Mein Senf dazu:
Meine Eltern haben sich getrennt, als ich 9 Jahre alt war. Für mich gab es damals nur eine Möglichkeit, bei meiner Mutter und meinen Geschwistern zu leben. Ich hatte meinen Vater zwar nicht gehasst, aber positive Gefühle waren keine für ihn da. Er zog mehrere hundert Kilometer weit weg. Der Kontakt beschränkte sich zu Anfang noch auf Briefe und gelegentliche Telefonate. Mit der Zeit und den Jahren wurde es immer weniger, denn ich konnte es nicht mehr mitanhören, wie er die Familie meiner Mutter schlecht machte. Irgendwann brach der Kontakt komplett ab.
Als ich dann erwachsen wurde, ergab sich eine Situation, die mich relativ nahe an den letzten mir bekannten Wohnort meines Vaters brachte. Zu der Zeit leistete ich meinen Militärdienst ab. Mein 21ster Geburtstag näherte sich und ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich mit meinem Vater ins Reine kommen müsste. Die Vergangenheit aufarbeiten. Mir fehlte eine männliche Bezugsperson in den entscheidenden Jahren der Pubertät. Und ich hoffte, dass - da ich ja jetzt erwachsen und vernünftig bin - mein Vater in meinem Leben wieder eine Rolle spielen würde. Der Groll der Vergangenheit war längst vergessen und vergeben. Ich hatte extra Sonderurlaub beantragt und auch erhalten.
Also rief ich an meinem Geburtstag meine Mutter an, damit sie mir die genaue Adresse meines Vaters mitteilen konnte. Am Telefon sagte sie mir dann, dass sie vor etwa drei Wochen einen Brief der Lebensgefährtin meines Vaters erhalten hatte, dass mein Vater verstorben sei .........................
Meine ganzen Versuche gefasst zu bleiben, lösten sich ziemlich schnell in Rauch auf.
Was ich damals noch nicht wusste, wie lange mich dieser Tod noch belasten würde. Nur langsam wurde mir klar, dass ich nie mehr die Gelegenheit haben würde, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Alles was gesagt hätte werden können, blieb ungesagt. Mein Trauma war nicht der Verlust meines Vaters als Kind, denn irgendwo gab es ihn immer, wenn auch nicht präsent. Mein Trauma begann erst mit dem endgültigen Verlust als Erwachsener. Bis heute verfolgt mich diese Erkenntnis und die persönliche Schuld, dass er im Glauben gestorben ist, sein Sohn wolle nichts von ihm wissen.
Gerade auch durch meine eigene leidvolle Erfahrung wollte ich nie, dass meine Tochter so etwas in ihrem Leben mitmachen muss. Deshalb war es auch nach meiner Trennung und Scheidung immer mein wichtigstes Anliegen, für mein Kind da zu sein - auch gegen den Willen meiner Ex. Seit heute haben wir ein schriftlich vereinbartes Wechselmodell. :party
Und auch deshalb kann ich zwar den Groll der Kinder, bei denen ein Elternteil (ich sage bewusst nicht nur der Vater) gegangen ist, nachvollziehen. Es kann eines Tages aber auch zu spät sein und man kann dann nichts mehr dagegen tun, auch wenn man noch so gerne möchte. Geschenke zurückschicken, ja klar. Weiterverschenken, von mir aus. Die Kinder in ihrem Groll weiterleben lassen, warum nicht. Wer keine Ei... in der Hose hat, der verdient es doch nicht besser. Auch meine Mutter wollte sicherlich nicht, dass es mir irgendwann im Leben schlecht geht. Und ich wusste es nicht besser. Mann, was war ich doch mit 9 Jahren auch schon so weit, dass ich so klar meine Wünsche äußern konnte ... Gratulation an mich :anbet
Kein Schicksal ist gleich, aber vielleicht hilft es dem einen oder anderen, seinen Horizont zu erweitern.
lg
mannallein :blume