Hallo,
jetzt brauch ich Euch mal dringend. Bevor ich den Vater meines Sohnes anrufe und verfrüht Wind produziere, aus dem schnell mal ein Sturm werden kann, schreibe ich mir das Thema hier von der Seele.
Zum Hintergrund: der Vater meines Sohnes kommt aus Gambia, ist Moslem. Damit hatte ich nie ein Problem (mit dem Moslem-Sein). Vor langer, langer Zeit - also vor unserer endgültigen Trennung - war ich oft in Gambia (noch vor der Geburt unseres Sohnes). Das Land, die Menschen, meine Familie dort haben mir sehr, sehr gut gefallen. Auch die Art und Weise, wie in Westafrika der Islam praktiziert wird, ist eine sehr angenehme, tolerante. Christen haben dort kein schweres Leben (Mini-Minderheit von 4 Prozentt), Feiertage werden gegenseitig gemeinsam begangen, Kirchen gibts in Hülle und Fülle (im Verhältnis).
Als die Welt für unsere Familie wenigsten halbwegs noch in Ordnung war, konnte ich mir vorstellen, mit unserem gemeinsamen Kind eine Zeitlang in Afrika zu leben (vor der Einschulung, die in Deutschland sein sollte und immer noch sein soll), damit der Knabe die andere Seite seiner Medaille kennen lernen kann, das Leben dort, die Familie und alles was dazu gehört. Dazu gehört auch: die Beschneidung der Jungs in einem Alter zwischen 5 und 7 Jahren. Ein großes Ereignis im Leben eines kleinen Jungen, wird meist in Gruppen mit großen Feiern durchgeführt, die Jungs sind an diesem Tag die Kings - das tröstet über den Schmerz. Die Kleinen freuen sich auf diesen Tag, sie sehen es ja von klein an um sich rum und wachsen auch in diesen Glauben hinein - mehr als wir hier in das Christentum. Der Islam wird in Gambia gelebt und bestimmt auch durch die 5 Gebete sichtbar den Alltag...Unter diesen Umständen hatte ich keine Bedenken wegen einer Beschneidung.
So, nun ist die Situation aber eine andere. Wir - mein Ex und ich - sind seit 2,5 Jahren getrennt, seit 1,5 Jahren geschieden, vor der Geburt fing das Theater massiv an (er hatte eine Geliebte, ist aber wurscht), das Drama zog sich noch zwei Jahre, dann wars aus. Mein Ex war einige Zeit in Therapie (Drogenprobleme) und erst seit etwas über einem jahr läuft der Umgang zwischen Sohn und Vater regelmäßig. Eigentlich ganz gut (was zu meckern gibts ja immer...).
Aber: Das Kind wächst nun in einem christlich geprägten Umfeld auf (Tagheim, Gemeindeleben alles evangelisch und wir mitten drin - bin evangelisch und zwar praktizierend). Eine religiöse Erziehung seitens des Vaters findet nicht statt. Sohn war auch noch nie in Afrika - ist durchaus geplant, muss aber das Geld für dasein.
Vater hat sein Leben immer noch nicht wirklich auf der Reihe - keine Arbeit, keine Aussicht drauf, lebt vom Staat und den Unterhalt zahlt das Jugendamt.
Vor 10 Tagen nun überraschte er mich mit der Mitteilung: "ich habe mit meinem Bruder (lebt in Gambia) abgesprochen, wann unsere Söhne gemeinsam in Gambia beschnitten werden können". Plan sieht so aus: zur "Eingewöhnung" geht er mit dem Kind kommenden Winter nach Gmabia - den Winter drauf soll die Beschneidung sein. Das sei ein "Muss" und ich hätte doch hoffentlich meine Meinung darüber nicht geändert (über das Thema Beschneidung im Allgemeinen).
So, und seither sackt das Thema bei mir. ICh stelle fest, dass ich meine Meinung zu dem Thema geändert habe :-). Zum einen sind die Voraussetzungen so nicht mehr gegeben, unter denen ich damit kein Problem hatte. Zum anderen weiß ich, dass die Beschneidung keine religiöse Pflicht darstellt, und schon gar kein Zeitpunkt vorgegeben ist.
Ich würde mir wünschen, dass der Vater unserem Sohn seinen Glauben in Ruhe in den nächsten Jahren nahebringt. Und unser Sohn - wenn er alt genug ist - selber entscheiden wird, ob er beschnitten sein möchte oder nicht. Er ist jetzt 4 Jahre alt. Er wäre jetzt sicher nicht einverstanden mit einem derartigen Eingriff, ohne das dazugehörige Hintergrundwissen und -gefühl. Für ihn wäre es einfach nur ein schmerzhaftes Erlebnis - sein Vertrauen, auch in seine Eltern, wäre erst mal dahin - und Gambia, naja, wäre eine negativer Erinnerung für ihn.
Und, auch wenns nicht ganz dazu gehört: es ärgert mich, dass mein Ex sich Gedanken macht über die "Großen" Dinge, das Geld dann für die Reisen schon irgendwie da sein wird (und das wird es, irgendeiner in der Familie zahlt dann immer - zum Lebensunterhalt von uns hat allerdings noch nie jemand etwas beigetragen) - aber für den "unwichtigen" Kleinkram, wie das Geld fürs tägliche Leben des Kindes - dafür darf ich zuständig sein. So wars schon immer - deshalb hab ich mich ja auch unter anderem getrennt.
Ich respektiere den Glauben meines Ex, ich beeinflusse unser Kind in keinster Weise in Richtung Christentum - er bekommt aber natürlich durch sein Umfeld automatisch mehr vom Christentum mit. Aber diese DAS-MUSS-JETZT-UM-JEDEN-PREIS-SEIN-Kiste mach ich nicht mit. Ich habe den Eindruck, da ist die treibend Kraft die Fragen der Familie und er Freunde, wann der Sohn den nun endlich beschnitten werden wird. Und da ist mir das Wohlergehen unseres Sohnes wichtiger als das "Gesicht-Wahren" des Vaters. Aber es wird Ärger geben - seufz...
So, das war jetzt lang - danke fürs Lesen. Vielleicht bekomme ich ja ein paar unterstützende Gedanken. Ach ja: wir haben gemeinsames Sorgerecht, ich das ABS und die Gesundheitsfürsorge.
Grüße
sonnenaufgang