Der stille Schrei

  • Es gibt hier einen Thread in dem der Freund eines Missbrauchtäters geschrieben hat.


    Hier nun mal ein stiller Schrei eines ehemaligen Opfers.


    Ich wuchs auf in scheinbar normalen Verhältnissen.
    Nach außen hin ein glückliches Kind.
    Ich habe funktioniert. Dass ich jahrelang in die Hose gepinkelt habe war meinen Eltern bekannt. Ich wurde entweder dafür geschimpft oder ich habe es versucht zu verheimlichen wie es nur irgendwie ging.


    Meine Eltern haben mich viel geschlagen. Vor allem meine Mutter, der ich es nie irgendwie recht machen konnte.


    Ich wuchs scheinbar normal auf. Hatte auch sonst keine Probleme.
    Habe meine Schule beendet und ganz normal eine Ausbildung begonnen.
    Das ich schon mal mit fünfzehn versucht habe mich umzubringen ist damals außer meiner Schwester niemanden aufgefallen.
    Als es mal ganz schlimm war mit meiner Mutter habe ich Tabletten von meiner Oma genommenund wahllos geschluckt. Es waren so an die 70 bis 80 Tabletten von Rheuma bis Schmerztabletten. Ich glaube ich habe in der Nacht fast ununterbrochen gebrochen.
    Meine Schwester hat es in dieser Nacht gemerkt und ich habe es ihr gebeichtet.
    Da sie mal davon gelesen hatte die Milch entgiftet hat sie mich immerzu dazu gezwungen Milch zu trinken. Ja, was soll ich sagen. Ich sitze hier und
    schreibe.


    Mit 18 Jahren war es wieder soweit.
    Diesmal nahm ich auch wieder unzählige Tabletten. Es hat niemand bemerkt und mir ging es über Monate hin schlecht. Mein Körper hat lange gebraucht um sich zu entgiften.


    Ich habe immer geahnt irgendetwas stimmt nicht mit mir. Keine Beziehung hielt auf Dauer, da ich mich ab einen bestimmten Zeitpunkt nicht mehr anfassen lassen konnte. Das was mir am Anfang immer gefallen hatte, Zärtlichkeiten, war mit einem Schlag vorbei. Nichts ging mehr ich konnte sie nicht mehr zulassen.


    Ich wurde nicht nur von meinen Eltern geschlagen auch manchmal von meinen Partnern die zum größten teil kein Verständnis hatten.


    Mit 23 Jahren mein dritter Versuch.
    Diesmal bekam ich Valium in die Hände. Ich nahm erst mal nur 5 Stück davon, da ich nur den Wunsch hatte lange zu schlafen. Niemand hat es bemerkt, da ich damals bei meinem damaligen Freund lebte. Gegen Abend bin ich aufgewacht und habe in meinem Tran sogar noch gekocht. Danach nahm ich die restlichen 15 Stück.
    Ich bekam es mit der Angst zu tun und habe meine Freundin angerufen die meinen Freund alarmiert hat.
    Was soll ich sagen. Er bekam es mit der Angst zu tun, da schon mal ein Selbstmord in seiner Familie stattfand und hat mich ins Bett gesteckt. Allerdings auch erst unter die kalte Dusche soweit ich mich noch daran erinnern kann.
    Er lies mich schlafen. Ich bin glaube ich irgendwann mal aufgewacht und mein damaliger Freund hat mich dabei erwischt wie ich wieder dabei war Tabletten zu schlucken.
    Er hat mich gepackt und ab ins Krankenhaus wo mir dann der Magen ausgepumpt wurde.


    Das war nicht das letzte Mal, aber seit einigen Jahren habe ich es nicht mehr versucht und weiß Gott auch nicht mehr vor.


    Ich war jahrelang mit Unterbrechungen in psychologischer Behandlung, habe eine freiwillige mehrmonatige Behandlung in einer Hypnose-Klinik hinter mir.


    Ich funktionier nach außen hin normal. Ich ritze mich nicht, ich kann mich wenn es sein muss normal ausdrücken stehe gerne Menschen mit Problemen zur Seite.


    Das einzige ich bin schon mehrmals in Magersucht gefallen. Durch die ich immer irgendwann wieder hinaus gefunden habe.


    Ich wurde nur als vierjähriges Kind über einen längeren Zeitraum sexuell missbraucht. Die Bilder verfolgen mich, die Gefühle geben keine Ruhe. Ich möchte nur manchmal schreien und darf es nicht.


    Ein stummer Schrei.


    Ich gehöre zu einer Vielzahl von ehemals sexuell missbrauchten Kindern die nur in aller Stille weinen.


    Bitte entschuldigt wegen der Länge.

  • mir ist ganz anders.... ich weiß nicht, was ich schreiben soll/kann...


    Laß dich ganz doll drücken! Wie Du aber selbst geschrieben hast, es kommt nicht von Dir! Versuche es zu verinnerlichen. Tu Dir selbst und Deinen Lieben nicht noch mehr weh. Gut, daß Du schreiben kannst. Zwar ein "stiller Schrei" aber laß es raus. Grausam, was Du ertragen mußtest und viele andere Kinder. Bitte glaub an Dich, Du mußt die groben Fehler Deiner Familie tragen, mußt das Geschehene als Vierjährige immer mit Dir rum schleppen aber gut, wenn Du es Dir anschauen kannst und nicht in ein dunkles Eck stopfst. Es kommt immerwieder raus, oft getarnt. Und besonders für den Partner ist es schwer zu verstehen, warum Du Dich so verhältst. Mein Gott, was mußt Du durchmachen. Wie schon gesagt - bestrafe Dich nicht selbst dafür (Magersucht). Es ist nicht Deins!!!


    Mir selbst ist in einer Partnerschaft auch etwas sehr schlimmes passiert, ich trage es mit mir mein Leben lang.


    Ich wünsche Dir alle Kraft dieser Welt - ich denk an Dich. I.

  • Hallo,


    ich weiss nicht was ich sagen soll. Da ich selbst so ein Fall kenne wo ich vermute das das Kind missbraucht wurde. Kann es leider nicht beweisen.


    Hab auch den thread gelesen und mich gefragt wie man auch als Freund mit so einem Wissen leben kann. Ich könnte es nicht.


    Hab allen Respekt vor dir, das du trotz dieser Schweren Last heute weiter Leben willst. Beneide dich für dein Lebensmut und das meine ich wirklich ernst.


    Hoffe das es für dich auch einige schöne Tage in deinem Leben gibt


    wünsch Dir für die Zukunft viel Stärke. Bleib wie du bist ich find dich toll....


    Gruss Chantal

  • Danke für deinen Bericht. Denke dass das nicht einfach war das hier zu posten.


    Alles erdenklich Gute für Dich wünsche ich dir!!!

    Immer wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein kleines Lichtlein her :idee

  • Dam agich nicht daran denken, was meiner Grossen noch bevorsteht. :flenn:angry:wand Sie war damals knapp vier, als es herauskam.... :heul Laut Kinderpsychologin ist es mögöich, daß sie ales vergisst.Ich hoffe für sie darauf. Weiss aber nicht mal, wie ich auf Fragen freagieren solte. hast Du als Betroffene Tips?

  • @ Sandra


    Vergessen?


    Verdrängen ja ..vergessen wohl nie ....


    es gibt Traumatherapeuten die gute Erfolge mit der Verarbeitung erzielen, aber das macht das was passiert ist, niemals ungeschehen.




    Liebe Anonymus!


    Ich habe Tränen in den Augen, denn genau das war meine größte Befürchtung. Was passiert mit den Menschen die ein solches Schicksal selbst erlitten haben und mussten den anderen Thread lesen?!


    Ich bin selbst kein Opfer, kenne aber soviele und ziehe eines groß. Ich kann versichern, auch diejenigen die eine Therapie gemacht haben, werden ein Leben lang davon begleitet. Sie können es vielleicht irgendwann in eine Schublade stecken, aber dann reicht irgendein kleiner Anlaß, wie z. B. ein bestimmter Geruch und sie werden wieder retraumatisiert.


    Es ist unglaublich mutig von Dir, auch wenn Du es anonym schreibst, uns von Deiner Geschichte zu erzählen!


    Ich ziehe, wenn auch leider nur virtuell, meinen imaginären Hut, vor Dir!


    Nicht jeder kann es, aber manchmal hilft es sich mit anderen auszutauschen, mit Menschen, die genau wissen, wovon man ihnen erzählt ...


    wie z. B. Renate Schusch in Berlin, sie hat ein großes Herz und sie begleitet viele Opfer.


    Man kann sie einfach anrufen und sie wird einem immer zuhören und mit Rat und Tat zur Seite stehen.


    Ich poste das nicht gerne öffentlich, aber PN ist ja nicht möglich, aber mir ist es einfach wichtig, das man nicht alleine mit seinen Problemen ist, sondern es soviele andere gibt, die gleiches erleben mussten. Das lindert nicht den Schmerz, ich weiß, aber vielleicht hilft es ein wenig mit den Folgen ein ganz klein wenig besser leben zu können.


    Liebe Grüße, XXLMami

    Liebe ist die stärkste Macht der Welt, und doch ist sie die demütigste, die man sich vorstellen kann


    Mahatma Gandhi

  • An alle Menschen, die gefoltert, gedemütigt, traumatisiert, geschlagen und vergewaltigt wurden. Das Grauen hat einen Namen: Mensch.
    Werdet stark und fasst Mut in aller Dunkelheit, denn ihr seid nicht allein. Die Schmerzen sollen euch klein machen und euch zu schlimmeren zwingen. Lasst es nicht zu. ES ist ein Kampf, den ihr gewinnen könnt. Schließt euch zusammen und tröstet euch gegenseitig. Denn ein normaler Mensch kann euren Schmerz nicht erfassen. Gründet eine Liga der Menschlichkeit!

  • Hallo,


    schwieriges Leben und schweres Schicksal. Du hast dein ganzes Leben zu kämpfen. Du sprichst von Selbstverletzung und Versuchen dich umzubringen und ich kann mir einiges vorstellen, was dir sonst noch im Leben Schwierigkeiten bereitet, mit denen du zu kämpfen hast.


    Ich frage mich beim Lesen, woher du weißt, dass du mit 4 Jahren missbraucht wurdest. Hast du aktive Erinnerungen daran? Haben es andere gesehen oder dir erzählt? Du sprichst von einer Hypnosebehandlung. Du weißt auch, dass Hypnopsebehandlungen nicht geeignet sind um Vergessenes oder Verdrängtes verlässlich wieder hervorzuholen.


    Viele Grüße
    Segelpapa

  • ich habe vor deiner kraft einen riesigen :respekt .das thema darf nicht totgeschwiegen werden.gut,dass du so offendrüber schreibst.was man nicht sagen kann bleibt unerlöst...hör auf,dich selbst zu bestrafen-du kannst nix dafür,du warst noch ein kind.behalt dir deinen mut und deine kraft,sie machen dich stark und dein"feinde"klein und armseelig.


    ich wünsche dir,dass du weiterhin die kraft hast,dein leben zu meistern.gib nicht auf.du schaffst das!

    :Flowers Wo Gott dich hingesät hat,da sollst du blühen. (afrikanisches Sprichwort)

  • Mit Tränen in den Augen hab ich deinen Bericht gelesen und mir fehlen die Worte. Ich bin froh das jeder Versuch, was ja ein stummer Schrei ist, fehlgeschlagen ist und du heute und hier darüber schreibst.
    Ich hatte den Thread gelesen, und war außer mir vor Wut wie viele geschrieben haben, da ich aber noch realtiv neu war, wollte ich mein Unmut darüber nicht auslassen !


    Ich wünsch Dir viel viel Kraft.

    ♥♫ Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.“ ♫♥
    ☜❤☞ i still haven´t found what i´m looking for ☜❤☞
    LG Jennylee

  • Hallo Anonymus,


    dein bericht ist schon Älter aber er ist mir gerade erst aufgefallen.


    Ich weiss wie du dich fühlst mein Stiefvater hat mich und meine Sis über 2 Jahre lang vergewaltigt ab meinem 4.ten Lebensjahr.Ich glaube zu wissen wie es in dir aussieht.Ich persönlich habe 7 Jahre Therapie gemacht.Hypnose,Gruppen und Einzeltherapien.Ich war unerträglich aggressiv und habe gelogen.Auch ich habe noch lange eingenäßt.


    Als ich 11 Jahre alt war kam es zu einer Verhandlung und was soll ich sagen der Scheisskerl(entschuldigt die Ausdrucksweise) hat nur 2 1/2 Jahre bekommen und sollte nach 1 Jahr schonwieder entlassen werden wegen Guter Führung.


    Durch die Therapien kann ich da heut offen drüber reden.
    Wenn du reden willst kannst du mich ruhig anschreiben.


    :troest wir müssen doch zusammenhalten

  • Hallo Anonymus,
    .......ist es nicht traurig, dass man erst irgendwie Erwachsen werden musste, um wenigstens dann ein Stück Weg in die richtige Richtung gehen zu können..
    Ich war 5 und hab so viele Jahre versucht, das liebe Kind meiner Eltern zu sein, ich bin gescheitert, weil ich irgendwann als eigenständiges Wesen gespürt habe, dass ich nun mal in erster Linie nur mir was zutrauen sollte...
    Man gibt sich selbst ewig die Schuld und bestraft sich noch Jahre später für sein eigenes Verhalten...
    Lach, ich bin grad 40 geworden, aber eigentlich bin ich an Erinnerungen, Kämpfe, Erfahrungen und Gegenwehr mindestens 104...


    Mit 32 Jahren sass ich mal im Park und hab geweint, weil der Durchschnittsmensch über 70 wird, geweint, weil so viel Jahre noch vor mir lagen, Jahre, die ich nicht füllen konnte ausser mit Trauer, Wut und Erstarren.


    Geholfen hat mir kein Arzt( doch, sicherlich...aber nicht bein Verstehen....), kein Klinikaufenthalt, keine Pille - geholfen hab ich mir selbst - indem ich versucht habe, mein eingesponnenes Netz selbst zu durchdringen.


    Ich bin weit davon entfernt, ein glücklich toller ausgeglichener Mensch zu sein, aber ich sehe MICH wenn ich an mich denke und ich toleriere die vielen
    ICHs, die ich geworden bin.


    ICH habe den Faden des Missbrauchs zerschnitten, ICH mache meinen Kindern bestimmte Dinge ganz bewußt begreiflich, ICH hab Verantwortung übernommen...und dadurch und noch viel anderes... spüre ICH MICH.


    Ewig bleibt mir die "Trauer tief im Herzen", weil ich nicht wirklich begriff, warum diese Personen mit mir das machten und mit mir umgingen, wie sie mit mir umgegangen sind.
    Und ja, ich hab immer noch diese Sehnsucht nach "zu Hause".


    In meinem Leben sind irgendwann die eigentlichen Relationen durcheinander geraten.
    Im Laufe der Zeit hab ich einige dieser Defizite bereinigen können, einige umzingeln mich immer wieder, bis Heute.


    Ich hab mich damals an eine Selbsthilfegruppe gewand, aber aus der bin ich wieder rausgeflogen, weil ich bei bestimmten Themen während der Sitzungszeit zu Auffällig wurde.
    Wir werden bestraft für die Perversitäten anderer und dann schickt man uns in die Verbannung, weil wir nicht mehr funktionieren.
    Hut ab vor dieser Themenwahl!!!!!!!!!
    Schritt für Schritt gehst Du weiter.....
    Respekt
    Jeanny