Kind süsses oder Fernsehen möchte, kann dabei oft das Bedürfnis nach Entspannung stecken.


    Dann gibt es das Autonomiebedürfnis, dass Bedürfnis nach Anerkennung, etc. Oft kann man Wünsche und Bedürfnisse wirklich nicht so gut trennen, was ja nicht weiter schlimm ist, weil man ja auch Wünsche erfüllen kann. Aber wenn du bspw das Kind nicht Fernsehen lassen möchtest, kannst du überlegen, was vielleicht dahinter steckt und überlegen, ob du dieses Bedürfnis auf andere Weise stillen kannst.


    Auch geht man davon aus, dass jedes Verhalten des Kindes ( "Trotz" , Wut etc einem Grund unterliegt, nämlich in der Regel einem unerfüllten Bedürfnis. ).


    Und ja, die Bedürfnisorientierte Erziehung beinhaltet ganz klar Grenzen. Sozusagen natürliche Grenzen. Nämlich schon gegeben durch die Bedürfnisse der Mitmenschen. Das Kind soll ja nicht nur seine eigenen Bedürfnisse erfüllt bekommen, sondern auch die Bedürfnisse der anderen erkennen, ebenso wie deren Grenzen und versuchen, mit dem Gegenüber zusammen eine - nach Möglichkeit verbindende - Lösung zu finden. Ich setze halt nicht einfach irgendwelche Grenzen, sondern jeder sollte seine persönliche Grenze aufzeigen und durchaus auch begründen.


    Wenn man das früh einübt , funktioniert das wunderbar. Im Grunde ist es nichts anderes als ein gleichwertig respektvolles miteinander.


    Bei Babys bis zu- ich glaube einem Jahr- wird es als Attachment Parenting bezeichnet. bindungs- / Bedürfnisorientierte Erziehung. Da ist es letztlich so, dass du davon ausgehend, dass man Babys nicht verwöhnen kann, alle Bedürfnisse erfüllst, solange das Baby sie möchte. stillen, Tragen, Nähe, nicht schreien lassen etc. Letztlich hat Junior zum Bspw alles selbst abgelegt. Er hat 12 Monate auf dem Arm geschlafen tagsüber, bis er von selbst im Bett schlafen wollte, er hat den Schnuller selber abgegeben, irgendwann selber keine Flasche mehr gewollt etc. Aber der Schnuller ist zum Bspw etwas, was irgendwann mit dem Bedürfnis der Eltern bezgl der Gesundheitsfürsorge kollidieren könnte. wenn das Kind dann mit 3,5 / 4 immer noch ein Schnuller hätte, müsste man eben überlegen. Genauso das schlafen, Wenn eine Mutter nicht mehr würde Einschlafstillen praktizieren könnte, dann schaut man eben, wie die Bedürfnisse beider zu bewerkstelligen sind.


    Bedürfnisorientierte Erziehung bedeutet nicht komplette Aufopferung.

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  • Auch geht man davon aus, dass jedes Verhalten des Kindes ( "Trotz" , Wut etc einem Grund unterliegt, nämlich in der Regel einem unerfüllten Bedürfnis. ).


    Danke für den Hinweis auf das Buch. Von den Autorinnen gibt es auch einen Blog desselben Namens. Wie geht Ihr damit um, wenn Eure Kinder wütend sind? Wenn sie dann über die Stränge schlagen, z. B. indem sie wild um sich schlagen oder Euch beschimpfen? Was tut Ihr, um ihnen zu helfen, sich wieder abzuregen?


    Mir ist es wichtig, dass meine Kinder wissen, dass es in Ordnung ist, wütend zu sein, aber nicht in Ordnung, dabei anderen körperlich weh zu tun. Es gibt dazu ein nettes Büchlein, dass ich ab und an mit meinen Kindern lese, aber ich muss zugeben, dass wir noch keine passenden Rituale gefunden haben, wie sie schöpferisch mit ihrer Wut umgehen können.


    Das Kind soll ja nicht nur seine eigenen Bedürfnisse erfüllt bekommen, sondern auch die Bedürfnisse der anderen erkennen, ebenso wie deren Grenzen und versuchen, mit dem Gegenüber zusammen eine - nach Möglichkeit verbindende - Lösung zu finden.


    Wie sieht es aus, wenn mit wachsendem Alter das Streben nach Autonomie in den Vordergrund rückt (z. B. Pubertät), man nach Möglichkeit mit der eigenen ("peinlichen") Familie nichts mehr zu tun haben möchte, weil man ja schon so "groß" ist, wenn man als Eltern nicht (mehr) auf Kooperation der Kinder bauen kann?


    Ich habe so das Gefühl, dass weit davor die Pflege der Beziehung zu den eigenen Kindern steht. Wenn man da ein grundsätzliches Miteinander voraussetzen kann, dann hat das Kind auch die Gewißheit, bedingungslos geliebt zu sein, unabhängig von kritischen Momenten. Wie gelingt es Euch im Alltag, die Beziehung zu Euren Kindern zu pflegen?

  • Wie gelingt es Euch, die Bedürfnisse Euer Kinder zu erkennen, wie geht Ihr im Alltag darauf ein? Wo seht Ihr selbst den Unterschied zwischen Wünschen und Bedürfnissen in Eurem Alltag?


    Gute Frage, nächste Frage....


    Nicht immer leicht alles zu erkennen und richtig zu handeln......
    Erfahrungen sammeln durch vieles...Kinder, Bücher, sich mit anderen Menschen austauschen........

  • Naja, zunächst einmal hat mir total geholfen, zu verstehen, was quasi im Gehirn eines Kindes bei Wut vor sich geht, und wie das mit der Impulssteuerung ist.


    Dann habe ich seid er 3-3,5 ist quasi Alternativen angeboten. Zunächst einmal Stopp, ich verstehe, dass du wütend bist, weil, oder du bist so wütend, aber ich will nicht gehauen werden. Versuch mal....


    Es hat lange gedauert, er hat dann für sich seine Lösung gefunden. Und auch, wenn die nur im Ansatz angewandt wurde, habe ich es "bemerkt" und bin auf das Hauen nicht mehr eingegangen.


    Es wurde dann halt immer öfter. Und natürlich den Auslöser suchen und beseitigen.


    wenn er sehr körperlich ist bspw könnte das "Schieben" gut funktionieren. Das hat Junior auch eine Zeitlang angenommen. Selbst gewählt hat er später in ein Zimmer zu stürmen, Tür zuzuwerfen und zu schimpfen.


    Genauso habe ich demonstriert, wie ich mit Wut umgehe.


    Wenn sie älter sind, kann man auch noch andere Dinge, versuchen zu üben. Atmen, Zählen, das stumme Wutgespräch, und den Schlüssel. Den die Kinder auch bei dir benutzen dürfen. Ein Schlüsselwort, vom Gegenüber ausgesprochen, was dem wütenden hilft, die rationale Gehirnhälfte wieder zu aktivieren. Bei Junior ists ein Satz. Dann komm ich wieder runter :-)


    Mit älteren Kindern kann man sogar schon darüber sprechen, was im Gehirn abläuft, um sich selbst zu verstehen, und man kann ruhig auch mal zugeben, dass es selbst Erwachsenen manchmal mit der Impulsivität schwer fählt und man üben muss.


    Das Prinzip der Erziehung baut quasi auf die Zukunft auf.


    Junior ist ja noch nicht in der Pubertät, aber 6 und je älter er wird, desto besser funktioniert es. Er weiß, dass für ein respektvolles Miteinander auch sein Beitrag erforderlich ist. Er ist absolut selbst bestimmt, solange er nicht die Grenzen von anderen damit verletzt quasi. Und es muss halt im Alltag durchgezogen werden. Wenn er jetzt bspw etwas möchte, und ich will partout nicht, weil ich ein komplett anderes Bedürfnis habe, sage ich das auch. wenn er dann sagt, mach ich aber doch, dann gibt's ein "Halt stopp" so funktioniert das nicht" Lass dir eine Lösung einfallen. Wir können uns eine einfallen lassen, aber es zählt nicht nur dein Bedürfnis / Wunsch. Er erklärt es, oder er schlägt etwas vor. Genauso verzichtet er zunehmend zu meinen Gunsten bspw.
    Ich sag immer zu ihm, wir finden für alles eine Lösung, dass Minimum, was ich erwahrte ist, dass er Kommunikationsbereit ist und gemeinsam nach einer Lösung sucht.


    Als er noch ziemlich klein war, habe ich mich auf die wildesten Ideen eingelassen, damit er halt sieht, dass es sich lohnt, wenn er da Einsatz zeigt. er ist es also gar nicht anders gewohnt. Ich geh daher davon aus, dass zumindest in den Anlagen, dass auch noch in der Pubertät vorhanden ist.


    Gleichzeitig weiß er aber auch, dass ich der Leitwolf bin und wenige bestimmte Dinge von mir vorgegeben und entschieden werden. Bspw Medis, Verhalten im Straßenverkehr. Das stellt er auch nicht in Frage




    Wen ein Kind es nicht anders kennt, wird es das Verhalten vom Grundsatz her auch als Pubi fortführen ( so die Idee)

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  • Ein Rezept wird es da auch nicht geben. Meine Kinder z.B. zeigen ihre Bedürfnisse auf ganz unterschiedliche Weisen.
    Insgesamt steht hinter dem Konzept ja das Bild des kompetenten Kindes. Das mag ich sehr gerne, denn ich halte es für grundlegend wahr. Meine Aufgabe ist es dann "nur noch", die Bedürfnisse, die mein Kind äußert zu erkennen und im Rahmen meiner Möglichkeiten zu erfüllen und sie vor allem erst nehmen. Ich finde, dass meine Kinder da sehr klar sind.
    Mein Großer ist ja nun schon 4,5 Jahre alt und mit ihm kann man super Dinge aushandeln. Mir ist es wichtig, dass meine Kinder mich nicht als übermächtige Bestimmerin erleben, die willkührlich irgendwelche Regeln aufstellt und durchsetzt. Deswegen versuche ich immer zu begründen, warum ich etwas möchte bzw. nicht möchte. Dabei verzichte ich auf "weil man das so macht"-Begründungen. Wir haben gemeinsam besprochen, dass es Dinge gibt, die wichtiger sind, als andere. Dazu gehören: Essen, Trinken, Schlaf, Toilettengänge, Trost, Liebe und Nähe. Gleichzeitig vermittle ich den Kindern, dass hier 4 Lebewesen wohnen, die Bedürfnisse haben (Kinder, Hund, ich). Wenn zwei oder mehr Bedürfnisse aufeinander prallen, wägen wir gemeinsam ab, bzw. haben da natürlich auch schon unsere Muster. Beispielsweise geht es ja schneller, der Kleinen ein Glas Wasser zu geben, als mit dem Großen eingekuschelt ein Buch zu lesen. Also muss die Kleine nicht erst warten, bis wir fertig sind, sondern das Bedürfnis wird vorgezogen. Anschließend hat der Große aber auch ein Recht auf ungestörte Aufmerksamkeit. Oft hat er da ganz tolle Ideen, wie man Dinge machen könnte, damit alle zufrieden sind. Es gibt aber auch Dinge, die ich nicht diskutiere, sondern nur Begründe (z.B. Anschnallen im Auto, Zähneputzen,...).
    Um den Kindern zu helfen ihre Bedürfnisse zu formulieren, bemühe ich mich, meine Bedürfnisse ihnen gegenüber möglichst klar zu formulieren. Mein Großer kann das erstaunlich gut und klar und erkennt seine Grenzen sehr gut. Selbst im Kindergarten ist er damit schon positiv aufgefallen. Die Äußerungen der Kleinen übersetze ich oft noch für den Großen, wenn die beiden sich nicht verstehen.
    Ich formuliere auch immer ganz bewusst, dass wir uns miteinander streiten und nicht, dass meine Kinder nicht auf mich hören.


    Zum Umgang mit Wutanfällen kann ich wenig schreiben, denn mein Großer ist ein sehr "in sich ruhendes" Kind, das selten Wutanfälle bekommt. Falls doch, äußert es sich bei ihm meistens mit Gebrüll und Verweigerung. Da lasse ich ihn einfach wütend sein. Darf er ja auch.
    Meine Kleine ist da ein anderes Kaliber, bei ihr steigert es sich gerade ziemlich (sie ist gerade 2 geworden). Neulich hat sie sich vor lauter Wut, weil ich ihre Zähne nachputzen wollte, selbst in die Hand gebissen. Wohlgemerkt, bevor ich geputzt habe, allein durch die Ankündigung und obwohl Zähneputzen grundsätzlich kein Problem ist. Wie ich in Zukunft auf diese Art der Aggression reagieren werde, weiß ich noch nicht wirklich.
    Ich weiß, dass der Sohn einer Freundin sein Kopfkissen verprügeln darf/soll um seine Wut abzubauen. Generell halte ich Bewegung für eine gute und gesunde Möglichkeit mit Wut umzugehen. Kissen verprügeln, Ball werfen, eine Runde durch den Garten rennen,... und anschließend wird das dann besprochen und geschaut, wie man eine Lösung finden kann, mit der alle zufrieden sind.

    Ich bin eine Mutter - und was ist deine Superkraft?

  • musicafides: Den letzten Satz verstehe ich irgendwie nicht so richtig. Klar geht es auch um Beziehungspflege. Bzw einfach a) um den Ansatz, dass Kinder zwar nicht gleichberechtigt, aber gleichwürdig sind und ebenso viel Respekt verdienen, wie die Kinder den Erwachsenen entgegenbringen, b) das das Kind von Grund auf gewillt ist, immer sein bestmöglichstes zu tun und sich in die Sozialgemeinschaft einfügen möchte.
    Aber es geht ja nicht nur um die Eltern- Kind Beziehung, sondern auch darum , dass das Kind diese mit ins Leben und anderen Personen gegenüber übernimmt. Das sich nicht nur der Stärkere durchsetzt, dass nicht bestimmte Machtmittel genutzt werden, um seinen Willen durchzusetzen, dass die Bedürfnisse aller wichtig sind, egal ob jung ob alt, ob groß oder klein, dass man Probleme mittels Kommunikation löst, etc etc.


    Und es geht um gewaltfreien Umgang. Gut, da definiert jeder etwas anderes drunter, aber bestimmte Dinge gehen da für manche halt nicht, also andere Wege.
    Und klar möchte man auch gerne eine Beziehung zu seinen Kindern auf der Basis pflegen, die bspw ohne Erpressung, Drohungen, Druck etc auskommt. Auch während der Pubertät. Das ist letztlich Glaubensfrage. Ich und andere glauben halt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es knallt , in der Pubertät geringer ist, wenn man schon von Beginn an diese Dinge im Blick hat und vermittelt.


    Das Missverständnis ist eben oft, dass viele denken, es gäbe keine Grenzen und die Eltern würden ihre Führungsposition aufgeben. Dem ist aber nicht so. Man kann dennoch gleichzeitig vermitteln, dass es Dinge gibt, die eben dann der Erwachsene entscheiden muss.


    Und wenn wir nochmal beim Fernsehen bleiben: Etwas, was bei uns bspw klar von mir gesteuert wird: Wenn ich nicht möchte, dass er fern sieht, tut er es nicht. Ist er enttäuscht, begleite ich ihn durch diese Enttäuschung und schaue, was hinter diesem Wunsch steht. Dann biete ich ihm bspw eine Kuschel-Lesestd auf dem Sofa an ( Stichwort Entspannung), aber der Fernseher bleibt aus.


    Frasp: Hast du gut dargestellt :-)

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  • Borte Danke, das fand ich bei deinem Beitrag auch. Ich finde, dass du den Respekt im Miteinander schön beschreibst. Da haben mir die passenden Worte gefehlt. :)


    Ich bin auch gespannt, wie das wird, wenn die beiden älter werden. Insgesamt bin ich aber der Überzeugung, dass selbst wenn die Pubertät schrecklich werden sollte, dass sie danach wieder "normal" werden und nur davon profitieren können, wenn sie sich von klein auf als Person respektiert und anerkannt gefühlt haben.

    Ich bin eine Mutter - und was ist deine Superkraft?

  • Musicafides, wenn Du magst, lies mal hier:


    http://www.kloetersbriefe.de/elternbriefe.php


    Das ist im Grunde so ziemlich basierend auf dem, was Borte auch sagt. Die Elternbriefe 1-12 habe ich hier. Und einen extra, auf Ordnung bezogen. Wenn das etwas für Dich wäre, schicke ich sie Dir gerne.

    LG
    CoCo




    Halte mich fern von der Weisheit, die nicht weint; von der Philosophie, die nicht lacht und von der Größe, die sich nicht vor Kindern verneigt.
    ~ Kalil Gibran ~

  • Den letzten Satz verstehe ich irgendwie nicht so richtig. Klar geht es auch um Beziehungspflege.


    Ich denke, dass die ersten Beziehungen im Leben eines Kindes (also normalerweise zu den eigenen Eltern) sehr starken Einfluss darauf haben, wie ein Kind später Beziehungen zu anderen Menschen leben kann. Wenn es dabei die Erfahrung gemacht hat, bedingungslos geliebt zu werden (und ein Weg dazu ist es eben, Grenzen auszutesten), dann gibt das die Sicherheit, auch anderen Menschen vertrauen zu können. Und wenn das Kind lernt, dass es im Zusammenleben darauf ankommt, mehr als nur die eigenen Bedürfnisse zu erkennen, ja, dass es ein gutes Gefühl geben kann, andere Bedürfnisse zu sehen und darauf einzugehen, dann fördert das die soziale Kompetenz durch rücksichtsvolles Miteinander bereits im Elternhaus.


    Beispiel gestern: Sohn wollte gerne, dass ich ihm ein Märchen vorlese, die Tochter wollte auch gerne zuhören, aber ein anderes Märchen. Da habe ich ihnen gesagt, sie sollen sich bitte auf ein Märchen einigen, das lese ich dann beiden vor. Die Tochter hat dann im Anschluss ihrem Bruder noch ein zweites Märchen vorgelesen. Fand ich echt super.

  • Das Missverständnis ist eben oft, dass viele denken, es gäbe keine Grenzen und die Eltern würden ihre Führungsposition aufgeben. Dem ist aber nicht so. Man kann dennoch gleichzeitig vermitteln, dass es Dinge gibt, die eben dann der Erwachsene entscheiden muss.


    Da finde ich, dass es spannend wird: was entscheide ich (altersabhängig) selbst, wo lasse ich meine Kinder mitentscheiden, und in welchem Umfang. Mitentscheiden zu können, muss ja auch erlernt werden, wobei für mich wichtig ist, dabei den Kindern zu vermitteln, dass man dabei eben nicht bester Freund oder Kumpel ist, sondern dabei den Rahmen vorgibt und damit auch, welche Verhaltensweisen in Ordnung sind und welche nicht. Grenzen lege ich als Erziehungsberechtigter fest, Regeln kann man altersabhängig gemeinsam erarbeiten und vereinbaren, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Kinder dabei mitziehen. Wichtig ist mir persönlich, dass die Kinder die Grenzen nicht als willkürlich erleben und lernen, dass unerwünschtes Verhalten auch Konsequenzen nach sich zieht und Verantwortung für ihr Verhalten (auch altersabhängig) übernehmen.


    Eine Erzieherin, mit der ich im Kindergarten meines Sohnes kurz sprach, vertrat die Meinung, Erziehung ohne Grenzen sei inzwischen ein gesellschaftliches Problem. Welche Erfahrung habt Ihr diesbezüglich gemacht?

  • Ja, sehe ich auch so. Das Elternhaus bietet da eine große Basis. Und genau aus diesem Grunde "erziehen" einige, - immer mehr- bedürfnisorientiert.


    Für das Vertrauen zu anderen ist auch die Sicherheit der Bindung zu den Eltern wichtig. Wie man die am besten erzielt, dass ist wieder Glaubensfrage.


    Aber ja, genau die Tatsache, dass auch die Kinder eben Bedürfnisse anderer erkennen , und versuchen, Lösungen zu finden, ist eben ein wichtiger Bestandteil. Und genau deshalb möchten einige Elter, ohne das jetzt werten zu wollen- weg von wenn.... Dann..., Druck, Zielerreichung mittels Machtausübung und pauschalen Begründungen, "weil man das so macht, weil man.... etc", sondern immer ganz konkret Bedürfnisse äußern, situationsbedingt begründen und erörtern, und gewichten.


    Deine Kinder haben das doch gut gelöst.

  • Oh je, ich oute mich mal als Mutter, die keine Ratgeber gelesen hat, als sie schwanger war, keine Ratgeber gelesen hat, als die Kinder zur Welt kamen. Ich hab "einfach" auf mein Bauchgefühl gehört, auf gute Freunde (die selbst Eltern waren und mir da Dinge abgeguckt, die mir gefallen haben).


    Ich hab "einfach" gemacht - gerade am Anfang, wenn die Kinder so klein sind, da hab ich Ratschläge wie "Kinder müssen mal schreien" ignoriert, da hatte ich ein gutes Bauchgefühl und denke, hab da auch richtig gehandelt.


    Ab der Trotzphase bin ich nicht mehr so auf das eingegangen, was Kind grad meinte machen zu müssen; ich bin kein großer Freund von Diskussionen. Wenn mein Kind nicht an der Hand gehen wollte (an der Straße) - Pech, musste das Kind durch - da diskutiere ich nicht, sondern erkläre dem Kind einmal warum es an die Hand muss und Basta. Gleichfalls auf Parkplätzen etc. pp.


    Gleichfalls in Situationen, wo Kind meinte (ich glaub, da war die Große 10), schwarze Tapete wäre klasse in ihrem Zimmer. Nö, ist nicht klasse.


    Auch diskutiere ich nicht bei tgl. Regeln, will heißen wenn Katzenklo gemacht werden muss, muss es gemacht werden - Katzen wollen schließlich auch ein frisches Klo. Wenn Küche aussieht wie Sau, muss auch diese gemacht werden - Leben ist kein Ponyhof.


    Wenn Kind(er) am WE allerdings auspennen wollen, weil sie kaputt sind von der Schulwoche - sollen sie. Wenn sie den ganzen Tag im Bett liegen wollen - dito, hab ich kein Problem mit.


    Ich glaube, bei mir hält es sich die Waage - Dinge, die nun mal notwendig sind - klare Ansage, keine Diskussion. Dinge, die (siehe oben - WE im Bett), hab ich totales Verständnis, sollen sie machen.


    Ich fahre damit meistens ganz gut. Wenn Kind(er) absolut keine Lust haben, was zu machen, weil faul oder oder oder - Pech für sie. Ich habe auch nicht immer Lust zu arbeiten, muss aber, weil's sonst ne Abmahnung gibt, so erklär ich das immer meinen beiden. Sie maulen dann zwar echt rum - aber machen dann, was sie machen müssen.

    :thumbup: Always look on the bright side of life! 8)

  • Oh je, ich oute mich mal als Mutter, die keine Ratgeber gelesen hat, als sie schwanger war, keine Ratgeber gelesen hat, als die Kinder zur Welt kamen. Ich hab "einfach" auf mein Bauchgefühl gehört, auf gute Freunde (die selbst Eltern waren und mir da Dinge abgeguckt, die mir gefallen haben).


    Ist doch prima, wenn Du in der Erziehung intuitiv handelst und von den Erfahrungen anderer profitierst. Man muss nicht unbedingt bewusst einem bestimmten Erziehungskonzept folgen, damit Erziehung gelingen kann. Mir hilft es manchmal, mich über verschiedene Konzepte, was Erziehung angeht, kundig zu machen, gerade dann, wenn ich merke, dass ich alleine nicht weiterkomme. Umsetzen muss freilich jeder diese Konzepte selbst (so er diese selbst nutzen möchte). Insofern halte ich "einfach zu machen" nicht grundsätzlich für verkehrt.

  • Danke fürs Kompliment ;)


    Aber ich gebe auch zu, dass ich einfach nicht so ein Typ Mensch bin, der sich mit dem neuesten was-auch-immer auseinander setzt. Wenn ich z. B. heute in Cafés etc. Eltern mit Kleinkindern erlebe, geht es mir wohl so, wie der Generation vor mir mit mir damals, als meine Kinder klein waren. Mir juckts in den Fingern zu sagen "Mein Gott, hören Sie auf mit ihren Kindern zu diskutieren - machen Sie einfach, schließlich sind Sie hier nicht auf Augenhöhe, sondern der / die Erwachsene".


    Aber nun gut, muss jeder selbst wissen.


    Mir fällts besonders auf, wenn ich z. B. Elternabend habe - da sind immer diese Neunmal-Klugen-Eltern dabei, wo ich nur gepflegt in die Ecke :kotz könnte - die bei mir aber wahrscheinlich auch. :D


    VG
    Grace

    :thumbup: Always look on the bright side of life! 8)

  • Ich hab eine Freundin, die ihre Kinder unerzogen aufwachsen lässt. Und obwohl ich sie sehr gerne mag, finde ich ihren Großen leider unerträglich. Der ist einfach nur unhöflich, trampelt über jegliche Grenze hinweg, die andere Menschen so haben könnten und benimmt sich schlichtweg "daneben". Gleichzeitig fordert er aber ein, dass man ihn behandelt, wie den Nabel der Welt. Und das mach ich nicht. Ich hab miterlebt, wie sie mit ihrem damals 4,5 Jahre alten Sohn darüber diskutiert hat, ob er auf seinem 6 Monate altem Bruder herumlaufen darf, oder nicht. Oder wie wir alle 15 Minuten auf dem Parkplatz standen, weil er nicht ins Auto einsteigen wollte - mit der Ansage "Ich steig jetzt nicht ins Auto ein, weil ich will, dass ihr alle ganz lang auf mich warten müsst.". Äh sorry - mit mir nicht. Leider hat er sich auch meinem Söhnchen gegenüber mehrmals absolut daneben benommen. Söhnchen ist 9 Monate jünger und hat dem Jungen weder körperlich, noch verbal oder vom Temperament her irgendwas entgegenzusetzen. Beim gemeinsamen Urlaub war mein Kerlchen nach 2 Tagen fix und alle, hatte Alpträume, etc. Da hab ich ihr dann gesagt, dass entweder sie ihrem Sohn Grenzen setzt, oder ich mache es. Fand sie nicht gut, hat sie auch nicht verstanden. Aber ich fand nunmal, dass wenn mein Kerlchen ihrem Kind dreimal erfolglos sagt, dass es aufhören soll, ist es die perfekte Reaktion, dass er sich Hilfe holt - bei mir - und dann auch unterstützt wird.
    Wir treffen uns nur noch ohne Kinder.


    Ich habe auch keine Ratgeber gelesen, war aber "zufällig" in einem Internetforum unterwegs, dessen User ähnliche Vorstellungen hatten, wie ich. Da kam man dann in Austausch und dort habe ich tolle Anregungen bekommen, wie ich mit Situationen umgehen kann, die eben für mich individuell schwierig waren. :thanks:

    Ich bin eine Mutter - und was ist deine Superkraft?

  • Es geht doch gar nicht um oh je, oder Ratgeber / Versus Bauchgefühl ;-)


    es ist einfach andersrum. Ich habe es bspw schon von Anfang an so gemacht, vom Bauchgefühl her, ein anderer Weg wäre für mich erst gar nicht in Frage gekommen. Und ich weiß halt auch, warum ich das so mache. Erst später habe ich gelesen, dass es dafür quasi Namen gibt. Und im Austausch ist das auch recht praktisch, weil die Kurzform einem quasi schon eine Info darüber gibt, ob man auf einer Wellenlänge liegt oder nicht. Jemand könnte mir also ellenlang erzählen, wie er es aus dem Bauch heraus macht, oder einfach bspw "AP" das ist immer noch aus dem Bauch heraus. Das Ergebnis bleibt das gleiche. Die Richtung bleibt die gleiche. Es benötigt aber nur 2 Wörter, um zu wissen, wie der Gegenüber das sieht.




    So rum geht's ja auch. Ich schätze mal die wenigsten, werden zu Beginn gar nichts wissen, verschiedene Ratgeber lesen und dann ihren Kurs festlegen.
    Ratgeber lese ich zum einen über die Entwicklung von Menschen und Kindern und zum Bspw Gehirnvorgänge, wie funktioniert wann was, das ist super spannend und wie ich finde, wichtig fürs Verständnis, und dann sind manchmal gezielt Tipps praktisch, von denen man schon vorher weiß, dass sie einem entsprechen. Es gibt immer mal Situationen, wo man schon genau weiß, was für einen nicht in Frage kommt, aber gerade auf dem Schlauch steht. Dafür sind Bücher manchmal ganz nützlich, wenn man nicht gerade jemanden zur Hand hat, der einem Tipps geben kann und bei dem man weiß, der hat die gleiche Wellenlänge.


    Da Kitas , Schulen ein Konzept benötigen, ist klar, dass sie das etwas rationaler darstellen. Da wird ja nichts aus dem Bauch heraus gemacht. Die "Konzepterstellung" die Definition wurde ja vielleicht auch eher für Einrichtungen geschaffen. Jede Kita versucht ja ein Angebot zu machen, welches das jeweilige Bauchgefühl einer Zielgruppe anspricht. Und das ist ja auch richtig so. So dass jeder sich aussuchen kann, was zu seinen Vorstellungen und Erziehungswegen passt. Und damit da jeder sofort eine Einordnung vornehmen kann, geben viele dem ganzen eben einen Namen und der wird übernommen.



    was ich allerdings mache, aber auch das widerspricht ja nicht dem Bauchgefühl, dass ich mir schon überlege, was möchte ich für später, und da ich glaube, dass mein Handeln im hier und jetzt starken Einfluss auf das später hat, achte ich schon darauf, dass meine Handlungen mit meinen Vorstellungen diesbezgl kompatibel sind.


    auch hier gibt es ja verschiedene Meinungen, wobei ich aber auch hier schon vom Bauchgefühl immer meine Vorstellung und Überzeugung hatte.


    Das eine schließt das andere also nicht aus. Und gute Freunde sind im Grunde doch auch Ratgeber. :-)

  • Aber ich gebe auch zu, dass ich einfach nicht so ein Typ Mensch bin, der sich mit dem neuesten was-auch-immer auseinander setzt.


    Muss man auch gar nicht. Wie es schon im Alten Testament heißt (Prediger 1, 9): "Was geschehen ist, wird wieder geschehen, was man getan hat, wird man wieder tun: Es gibt nichts Neues unter der Sonne". Vieles ist alter Wein in neuen Schläuchen - so denke ich auch beim Konzept der bedürfnisorientierten Erziehung. Das macht aber gar nichts, es ist auf jeden Fall für mich bereichernd, zu lesen, was andere aus ihrer praktischen Erfahrung dazu schreiben.


    Mein Gott, hören Sie auf mit ihren Kindern zu diskutieren - machen Sie einfach, schließlich sind Sie hier nicht auf Augenhöhe, sondern der / die Erwachsene


    Das hast Du ziemlich gut auf den Punkt gebracht. Und den Unterschied müssen meine Kinder eben lernen: die KM behandelt sie eher auf Augenhöhe, bei mir ist es anders. Ich habe manchmal das Gefühl, dass viele Eltern sich darin unsicher ist, was sie ihren Kindern zumuten können oder wollen, oder dass sie vielleicht Angst haben, die Liebe ihrer Kinder zu verlieren, wenn sie ihnen nicht auf Augenhöhe begegnen. Auf der anderen Seite bin ich durchaus für gute Ideen meiner Kinder zu haben und gehe darauf ein, wenn es passt.

  • Frasp: Unerzogen ist ein gefährliches Pflaster. Und deinen Schilderungen nach, hat sie da auch etwas missverstanden. Die Grenze zum Laissez faire kann fließend sein, wenn man nicht aufpasst.


    Denn auch bei Unerzogen müssen Grenzen und Bedürfnisse gewahrt werden. In dem Bereich gibt's viele Missverständnisse. Dabei geht es ja im Grunde um möglichst große Selbstbestimmung für einen selber. Wo da die Grenze ist, ist selbst bei Unerzogenen ebenfalls umstritten. Der Grundgedanke gefällt mir schon und in viele Bereiche unseres Lebens fließt er auch ein. Ich käme aber ( aufgrund meines Wissens über die Hirnvorgänge beim Fernsehen und PC- Spielen) niemals auf die Idee, diese Dinge bspw komplett selbst bestimmt zu lassen.


    Es gibt eine schöne Blogseite: Physik von Beziehungen. Kennst du diese? was schade an so Bsp, wie deine Bekannte ist, ist die Tatsache, dass solche Bsp eben dazu führen, dass diese "Erziehungswege" so oft falsch verstanden und eingeschätzt werden.

  • musicafides


    Ich musste (und muss es immer noch lernen), dass ich die Erwachsene bin, ich nicht die beste Freundin meiner Kinder bin, sondern die Mutter und meine Kinder mich auch mal richtig scheisse finden dürfen und "hassen" müssen - da müssen sie durch, ich natürlich auch.


    Aber letztendlich: Es nutzt keinem etwas, wenn ich zu allem Ja und Amen sage, dann erziehe ich mir kleine, egoistische Monster.

    :thumbup: Always look on the bright side of life! 8)

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