(K)eine Änderung für AEs bei Hartz-Bezug?

  • Heute steht wohl die sog. zweite und dritte Lesung eines Änderungsgesetzes zu Hartz-4 im Bundestag an. Angekündigt ist, dass nicht mehr gesetzlich geregelt werden soll, dass Sozialzahlungen an Umgangstagen gestrichen werden, wie bereits Anfang des Monats berichtet wurde: http://www.tagesspiegel.de/pol…t-vom-tisch/13686504.html. Was und ob etwas dafür kommen wird, ist derzeit noch offen. Im Moment verfahren die Jobcenter ganz unterschiedlich in der Sache. Und das allein ist schon mehr als ärgerlich und absolut ungerecht.

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.

  • Die aktuelle Handhabung der Jobcenter bzgl. einer "Leistungsumschichtung" bei den Kindern von Bedarfsgemeinschaft A hin zu Bedarfsgemeinschaft B ist nach meinen Erfahrungen in der Tat willkürlich. Einige JC werden hier gar nicht tätig, andere sehr engagiert aber häufig fehlerhaft, was für alle Seiten viel Zeiteinsatz mit sich bringt und die Bedürftigen bis zur Klärung der Sachlage zusätzlich benachteiligt.


    Ursprünglich war geplant, die Änderungen zum 01.08.2016 per Gesetz in Kraft treten zu lassen. Für den 08. Juli wird es keine Beratung des Bundesrats dafür geben. Die nächste Lesung im Bundesrat hierzu erst am 23.09.2016. Damit ist ein Inkrafttreten der "Rechtsvereinfachungen" am 01.08.2016 ausgeschlossen. Das heißt aber nicht, daß das Thema für die AEs ganz vom Tisch ist. Das BMAS wird sich weiter damit beschäftigen und dann eine andere "Lösung" präsentieren.


    Was wenigstens genauso heftig ist wie die Benachteiligung von Trennungskindern, ist z. B. die vorläufige Nichtanrechnung der Erwerbstätigenfreibeträge bis zum Ende des Bewilligungszeitraums. Das wird für SGBII-Aufstocker ein heftiger Schlag in die Magengrube.

  • Die Lesung ist durch und im Bundestag angenommen. Die zweite Lesung im Bundesrat ist zwar verschoben worden. Allerdings sind ja die wesentlichen Anmerkungen des Bundesrates aus dessen erster Lesung jetzt eingebracht worden. Der Bundesrat hatte sich hauptsächlich an Stellen gerieben, wo es um Kostenaufteilung für Sozialgelder zwischen Bund und Ländern ging. Da ist wohl eine Einigung zwischen Bundesregierung und den Koalitionsministerpräsidenten erfolgt.
    Bedeutet in der Sache wohl, dass das Gesetz vom Bundesrat durchgewunken wird, wenn nicht noch Bundesländer die Reißleine ziehen, in denen die Grünen mitregieren.
    Ansonsten wird das Änderungsgesetz wohl noch in diesem Jahr in Kraft treten. Der Sturmlauf der Sozialverbände hat nicht viel gebracht. Betroffene scheinen keine starke Lobby zu haben, es ist ihnen egal, sie haben die genauen Veränderungen nicht mitbekommen oder sie heißen sie gut. - Wer weiß ...

    Liebe Grüße



    Bap



    Wir können unser Leben nicht neu formatieren, ein anderes Betriebssystem aufspielen und alles wieder neu beginnen. Erst wenn man sich den Fehlern der Vergangenheit stellt, kann man positiv in die Zukunft blicken.


  • Ansonsten wird das Änderungsgesetz wohl noch in diesem Jahr in Kraft treten.


    Ich befürchte es. Es wäre bis Anfang der Woche auch noch möglich gewesen, das AE-Thema noch für die letzte Lesung auf die Tagesordnung zu setzen.



    Der Sturmlauf der Sozialverbände hat nicht viel gebracht. Betroffene scheinen keine starke Lobby zu haben, es ist ihnen egal, sie haben die genauen Veränderungen nicht mitbekommen oder sie heißen sie gut. - Wer weiß ...


    In der Tat. Die Medien haben vorrangig nur das Thema die Trennungskinder betreffend aufgegriffen und da war die Lobby mal recht stark. Erwerbsfähige Personen ohne Beschäftigung oder geringfügiger Entlohnung stellen sicherlich die größte Gruppe der Anspruchsberechtigten im Sozialleistungsbezug. Diese Gruppe ist nur darin homogen, das sie eben keine Arbeit haben oder nicht davon leben können. Ansonsten wollen wohl die meisten sicherlich so schnell wie irgend möglich diesen Zustand beenden. Insofern macht eine Arbeitslosengewerkschaft oder dergleichen gar keinen Sinn. Wo soll sich eine Lobby etablieren für die Interessen eines Zustandsmoments, der gesellschaftlich gar nicht gewünscht ist? Ich gehe davon aus, daß die meisten der Betroffenen gar nicht verstanden haben, worum es bei dieser Gesetzesänderung überhaupt geht (außer vielleicht, das es für die Jobcenter leichter werden soll, Leute in Arbeit zu vermitteln).
    Die anderen Gesetzesänderungen, die nicht die temporäre Bedarfsgemeinschaft betreffen, sind viel weitgreifender und nachhaltiger in der Benachteiligung der Leistungsberechtigten und das wird auch viele Alleinerziehende treffen. Alleine die Rückzahlungspflicht von Sozialleistungen bei objektiver Aufrechterhaltung der Bedürftigkeit mit sofortiger Tilgungssanktion (30%).
    Davor mußte man schon grob fahrlässig/sozialwidrig oder vorsätzlich handeln, um Erstattungsansprüchen des Staates ausgesetzt zu sein. Da wird bei den AEs noch richtig die Post abgehen.

  • Scheinbar hat man es nun doch ein wenig eilig. Das Thema steht auf dem 2. Punkt der Tagesordnung für die Bundesratssitzung am 8. Juli. Neue Regelungen zur temporären
    Bedarfsgemeinschaft gibt es dort zwar auch nicht, aber der ganze andere Käse wird wohl ohne großen Federlesens durchgewunken werden und Gauck zückt schon mal den Federhalter. Könnte also doch noch pünktlich zum 1. August klappen.


    Quelle: http://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/947/to-node.html


    Erfreulicherweise finden sich dann bei dem Passus zur Rückzahlung der Leistungen bei Aufrechterhaltung der Hilfebedürftigkeit dann doch noch Begrifflichkeiten wie Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit.
    Es bleibt abzuwarten, wie kreativ sich die Behörden zeigen, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zu konstruieren.

  • Die anderen Gesetzesänderungen, die nicht die temporäre Bedarfsgemeinschaft betreffen, sind viel weitgreifender und nachhaltiger in der Benachteiligung der Leistungsberechtigten und das wird auch viele Alleinerziehende treffen. Alleine die Rückzahlungspflicht von Sozialleistungen bei objektiver Aufrechterhaltung der Bedürftigkeit mit sofortiger Tilgungssanktion (30%).
    Davor mußte man schon grob fahrlässig/sozialwidrig oder vorsätzlich handeln, um Erstattungsansprüchen des Staates ausgesetzt zu sein. Da wird bei den AEs noch richtig die Post abgehen.

    was ist denn eine temporäre Bedarfsgemeinschaft?
    Rückzahlungspflicht von Sozialleistungen bei objektiver Aufrecherhaltung der Bedürftigkeit heißt dann was?

    Einmal editiert, zuletzt von Kopf-Salat ()

  • Eine temporäre Bedarfsgemeinschaft ist eine sozialrechtlich gesehene Bedarfsgemeinschaft auf Zeit. Die hat das Bundessozialgericht mal vor 10 Jahren erfunden, weil es bedürftigen Eltern und Kindern bis dahin finanziell kaum möglich war, das verfassungsgeschützte Umgangsrecht auszuüben. Besonders, wenn große Entfernungen zu überbrücken waren.


    Für die Dauer des Aufenthaltes bei dem umgangsberechtigten Elternteil erhalten die Kinder dann anteilige (tagesgenaue) Regelleistungen vom Jobcenter. Weil das mit einem Haufen Papierkram belastet ist und Ressourcen in den Jobcentern für die anteilige Leistungsberechnung bindet, wollte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hier eine Vereinfachung haben.
    Das wäre allerdings damit einhergegangen, das der Betreuungselternteil für die Zeit, die das Kind den Umgang wahr nimmt, Leistungen für das Kind hätte erstatten müssen. Die verbraucht das Kind ja nun im Haushalt des UET. Hier wollte man es also nicht nur einfacher haben, sondern auch noch billiger. Das sollte dann grundsätzlich so sein und nicht nur dort, wo beide Eltern hilfebedürftig nach sozialrechtlichen Maßstäben sind. Diese Regelung hat es dann nach massiven Protesten doch nicht in die endgültige Fassung der Gesetzesänderungen geschafft. Man will hier nun eine andere Lösung herbeiführen.


    Rückzahlungspflicht von Sozialleistungen bei objektiver Aufrechterhaltung der Bedürftigkeit heißt dann wohl konkret, das man das Arbeitslosengeld Zwei zurückzahlen muß, wenn die Hilfebedürftigkeit fortbesteht und das an Umständen liegt, die der Hilfebedürftige zu vertreten hat. Beispiel: Nicht Wahrnehmen eines Vorstellungsgespräches. Mögliche Folge:
    Erstattungsanspruch des Jobcenters für die diesem Zeitpunkt gezahlten Leistungen. Für den Leistungsberechtigten laufen dann Schulden auf, denn im Leistungsbezug kann er ja nicht gleichzeitig die erbrachten Hilfeleistungen (vollständig) tilgen. Das Bundessozialgericht hat in der Vergangenheit die Leistungsberechtigten vor Erstattungsansprüchen regelmässig in Schutz genommen. Damit waren Erstattungsansprüche durch die Jobcenter fast gar nicht mehr durchsetzbar. Darum hat man die entsprechenden gesetzlichen Regelungen nun etwas aufgeweicht.


    Zusammenfassend kann man sagen, das so ziemlich fast alles, was das Bundessozialgericht mal zugunsten der Hilfebedürftigen entschieden hat, mit den neuen Regelungen umgangen werden soll. Das ist auch nicht das erste mal, daß das Ministerium ganz unverhohlen so agiert, das es die Entscheidungen des höchsten Gerichts der Sozialgerichtsbarkeit nicht interessiert.

  • Hieran anknüpfend ist flankierend zu der geplanten/beschlossenen? Verlängerung des Unterhaltsvorschusses ein Antrag der Linken im Bundestag anhängig, die "temporären Bedarfsgemeinschaften" abzuschaffen. Aktuell ist der Antrag noch im Ausschuß für Arbeit und Soziales in Diskussion. Mal sehen, was Frau Griese damit machen wird.


    Jedenfalls sollen Alleinerziehende künftig nach dem Vorschlag der Linken einen Umgangsmehrbedarf erhalten. Die Umgangselternteile erhalten pauschal den hälftigen Regelbedarf für die "Besuche" der Kinder (Wenn ALGII-Bezieher). Der Elternteil, bei dem sich das Kind mehr als die Hälfte des Monats aufhält, erhält den vollen Regelsatz für das Kind (Wenn ALGII-Bezieher).
    Von dem Wechselmodell mit 50/50 Betreuung wird explizit nicht gesprochen. Es kann ggf. davon ausgegangen werden, daß sich die Eltern dann den Regelsatz für das Kind wie gehabt teilen müssen.


    Ein weiterer Vorschlag der Linken, eine Kindergrundsicherung einzuführen, wurde vom Bundestag abgelehnt.


    Hier nachzulesen: https://www.bundestag.de/dokum…de-alleinerziehend/481908


    Prinzipiell finde ich es ja sehr gut, daß sich die Regierung um diese Kinder Gedanken macht. Allerdings könnte das auch einen Anreiz bei den Eltern im Sozialleistungsbezug geben, Wechselmodelle in den bedürftigen Haushalten ganz abzuschaffen, weil der Staat dann bei der Betreuungsfinanzierung des Kindes um 50 % großzügiger ist.

  • Der Bundestag hat den von der Fraktion der LINKEN beantragten pauschalierten Umgangsmehrbedarf abgelehnt.


    http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/114/1811434.pdf


    Die SPD sieht den Gesetzgeber in der Pflicht (bremst aber hier ein Gesetzgebungsverfahren aus), die Union will die Eltern lieber in Arbeit sehen, statt Umgang zu fördern. Für Alleinerziehende im SGBII-Bezug würde ohnehin schon viel getan. Es wird also nichts in Gesetze gegossen, sondern weiter Einzelfallentscheidungen geben.

  • So wie ich den Antrag da rausgelesen habe, finde ich ihn auch nicht besonders glücklich. Ich stocke auf und meine Ex hat die Kinder nur alle 4-5 Monate für ein Wochenende. Wenn sie dadurch monatlich Geld für die Kinder bekommen würde wäre das schon sehr ungerecht.


    Witzig finde ich aber die Meinung der CDU. Durch die Kosten für die dann notwendige Kinderbetreuung kann ich mir nämlich keinen stundenintensiveren Job leisten. Dabei würde ich gerne mehr arbeiten und aus dem ALG2 Bezug kommen.

    Oh Gott, wurde bei euch eingebrochen? :|
    Ich habe 2 Kinder, das muß so aussehen :S

  • Zitat

    Wenn sie dadurch monatlich Geld für die Kinder bekommen würde wäre das schon sehr ungerecht.


    Das Geld ist doch für die Kinder. Das die Eltern das im Einzelfall zweckentfremden, kann man ja nicht auf die Allgemeinheit übertragen. Wobei, bei den Beklemmungen der CDU/CSU zu dem Antrag liest man das schon irgendwie heraus. Meine Ex hätte jedenfalls auch gerne lieber das Geld, das ich für die Kinder vom Jobcenter bekomme.


    Das den Leistungsbeziehern an auskömmlicher Erwerbsarbeit fehlt, so das sie überhaupt erst auf die Sozialisierung der Trennungsfolgekosten angewiesen sind, ist ja wirklich eine bahnbrechende Erkenntnis von CDU/CSU.

  • In unserem Fall waren das im letzten Jahr ganze 6 Nächte die sie bei der Mutter geschlafen haben. Dass sie dafür monatlich den halben Bedarf der Kinder bekommt wäre dann also etwas viel. Allerdings fände ich es schon richtig wenn sie für den tatsächlichen Umgang Geld bekommt und es dann nicht bei uns abgezogen wird.

    Oh Gott, wurde bei euch eingebrochen? :|
    Ich habe 2 Kinder, das muß so aussehen :S

  • Ok, das wäre in der Tat eine recht unverhältnismässige Förderung der Betreuungsleistung. Die Pauschalisierung widerspricht eigentlich auch der BVerfG-Entscheidung vom 9.2.2010, dass der Bedarf "für jeden einzelnen Tag" sicher zustellen sei. Frau Nahles hatte genau dafür auch schon einen Gesetzentwurf in der Schublade, aber den wollten Grüne, Linke, SPD, der djb, der VAMV und Bertelsmann nicht.

  • Was ich bis heute nicht verstehe, dass mein Ex als es noch regelmäßigen Umgang gab, lt Jobcenter/ grusi Amt Geld für den Umgang von mir fordern sollte. Also Fahrkosten usw..., bei dem Sozialträger hieß es Geringfügigkeit der Kosten.

  • Naja, sie suchen eben immer eine Person oder einen Träger, der an ihrer Stelle leistet. Versuch macht klug. Gibt tatsächlich Leute, die das dann auch machen, ohne das sie dazu verpflichtet wären.
    Einfach, weil sie es nicht besser wissen und amtsgläubig sind. An anderer Stelle stiftet so ein Ansinnen Unfrieden zwischen den Eltern. Das führt dann hier und da auch zu dem Ergebnis, das von der Beantragung der Übernahme solcher Kosten wieder Abstand genommen wird.
    Im Prinzip spricht ja gar nichts dagegen, wenn die Eltern das unter sich regeln. Aber da fehlt es in solchen Fällen buchstäblich wieder an Verhandlungsmasse.

  • Ich hoffe doch sehr, dass auch überprüft wird ob tatsächlich Umgang stattfindet ( nicht dass ein umgangsUNwilliges Elternteil sich daran bereichert, ein Kind zu haben, um das er/sie sich aber nicht kümmert ). Die KM von Stiefkind hat schon mehrfach versucht, Umgangskosten von ihrem Jobcenter zu bekommen für Umgänge, die nie stattgefunden haben ( und auch wohl weiterhin nicht stattfinden werden ) ....ich seh nicht ein, dass jemand die Kohle einstreicht, nur weil er/sie in der Geburtsurkunde des Kindes steht und ansonsten mit dem Kind nichts zu tun hat.


    Vielleicht hab ich das aber auch falsch verstanden oder falsch gelesen ( müßte eh mal zum Optiker ) *grübel*