Burnout durch ständige Versetzungen

  • Hallo liebe AEs,
    was würdet Ihr machen?


    Bin 46, seit 9,5 Jahren alleinerziehend mit mittlerweile 11jährigem ADHS-Sohn. Ich habe keine Unterstützung durch Verwandte oder Freunde.


    Ich arbeite seit 26 Jahren bei der IHK (inkl. Ausbildung). „Toll“, denkt Ihr jetzt bestimmt. „Super Stelle, ö. D., sicherer Arbeitsplatz, keine allzu großen Geldsorgen.“
    Dachte ich bisher auch: „Wenigstens beruflich ist es einigermaßen komplikationslos abgelaufen.“


    Doch nun kommt der Hammer: Ich bin in den 26 Jahren so ca. alle zwei, drei Jahre intern versetzt worden. Immer aus Gründen der Umstrukturierung, es wurde immer ausdrücklich betont, dass es nicht an meiner Person liegt. Leider habe ich diese Versetzungsklausel in meinem Vertrag.
    Seit eindreiviertel Jahr bin ich nun in der stressigsten Abteilung des ganzen Hauses und merke jeden Tag, wie ich an meine Grenzen komme: Ich bin total unmotiviert, mein Selbstbewusstsein ist unterirdisch und ich bin einfach nur frustriert und sauer! Ich merke, dass meine Aufnahmekapazität wirklich erschöpft ist und schalte automatisch ab, wenn mir wieder jemand etwas erklären will. Es geht mir einfach auch inzwischen gegen meine Würde oder Selbstachtung oder wie immer ich das nennen soll, dass ich mich mit meinen 46 Jahren immer noch wie eine Auszubildende fühle.
    Ich hatte ja nie die Chance, einmal Routine und Selbstsicherheit zu entwickeln, weil es dann nach zwei oder drei Jahren in die nächste Abteilung ging und alles wieder von vorn anfing.
    Nebenbei soll ich auch noch eine Sekretärin vertreten, dabei habe ich mein ganzes berufliches Leben lang nur Sachbearbeitertätigkeiten wahrgenommen.


    Der Personalrat kann mir nicht helfen, die Gewerkschaft auch nicht, alles scheitert daran, dass ich diese Klausel im Vertrag habe, wie aber alle anderen auch.
    Ich habe aber definitiv auch keine Kraft, mich nun noch woanders zu bewerben, zumal meine Stelle ja sicher ist und ich woanders wohl kaum eine unbefristete Stelle bekommen würde.


    Ich bin jetzt für insgesamt 5,5 Wochen erst einmal krankgeschrieben, ist eigentlich gar nicht meine Art, mich zu „drücken“. Doch was soll ich tun? Ich hatte eine Woche Urlaub in den Herbstferien und konnte überhaupt nicht abschalten, da ich mir permanent den Kopf zerbrochen hatte, wie ich z. B. die vor mir liegende Vorzimmervertretung schaffen sollte. Ich bin fast verrückt geworden und habe schließlich gedacht: „Das hast du nicht verdient.“ Ich kann nichts mehr aufnehmen und habe Angst, dass ich ständig Fehler mache.


    Habe mich zur Psychotherapie angemeldet, doch die läuft erst in ein paar Wochen an. Irgendwie sehe ich auch nicht wirklich ein, dass ICH jetzt wieder an mir arbeiten soll. Was zuviel ist, ist zuviel! Man kann nicht alle Probleme „wegtherapieren“. Doch Ihr kennt das wahrscheinlich auch: Immer wenn man über Probleme oder Überlastung klagt wird einem eine Therapie nahegelegt. Dabei halte ich mich für sehr reflektiert und ich kann einfach an den Umständen nix ändern.


    Doch mein Chef sagte mir heute, dass ich dringend an mir arbeiten müsste, da solche psychischen Probleme ja auch wie eine tickende Zeitbombe wären und sie dann auch immer Angst haben müssten, dass ich wieder längere Zeit ausfalle. Ich bekam dann Tipps, was ich alles tun sollte, wie auch schon immer mal wieder von meinem Hausarzt: "Tun Sie was, werden Sie aktiv, machen Sie das beste draus." Ja wodurch bin ich denn so erschöpft? Durch das permanente Machen und Tun und gucken und überlegen und grübeln und Nachhaken und nochmal Versuchen... :kopf
    Dabei BIN ich aktiv, doch es liegt ja auch nicht alles in meiner Macht. Ich finde z. B. keine Putzfrau, keine bessere Wohnung, auch keine wirklichen Freunde (darüber habe ich an anderer Stelle schon gejammert) manchmal sehe ich einen Hoffnungsschimmer, doch dann zerschlägt sich alles wieder...


    War jetzt seeehr lang - sorry, kürzer ging's nicht - eher noch länger....


    DANKE fürs Durchhalten und ich freue mich auf Euer Feedback! :thanks:

  • Jule, ich fürchte woanders wird es auch nicht besser. Ich finde 2-3 Jahre schon sehr komfortabel und auch mit 25 Jahren Berufserfahrung als SB mal eine Assistenz zu vertreten, sollte im Rahmen des Machbaren sein.
    Irgendwie fürchte ich, das dir das Umfeld gar nicht mehr liegt - du mit dem Haus"durch" bist - gibt es die Chance auf Versetzung oder Weiterbildung? Damit du irgendwie ganz aus diesem Trott kommst?

  • Hallo Lena,


    danke für deine Antwort.


    Das Arbeiten als SB ist doch etwas ganz anderes als die Vorzimmertätigkeiten. Sitzungen und Dienstreisen vorbereiten etc.


    Was meinst du mit Versetzung? Wir haben nur dieses Haus. Weiterbildung kommt ja aufgrund meiner oben beschriebenen "Blockade" absolut nicht infrage. Ich habe ja permanent gelernt. Nur leider nix wirklich davon gehabt, so wie andere, die wirklich eine Weiterbildung absolviert haben und nun eine Gehaltsgruppe höher sind.

  • Jule40


    das ist das Los, wenn man so auf die 50 geht, einen guten Job hat, und immer noch in der gleichen Firma ist ;-)
    zu den vielen vielen Vorteilen.... die einen idR. davon abhalten, sich etwas anderes zu suchen, kommt die innere Erkenntnis, dass man "die Welt" (bzw. in diesem Fall die Firma) nicht ändern kann :tuedelue


    auch, wenn es Dir nicht gefällt-
    bei den Alternativen Firma wechseln, Verrentung, permanenter Unzufriedenheit-
    bleibt nur die Lösung, sich selber zu ändern, bzw. seine Einstellung dazu....
    da Lernen fällt schwerer, junge rücken nach etcpp.....


    Du hast die Wahl ;-)
    die Firma und die Bedingungen wirst Du nicht ändern können :tuedelue
    von daher bleibt nur, eine Entscheidung zu fällen, und dann das beste draus machen :daumen


    ich hoffe, dass Dir die Therapie dabei helfen kann- weil, letztendlich ist es Dein Leben-

    Lieber Gruss


    Luchsie


    Dein Denken kann aus der Hölle einen Himmel und aus dem Himmel eine Hölle machen.


    Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug. (Epikur)

  • N'abend.


    Zitat

    rgendwie sehe ich auch nicht wirklich ein, dass ICH jetzt wieder an mir arbeiten soll. Was zuviel ist, ist zuviel! Man kann nicht alle Probleme „wegtherapieren“. Doch Ihr kennt das wahrscheinlich auch: Immer wenn man über Probleme oder Überlastung klagt wird einem eine Therapie nahegelegt. Dabei halte ich mich für sehr reflektiert und ich kann einfach an den Umständen nix ändern


    Ich kann das sehr gut nachempfinden. Selber war ich auch mal 6 Wochen stationär in in einer Klinik für psychosomatische Beschwerden gewesen. Danach fast drei Jahre Kunde bei der psychotherapeutischen Ambulanz. Letztlich können die Therapeuten auch nicht die äußeren Umstände ändern. Wenn man das selber auch nicht kann, dann kann ein Perspektivenwechsel helfen. Aber auch das ist nicht der Weisheit letzter Schluß und man kann noch häufiger gewungen sein, seine Lebenseinstellung zu ändern. Es ist auch gut, sich Oasen zu schaffen, wo einen die drängendsten Grübeleien nicht erreichen. Und wenn es nur eine halbe Stunde sportliche Betätigung oder Gartenarbeit ist. In Antriebslosigkeit zu verfallen, ist jedoch aus meiner Sicht das Schlechteste, was man machen kann. Der Tipp, aktiv zu werden, ist nicht der übelste. Wäre ggf. eine Kur/Reha für dich/euch denkbar? Das würde mittelfristig wenigstens etwas Entlastung bringen.


    Wünsche dir für den weiteren Werdegang alles Gute.

  • Normalerweise und das gilt für den öD erst Recht, ist der Arbeitgeber dazu angehalten (verpflichtet) ein sogenanntes Betriebliches Eingliederungsmanagment anzubieten, wenn ein AN mehr als 6 Wochen in 12 Monaten krank ist. Bei uns, in meinen jetzigen Betrieb, ist das auch so ausgeartet mit den Fehltagen der Belegschaft (ca. doppelt so hoch wie der bundesdeutsche Durchschnitt), dass wir mittlerweile einen BEM-Koordinator haben.
    Ob's was bringt, sei dahingestellt. Ich werde es nicht mehr erfahren, weil ich habe nach dem 1. BEM-Gespräch massiv Stellenanzeigen durchforstet und trotz Ü40 und AE nochmal den Hopser gewagt und alles hingeworfen. Genauso wie ein Viertel meiner Kollegen in der Abteilung, die zum größten Teil noch älter sind und 15-25 Jahre dort gearbeitet haben. Ich möchte aber gern glauben, dass es irgendwo noch AG gibt, die so eine BEM-Maßnahme auch ernstnehmen und als Chance begreifen. Und nicht nochmal eins oben drauf setzen.


    Ich war auch, bevor ich die Zusage für meinen neuen Job bekommen habe, beim AA um mich beraten zu lassen. Und sogar die SB dort meinte, trotz dem die normalerweise ein natürliches Interesse haben, die Leute in Lohn und Brot zu halten: Man sollte es nicht so weit kommen lassen, dass man wirklich dauerhaft arbeitsunfähig ist. Der AG stellt jemanden Neuen ein. Und man selbst? Kommt vielleicht garnicht mehr richtig auf die Füße.
    Es gibt imho 3 Optionen
    a) man hält weiter durch
    b) man hält nicht weiter durch und die dauerhafte AU blüht, inkl. Pobelrente
    c) man sucht sich eine neue Stelle, auch wenn mit Probezeit (und schlimmstenfalls befristet) und schafft es entweder oder fällt in die Arbeitslosigkeit.
    Irgendwann ist c) garnicht mehr so übel. Dann nämlich wenn a) und b) noch schlimmer sind.


    Was ich auch oft von Außenstehenden gehört habe ist: Das ist doch jetzt überall so....
    Das macht einen natürlich noch zaghafter, neben AE-sein, Alleinverdiener und (fast) alles befristet um einen rum. Es muss jeder für sich den Punkt erreichen, wo auch das einem nicht mehr hält (siehe a) und b)). Nicht zuletzt das Affentheater um meinen letzten Sommerferienurlaub (Urlaubverbot am Ar*!!) hat mich davon überzeugt, dass ich neben dem täglichen Ausgelaugtsein und nicht mehr Abschalten-Können, sogar meinen Kind keinen Gefallen mehr tue, wenn ich dort weiter bleibe.
    Und meine Therapeutin fragte mich auch, wie ich gedenke mich aus diesem Loch zu befreien. Ich so: Garnicht. Da hilft Radeln und Freunde treffen nicht mehr. Es muss was von Außen kommen, dass einen wieder hochzieht. In dem Fall eben die Zusage für die neue Stelle, soviel ablenken kann man sich garnicht, als das die konkrete Aussicht auf einen Wandel dem gleichkommen könnte. Irgendwann schafft man es nicht mehr. Na, ich jedenfalls nicht.


    Nicht einer(!) meine "Altkollegen" hat sich irgendwann beklagt, dass es ihm jetzt schlechter gehen würde, wo sie neu angefangen haben. Ganz im Gegenteil. Probezeit bestanden, Befristung überlebt, von einer Ausnahme mal abgesehen: mehr Geld. Es gilt sogar das ungeschriebene Gesetz bei uns, das fast alle die bei uns aufhören, "draußen" nochmal einen Sprung nach oben machen, teilweise mit Leitungsfunktion innerhalb größerer Verwaltung inkl. Das liegt auch nicht zuletzt daran, dass es nicht die Unfähigsten sind die gehen, sondern die die nicht zuletzt einen eigenen Kopf haben.


    Aber! jeder muss den Punkt für sich erreichen und das fällt uns öD'lern ja besonders schwer.


    Btw.: Das mit den Umständen kenne ich auch nur zu gut. Mir wurde eröffnet das ich nach mehrwöchiger Vertretung, der Organisation von Projekten, der nebenher-Mitarbeit für einen TZ-Kollegen und! der letzten örtlichen Wahl doch bitte noch! eine Woche Solovertretung machen soll, d.h. die alleinige Verantwortung für einen Fachbereich.
    Und ich stand da, mit Ringen wie Olympia unter den Augen, als auf mich eingeredet wurde und dachte mir ganz sachlich und kühl: "Die werden es niemals hinbekommen". D.h. für mich und einige andere ein Arbeitsumfeld zu organisieren, das nicht in Krankheit oder Kündigung treibt.
    Und jetzt, 8 Monate später gibt es nichts, was darauf hindeutet, das ich mich geirrt habe. Ganz im Gegenteil, mein/e Nachfolger/in soll auch zusätzlich Vorzimmervertretung machen und da ich mit unserer Vorzimmerdame recht gut befreundet bin, weiß ich was das heißt.
    Das sind: Nicht änderbare Umstände. Kollosale Dummheit des AG. Mein Reha-Antrag wurde übrigens auch mit dieser sinngemäßen Begründung abgeschmettert.


    Edit:

    Doch was soll ich tun? Ich hatte eine Woche Urlaub in den Herbstferien und konnte überhaupt nicht abschalten, da ich mir permanent den Kopf zerbrochen hatte, wie ich z. B. die vor mir liegende Vorzimmervertretung schaffen sollte. Ich bin fast verrückt geworden und habe schließlich gedacht: „Das hast du nicht verdient.“ Ich kann nichts mehr aufnehmen und habe Angst, dass ich ständig Fehler mache.
    [....]
    Was zuviel ist, ist zuviel! Man kann nicht alle Probleme „wegtherapieren“. Doch Ihr kennt das wahrscheinlich auch: Immer wenn man über Probleme oder Überlastung klagt wird einem eine Therapie nahegelegt. Dabei halte ich mich für sehr reflektiert und ich kann einfach an den Umständen nix ändern.


    Genauso ging es mir auch.
    Immer die Angst, was falsch zu machen und zu den Umständen habe ich ja schon was gesagt. Ich habe eigentlich nie Fehler hingelegt, und die paar die ich gemacht habe, lagen fast ausschließlich an einer miesen Einarbeitung und dem Fehlen einer vernünftigen Arbeitsaufteilung von oben (wenn jeder denkt, der andere macht's, dauert es nicht lang, und es bleibt tatsächlich was liegen).
    Wenn man eine Arbeitsorganisation selbst für unsinnig hält, auch Sachgründe dagegen sprechen, fällt es einem doppelt schwer damit zurecht zu kommen.
    Ich raffe dieses "System" bis heute nicht, werde ich auch nie, weil es total uneffektiv ist.

    2 Mal editiert, zuletzt von butterblum ()


  • Und meine Therapeutin fragte mich auch, wie ich gedenke mich aus diesem Loch zu befreien. Ich so: Garnicht. Da hilft Radeln und Freunde treffen nicht mehr. Es muss was von Außen kommen, dass einen wieder hochzieht. In dem Fall eben die Zusage für die neue Stelle, soviel ablenken kann man sich garnicht, als das die konkrete Aussicht auf einen Wandel dem gleichkommen könnte. Irgendwann schafft man es nicht mehr. Na, ich jedenfalls nicht.


    Hallo "butterblum", danke für deine ausführliche Antwort. Jetzt fühle ich mich endlich mal verstanden ;-) !


    Von den meisten fühle ich mich überhaupt nicht ernst genommen! "Zuhause zu sitzen ist doch auch keine Lösung, dann wird es doch nur schlimmer! Tu dies, tu jenes - du musst an dir arbeiten! Drückeberger hilft nicht. Treib Sport, triff dich mit Freunden, ... MACH WAS!!!"
    Nicht einmal der Satz:" Ich versteh' dich - kann ich nachvollziehen, wie du dich fühlst. Ist echt sch...." Mehr will ich ja nicht, ist schon klar, dass ich selber aktiv werden und das beste draus machen muss und nicht im Selbstmitleid versinken darf. Aber ständig diese Belehrungen! Als ob ich das nicht alles wüsste. :kopf