Gewissensfrage? Oder doch nicht?

  • Hallo Forum,


    vor einiger Zeit hat mir ein Freund gestanden, dass er pädophile Neigungen hat. Er hatte bis dahin schon auf verschiedenste Weise versucht, einen geeigneten Therapieplatz zu erhalten--eine Odyssee, die aufgrund der vielen Fehlversuche und Ablehnungen zwischenzeitlich fast mit seinem Selbstmord endete, bis er dann letztendlich eine Klinik fand, in der er jetzt mehrere Monate mit intensiver Therapie verbracht hat. So sehr die Öffentlichkeit auch schreit, sobald wieder ein
    Mißbrauchsfall oder schlimmeres bekannt wird, es kann sich kaum einer
    vorstellen, wie schwierig es für die Betroffenen (potentiellen Täter)
    ist, auch nur annähernd Hilfe zu erhalten.


    Während dieser Therapie war ich der Kummerkasten und Seelsorger meines Freundes und habe viel von dem Warum und Weshalb verstehen können. Es wurde auch deutlich, dass er seiner Krankheit mittlerweile wirklich kritisch gegenüber steht und keine Hintertür zur Rechtfertigung irgendwelcher Übergriffe sucht.


    Leider offenbarte mein Freund mir während dieser Seelsorgetätigkeit auch einige Dinge, die ich lieber nie erfahren hätte. Zum einen hat er bereits eine einschlägige Vorstrafe, die er vor seinem Umfeld geheim hält. Immerhin, die betreffenden Ereignisse waren der Anlass für seine Einsicht bezüglich des Therapiebedarfes. Zum anderen, was wesentlich schlimmer ist, ist er ein sogenannter Dunkelfeld-Täter, hat also tasächlich Übergriffe begangen, die (bisher) nicht rechtlich bekannt sind.


    Grundsätzlich war die Therapie für meinen Freund sehr erfolgreich. Dadurch, dass ihm die Therapeuten Anleitung gegeben haben, wie er am besten mit dieser "unheilbaren Krankheit" umgehen kann, geht für die Zukunft kaum eine Bedrohung von ihm aus, zumal während der Therapie das Problem weitestgehend mit seiner Familie und seinen Freunden besprochen wurde, also eine Art übergeordnete Kontrollinstanz für sein Verhalten geschaffen wurde.


    Bezüglich der Übergriffe in der Vergangenheit rieten die Therapeuten jedoch, Stillschweigen zu bewahren und die Sache auf sich beruhen zu lassen. Die Begründung: Das Opfer zeige bisher keine Anzeichen dafür, dass die Vorfälle ihrer Entwicklung geschadet haben und wenn sie sich mit der Sache bisher niemandem anvertraut habe, dann seie das auch in der Zukunft nicht zu erwarten, man wecke also in diesem Fall besser keine schlafenden Hunde. Das hat mich zutiefst schockiert. Wie will jemand aus der Distanz beurteilen, dass ein Opfer keinen Schaden genommen hat? Weil sie bei äußerlicher Betrachtung ein für ihr Alter normales Verhalten zeigt? Weil sie sich niemandem damit anvertraut hat? Weil sie den Täter nicht zur Rede gestellt hat? Ich kenne das Opfer nicht persönlich (ich weiss, wer es ist und kenne ihren Namen), von ihrem Werdegang seit der Ereignisse weiss ich nur, dass sie mittlerweile volljährig ist, eine Ausbildung und ihren Führerschein gemacht hat und offensichtlich ein normale Beziehung zu ihrem Freund hat. Unauffällig, ja, aber heisst das wirklich, dass alles in Ordnung ist? Und, selbst wenn das zurzeit der Fall sein sollte, was ist, wenn das Opfer in ein paar Jahren doch Probleme mit den Geschehnissen bekommt? Wenn sie die Sache dann doch zur Anzeige bringt? Sollte da nicht wenigstens eine Aussprache von Täter und Opfer stattfinden?


    Und nun bin ICH außer den Therapeuten der einzige Mitwisser--und stehe mit meinen Bedenken völlig alleine da. Könnt ihr den Versuch machen und euch in meine Lage versetzen? Was würdet ihr tun?

  • Ich finde, du hast da eine ganz schön große Last auf dich geladen.
    Es wurden dir Dinge erzählt, die du lieber nicht wissen möchtest - du hast sie dir angehört. Also steckst du ganz schön mit drin. (Soll kein Angriff sein )


    Ich bin auch ein Mensch, der immer der Kummerkasten anderer Leute ist, aber ich weiss genau, wann bei mir die Grenze erreicht ist. Und bei deinem Bekannten wäre da die Grenze.
    Ich hätte Angst.


    Du schreibst: Geht in Zukunft kaum eine Bedrohung von ihm aus.
    Aber halt auch nur kaum.


    Ich wüßte spontan auch nicht was ich tun würde. Ihn anzeigen? Ihn als Bekannten streichen?


    Könnte mit ihm nicht mehr "normal" umgehen. Es würde sich ein Art Abneigung gegen ihn aufbauen. Ich hätte aber auch immer noch diesen Zwiespalt in mir- der aber wahrscheinlich falsch wäre. Dieser Zwiespalt würde bestehen aus: ich versuche ihm zu helfen und stehe zu ihm und ich distanziere mich von ihm.


    Ist echt eine schwere Situation, weil du, wahrscheinlich auch schon viel investiert hast.


    Kannst du mit seinem Therapeuten sprechen? Wie du mit ihm umzugehen hast, wie du für dich selber klarkommst?

    Wenn Dir das Leben in den Arsch tritt,...nutze den Schwung um vorwärts zu kommen.
    Wenn Dir das Leben Zitronen bietet,...frag nach Tequila und Salz oder Ramazzotti ;)
    Wenn jemand zu Dir sagt: die Zeit heilt alle Wunden,...hau ihm in die Fresse und sag: "warte, is gleich wieder gut!!!" :-))

  • Als Seelsorger unterliegst Du der Schweigepflicht.


    Als Seelsorger solltest Du auch wissen, was zur Heilung notwendig ist.


    Viel Kraft und Weisheit.


    LG Cobra

  • Irgendwie bin ich der Meinung das ,wenn diese Therapie erfolgreich war er somit auch ein Problem haben müßte mit dieser Schuld ruhig weiterzuleben.Es müßte ihm ein Bedürfniss sein dafür Verantwortung zu übernehmen.Schließlich wird ihm diese Therapie die Tragweite seiner Tat bewußt gemacht haben.Meine Meinung.


    Inwieweit das für das oder die Opfer gut oder schlecht wäre,ließe sich ja ,bei Gesprächsbereitschaft,durch eine entsprechende Person feststellen.

  • Ich glaube nicht das von solche leuten keine gefahr mehr ausgeht. ich finde sie gehören weggesperrt ohne wiederkehr in die gesellschaft. sie sind in meinen augen eine immerwährende bedrohung, vor allem kinderschänder die wehrlose kleine kinder missbrauchen.
    ich könnte mit so einer person keine sekunde mehr in einem raum verbringen, da mich solche leute zutiefst anwidern. ob es krank ist oder mit absicht gemacht wird oder beides kann ich nicht beurteilen, aber da sie sich nie unter kontrolle haben, gehören sie weg aus dem umfeld von der gesellschaft.

  • Oha, diese Last wollte ich nicht mit mir rumschleppen. Nicht nur wegen der Vergangenheit, sondern auch wegen der Zukunft. Ich kann gut nachvollziehen, wie du dich fühlen musst, das ist eine ziemliche Zwickmühle.


    Ich hab keine Ahnung, wie ich mich verhalten würde, aber ich bin mir sicher, das mir ein ungezwungenes, freundschaftliches Verhältnis zu diesem Mann nicht mehr möglich wäre. Da können die Therapeuten sagen was sie wollen, ich hätte Angst. Angst um mein eigenes Kind und auch um andere Kinder. Ich frage mich gerade, wie du damit umgehen würdest, wenn er nun doch rückfällig werden würde? Ich gebe mal zu bedenken, daß ne Menge Pädophile nach erfolgreicher Therapie wieder rückfällig wurden. Sogar ein großer Teil, wenn mich nicht alles täuscht.


    Sprecht ihr darüber? Welche Meinung hat denn dein Bekannter selbst zu seiner Vergangenheit, insbesondere zu seinen Opfern und einer Aussprache?


    Cobra: Ich glaube, von Heilung kann man bei dieser Krankheit nicht sprechen. Leider!

    Liebe Grüsse
    Sabine


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    Die meisten Frauen wählen ihr Nachthemd mit mehr Verstand als ihren Mann
    - Coco Chanel-

  • Cobra: Ich glaube, von Heilung kann man bei dieser Krankheit nicht sprechen. Leider!


    @ Lunatic


    Ganz richtig.


    Ohne grundlegende Aufarbeitung sehe ich generell keine Heilungschancen - in diesem Punkt sehe ich aber auch in diesem besonderen Täterkreis das Dilemma.


    Der Aufarbeitungsprozess ist auch für den Täter extrem schmerzhaft (ich möchte die Leiden der Opfer damit keineswegs verniedlichen, das wäre ein gesondertes ernstes Thema) - und so lange Opfer etwa aus Scham schweigen, besteht ja nicht ein unmittelbarer Zwang, sich damit grundlegend auseinander zu setzen. Also von sich aus zu bekennen und Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen, mit allen Konsequenzen.


    Umfassend.


    Diese Konsequenzen bedeuten i.d.R. Knast und auch - oder gerade - dort ist man in der Hierarchie der Abschaum.


    Rückfälle bedeuten für mich, dass die Therapie dann nicht erfolgreich, weil nicht umfassend, sein konnte.


    LG Cobra

    Einmal editiert, zuletzt von cobra ()

  • Therapeuten haben eine Schweigepflicht, Seelsorger ebenso. Und Freunde auch, finde ich.


    Wegen der durchaus lebensgefährlichen Konsequenzen für den Täter -> "Abschaum im Knast" könnte ich mich nicht guten Gewissens dazu durchringen, ihn zu einem justiziablen Geständnis zu überreden. Ich würde aber versuchen, ihn zu einem Gespräch mit dem Opfer zu bewegen, inclusive umfassender Entschuldigung. Eventuell wäre das Beisein eines Profis zu erwägen.
    Wichtig wäre mir, das Opfer zu erreichen. Es wäre bestimmt sehr sinnvoll, wenn sich das Opfer in psychotherapeutische Betreuung begibt. Und Dein Freund sollte das als kleine Wiedergutmachung bezahlen. Vermutlich jahrelang.
    Für Dich wäre dieser Vorschlag auch gut, über den direkten Nutzeffekt hinaus. Denn Du könntest an der Reaktion und späteren Aktion Deines Freundes die Ernsthaftigkeit seines Sinneswandels erkennen.


    Gruß
    Simone

  • Entschuldigung, aber ich glaube ich les nicht richtig.
    Die Therapeuten des Mannes wollen wissen, wie es dem Opfer geht, nur weil sie anscheinend ein normales Leben führt oder was auch immer? Oper von sexuellem Missbrauch brauchen i.d.R. JAHRE, um überhaupt aus dem Schweigen heraus zu kommen, und dass sie persönlich das Gespräch mit dem Täter suchen, ja, vielleicht nach Jahren der Aufarbeitung als Teil eines therapeutischen Prozesses, aber nicht einfach so zwischendurch ...
    Was sind das denn für Therapeuten? Oder haben sie gemeint, er sollte das Gespräch mit der Frau nicht selbst suchen, weil sie dadurch möglicherweise re-traumatisiert würde? OK, dann das wäre ein Grund, sicherlich. Vielleicht kommt das nur so oberflächlich rüber.
    Ich persönlich könnte keinen Kontakt mit dem Mann mehr haben. Es gibt keine 100% rückfallsichere Therapie für Pädophile. Und demnach keine Heilung
    An deiner Stelle müsste ich wahrscheinlich selbst eine professionelle Beratung in Anspruch nehmen.

  • Dann waren's nicht die Forenregeln, sondern die Ankündigung dieses Unterforums in den "News".
    Dort steht sinngemäß drin, daß jeder den Anonymus nutzen kann, aber nur zur Threaderöffnung. Keine Speicherung des momentanen Nutzers von Paßwort und Nick. Also im Grunde ein einmaliger Zugang zu diesem Unterforum, auch nur mit Zugriff auf dieses.

  • Achso
    Ich dachte Anonymus wäre sein Nick Name :ohnmacht:


    Hat aber auch ein eigenes Profil und schon drei Beiträge geschrieben :hae:

  • @ Carmen: Schau mal hier


    An den Themenstarter:


    Ich bin sehr betroffen von dem, was Du schreibst. Ich würde mir Rat suchen bei jemandem, der ebenfalls der Schweigepflicht unterliegt. Arzt. Psychotherapeut. Pfarrer. Seelsorger.

    Einmal editiert, zuletzt von Pritzi ()

  • Stell Dir vor, Dein eigenes Kind wäre betroffen...Meine Tochter ist es und keiner weiss, an was sie sich später erinnern wird. Zur Zeir hat sie wohl alles verdrängt, aber was, wenn sie in die Pubertät kommt.? :Hm Sie hat keinen Kontakt mehr,seit es klar war aber das war echt nicht ohne.
    Ich finde es zum :kotz wenn solche schuldige einfach davon kommen, sind ja dehalb keine schlechten Väter oder Männer durfte ich mir anhören.
    Was sage ich ihr nur später????

  • Mich beschäftigt dieses Thema sehr.


    Ich seh beide Seiten und kann Deine Not nachvollziehen.


    Du schreibst nicht wie die Übergriffe ausgesehen haben, aber ....


    das Kind/die Kinder werden sicherlich nach dieser Tat traumatisiert sein, auch wenn sie es nicht artikulieren.


    Sie bekommen jetzt keine Therapie zur Aufarbeitung, weil kein Mensch davon weiß.


    Opfer werden sehr häufig später direkt oder indirekt wieder zu Tätern, wenn sie ihre Erlebnisse nicht mit professioneller Hilfe aufarbeiten konnten.


    Ihnen steht Hilfe zu, welche vom Opferentschädigungsgesetzt abgedeckt werden, diese erhalten sie jetzt aber nicht.


    Du kannst mir glauben, ich kenne sehr viele Opfer und ich versichere Dir, sie gehen auch als Erwachsene noch durch die Hölle.


    Mir ist bewusst, auch Deinem Freund hat zu einer großen Wahrscheinlichkeit schlimmes erleben müssen, auch wenn er sich Dir nicht anvertraut. Er bekommt jetzt Hilfe, aber entbindet das ihn das von seiner Verantwortung seinen Opfer gegenüber?!


    Rede mit ihm und mach ihm das klar.


    Wie kann er gesund werden, wenn er eine solche Schuld auf sich geladen hat. Es wird ihn niemals loslassen sollte er so etwas wie ein Gewissen besitzen.


    Ich kann seinen Therapeuten nicht verstehen. Wie kann man so mit zweierlei Maß messen. Er hat nicht nur Verantwortung seinem Patienten gegenüber, sondern sollte auch soviel Empathie für die Opfer empfinden können.


    Du wirst die Namen der Opfer nicht kennen, auch wenn Du ihn anzeigen wirst und er die Namen nicht nennt, dann wird ihm wohl nichts passieren. Er kann es nur mit seinem Gewissen ausmachen.


    Gruß XXLMami



    PS


    Dich trifft keine Schuld, egal wie Du Dich entscheidest, mach Dir das bitte immer klar!!!!!! :knuddel


    Es ist gemein, seiner Freundin so etwas zuzumuten. Ich kann seine Not nachvollziehen und für mich hört sich das eher nach einem Hilferuf an.

    Liebe ist die stärkste Macht der Welt, und doch ist sie die demütigste, die man sich vorstellen kann


    Mahatma Gandhi

  • Ich kann seinen Therapeuten nicht verstehen. Wie kann man so mit zweierlei Maß messen. Er hat nicht nur Verantwortung seinem Patienten gegenüber, sondern sollte auch soviel Empathie für die Opfer empfinden können.



    Der Therapeut hat keine Verantwortung für die Opfer und wenn er auch Empathie für die Opfer empfindet, so muss diese bei einem guten Therapeuten im Hintergrund bleiben.


    Ich denke, alles hat seine Zeit, so auch die Einsicht und Einstellung des "Täters", genauso, wie die der Opfer.
    Anonymus als Freund des Täters würde ich in diesem Sinne auch keine Verantwortung "übertragen", sofern er sie nicht selbst übernehmen möchte.
    Es ist doch schon ein großer Schritt, sich als Täter zu outen und sich jemandem anzuvertrauen.


    Mit diesem Vertrauen aber muss anonymus umgehen, wozu auch gehört, sich selbst immer wieder zu fragen, wie weit will/kann ich mich damit belasten. Wenn es nicht mehr geht, wird auch der Freund dies verstehen und als Reaktion so ver- und bearbeiten.