Geschichtsunterricht mal anders: Besuch einer KZ-Gedenkstätte

  • Guten Abend


    Ich stell' den Thread mal unter der Rubrik "Schule" ein, da es im weitesten Sinne um Schule, Bildung, Geschichte, Verantwortung ... geht.
    Dank G8 wurde das Fach Geschichte hier in NRW von vier auf drei Jahre eingedampft. Da werden dann schon mal ganze Epochen im Schnelldurchlauf vermittelt.


    Zumindest an einem Punkt würde ich gern meiner Verantwortung nach Vermittlung relevanter geschichtlicher Ereignisse nachkommen und mit der Lütt (dann fast 15) eine Zeitreise in das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte machen. Ich würde mit ihr im Frühjahr 2014 das ehemalige KZ Buchenwald besuchen wollen.
    Seinerzeit wurde das auch gemacht. War aber eingebettet in Kontext. Ich erinnere noch dunkel, dass wir im Deutschunterricht entsprechende Literatur gelesen haben (Nackt unter Wölfen, Werner Holt ...) und dass das Thema natürlich im Geschichtsunterricht behandelt und der Besuch "vorbereitet" wurde.
    Das fehlt ja heuer komplett. Da ist es ein Thema von vielen.
    Mir reicht das nicht. Ich habe in der Familie Verwandtschaft die den Krieg noch unmittelbar miterlebt haben. Mein Vater war so alt wie meine Lütte als der Krieg aus war. Da färben die erlebten erzählten Entbehrungen ab. Manche Aussage, manches Verhalten und ja, auch manches Schweigen wurde mir erst klarer als ich älter wurde. Und anfing mich mit dem Thema Krieg etwas näher zu beschäftigen. Mich haben nicht nur die Berichte zu Hause oder von Verwandten, sondern auch der Besuch in Buchenwald, geprägt.
    Ich halte es für wichtig auch jungen Menschen den sich immer weiter entfernenden Teil dieses Kapitels eindrücklich in Erinnerung zu rufen.
    Da helfen, meiner Meinung nach keine Gruppenarbeit, keine interaktiven Powerpointpräsentationen oder gar multimediale Filmchen auf einem Tablet oder Beamer. Da muss ein greifbarer Ort her. Ein konkreter Punkt in Raum und Zeit der die Ereignisse 'lokalisierbar' macht.
    Und da die Möglichkeiten nun mal existent sind Orte zu besuchen an denen unvorstellbare Gräuel begangen wurden, halte ich es für notwendig diesen Abschnitt der Geschichte so weit wie möglich 'greifbar' zu machen.


    Allerdings ich bin mir was die Umsetzung der Thematik angeht noch unsicher. Ohne da jetzt zu Hause einen erweiterten Geschichtsunterricht draus machen zu wollen, würde ich uns beide gern ein wenig in das Thema hinein vorbereiten.


    Was ich suche sind also bestenfalls ein paar pragmatische Ideen oder Gedanken zur Herangehensweise.
    Z.B. sollte "Schindlers Liste" oder "Das Leben ist schön" via DVD mit anschließender Reflektion des Themas, denke ich, zumutbar sein.

    "Er hatte sich zuende gelebt, war ausexistiert." T. Bernhard - Der Untergeher

  • Das fehlt ja heuer komplett.


    Hi,


    grundsätzlich finde ich deine Idee gut.
    Allerdings kann ich deine Aussage (Zitat) so nicht stehen lassen.


    Meine Tochter war mit der Klasse von der Schule aus im KZ Ravensbrück.


    Wenn es bei euch nicht angeboten wird, finde ich es aber gut, dass du das Thema nahebringen willst.


    Gruß Tigerchen

  • Huhu,


    also wir haben das Thema wirklich tooootal durchgekaut. Mich hats immer total interessiert. Angefangen haben wir mit dem Tagebuch der Anne Frank. Allein das war schon seeehr interessant. Den Film dazu haben wir auch geschaut, auch Schindlers Liste. Aber auch die politische Seite haben wir beleuchtet.


    Ich glaube (je nach Kind) sind Filme manchmal anschaulicher als z.B Museen.


    Ich hätte gerne mal ein KZ angeschaut - auch das Anne Frank Haus in Amsterdam, bin bisher aber leider noch nicht dazugekommen.


    Allerdings denke ich auch, so wichtig wie dieses Thema ist, ist aber auch die Geschichte der DDR wichtig. Die ist z.B bei uns überhaupt nicht durchgenommen worden. Aus heutiger Sicht? Eine Katastrophe - so schürrt man auch, das immernoch Unterschiede zwischen Ost und West gemacht werden, eben aus Dummlaberei und Unwissenheit!

  • hmm...ich finde, Geschichte tut Not, vor allem in der multimedialen Kinderwelt. Ich war mit den Kids mal in Sachsenhausen. Für mich interessanter alledings war ein Besuch der Gedenkstätte Hohenschönhausen... die Führung dort war ergreifend und beklemmend zugleich.... seither mag ich von dieser Ostalgie nichts mehr hören....
    Ich glaub, da gehe ich nochmal mit den Kids hin....

  • Bei uns gab es diese Thematik noch sehr ausführlich im Geschichtsunterricht - das ist gar nicht soooo lange her.
    Wir haben vorbereitend viel im Unterricht redet, gelesen, Geschichtsbücher gestöbert und kleine Filme gesehen. Als Abschluss waren wir dann in Sachsenhausen, was absolut eine andere Nummer war. Ich muss zugeben das ich zu dieser Zeit im Unterricht nicht sehr aufmerksam war und mir durch diesen sehr bewegenden Besuch im KZ erst bewusst wurde, was dort wirklich passiert ist. Vorher war das für mich unvorstellbar das so etwas in der Realität geschehen ist. Wir standen auf dem Hinrichtungsplatz, manche sind sogar in die Leichenhalle gegangen... Danach habe ich mich noch mal (ganz für mich allein) mit den Unterrichtsmaterialien und der gesamten Thematik beschäftigt. Ich denke, für mich ganz persönlich war diese Reihenfolge (erst KZ, dann Theorie) besser aber da ist jeder anders.
    Wir waren (ich weiß nicht mehr ob davor oder danach) noch in einem Bunker, was zwar auch beeindruckend war aber nicht ganz so emotional.

    2 Mal editiert, zuletzt von anri ()

  • Für mich interessanter alledings war ein Besuch der Gedenkstätte Hohenschönhausen... die Führung dort war ergreifend und beklemmend zugleich....


    Sehr sehr beeindruckend war das, da waren wir als Schüler, relativ bald nach der Wende und ich weiß noch alles!


    Andere Stellen habe ich auch besucht, aber da habe ich nicht so lebhafte Erinnerungen. Was nicht heisst, dass es wichtig ist; nur jeder kann die Bilder vielleicht doch nicht verarbeiten? Ich meine auch aktuelle Nachrichten lese ich lieber als die Bilder im TV dazu geliefert zu bekommen. Aber das ist eine persönliche Sache.

  • Also bei uns fahren Schulen oft noch ins KZ Dachau.


    Hab nur gehört, dass die Kinder im Unterricht zu wenig darauf vorbereitet werden, d.h. ein Teil garnicht kapiert, wo sie da jetzt gelandet sind und andere dann total überfordert sind.


    Ich denke auch, dass so Bücher wie "Anne Frank" und "Schindlers Liste" wichtig sind und wenn die Schule das nicht macht, dann sollten die Eltern versuchen die Kinder dazu zu bringen, das zu lesen.

  • SUPER :daumen


    Finde ich klasse und kann aus eigener Erfahrung sagen, dass man sowas auf jeden Fall mal gesehen haben soll.


    Ich war auch in Dachau und in Ausschwitz und muss sagen: Das werde ich nie vergessen.


    Bücher sind zu dem Thema wirklich vorab wichtig, eben Anne Frank und der dazugehörige Film!


    Sehr wichtig, dass sowas in Erinnenrung bleib!


    Fich ich super :daumen:daumen

  • Wir waren mit der Schule im Rahmen einer Klassenfahrt (Studienfahrt) im KZ-Theresienstadt.
    Mich hat der Besuch noch lange danach sehr beschäftigt! Es war für mich wichtig über meine Gefühle sprechen zu können danach.
    Vor einem KZ-Besuch eignen sich viele Bücher und Filme:
    Schindlers Liste
    Der Junge im gestreiften Pyjama
    Anne Frank
    Damals war es Friedrich
    Der gelbe Vogel
    ...


    Jahre später waren wir dann auf einer anderen Studienfahrt in Amsterdam im Anne Frank Haus.
    Leider war dort zu viel Touristen-Andrang, sodass es schwer fiel, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.


    Gibt es in eurer Stadt "Stolpersteine"? Das finde ich immer einen guten Anlass dieses Thema aufzugreifen.


    Und was ich persönlich ganz wichtig finde und was in meinen Augen in der Schule schon immer zu kurz kam:


    Warum müssen wir das wissen? Warum betrifft uns das heute noch?


    Es könnte jederzeit wieder passiert und deshalb müssen wir achtsam sein.
    Um das begreiflich zu machen, ist es gut sich das "Milgram-Experiment" anzusehen (auch in Filmen wird das ja verarbeitet und thematisiert).
    Man kann sich Propaganda von früher (z.B. Leni Riefenstahl, Jud Süß,...) ansehen und sie mit den Strategien der heutigen Nationalsozialisten vergleichen.
    Und nicht zu vergessen: Man kann sich nicht nur das KZ ansehen (Vergangenheit) sondern auch die rassistischen Morde in Deutschland seit den 90ern (Gegenwart: z.B. Berichte über NSU,
    Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen,...).


    Was mich aber neben dem allen am Meisten beeindruckt hat, waren die Erzählungen meiner Oma, die den Krieg als junges Mädchen erlebt hat.

    Erziehung besteht aus 2 Dingen: Vorbild sein und Liebe. (Montessori)


    Es gibt kein problematisches Kind, es gibt nur problematische Eltern. (A.S. Neill)


    Erziehe dich selbst, bevor du Kinder zu erziehen trachtest. (J. Korczak)

  • Meine Tochter war mit der Klasse von der Schule aus im KZ Ravensbrück.


    Ich denke es liegt auch ein wenig an der Geographie. Schulen die im Einzugsgebiet von den Gedenkstätten liegen werden das heute wohl noch eher ins Programm nehmen, als z.B. die NRW'ler. Hier war das letztes Jahr kurz Thema bei einer Elternversammlung, wurde dann aber dieses Jahr nicht mal mehr erwähnt.

    Tagebuch der Anne Frank


    Gute Idee. Nehm' ich mal mit in den Katalog auf. Danke!

    Allerdings denke ich auch, so wichtig wie dieses Thema ist, ist aber auch die Geschichte der DDR wichtig.


    Jepp. Aber davon bekommt sie von mir schon noch genug. Ich mach' ihr zu jeder passenden (und auch unpassenden) Gelegenheit den DDR-Erklärbär. So weit ich das kann ...

    Eine Katastrophe - so schürrt man auch, das immernoch Unterschiede zwischen Ost und West gemacht werden


    Versteh' ich jetzt nicht ganz. Du meinst, man sollte aufhören Unterschiede zu machen?

    Gedenkstätte Hohenschönhausen... die Führung dort war ergreifend und beklemmend zugleich


    Richtig. Aber ein anderes Kapitel. Wenn ich mal nach Berlin komme, würde ich mir dafür allerdings auch mal Zeit nehmen wollen.


    Edit

    Der Junge im gestreiften Pyjama
    Anne Frank
    Damals war es Friedrich
    Der gelbe Vogel


    Danke. Schau ich mir an.

    Warum müssen wir das wissen? Warum betrifft uns das heute noch?


    Das finde ich wichtig. Mir ist wichtig, das sie versteht, das ihr Vater sie nicht nur an eine x-beliebige Gedenkstätte zerrt, sondern das sie eine ungefähre Vorstellung bekommt was Menschen hier Menschen angetan haben. Wie das möglich war. Und aus welchen Motiven. Wie es so weit kommen konnte.

    Propaganda von früher (z.B. Leni Riefenstahl, Jud Süß


    Auch eine Möglichkeit der Herangehensweise.


    Und ja, hier gibt es "Stolpersteine".

    "Er hatte sich zuende gelebt, war ausexistiert." T. Bernhard - Der Untergeher

    2 Mal editiert, zuletzt von Instetten ()

  • Wir waren damals mit der Schule im KZ Buchenwald.


    Ist jetzt schon ca. 15 Jahre oder mehr her, aber meine Erinnerungen sind noch sehr lebendig.


    Es war sooooooooo kalt dort (wir waren im Dezember dort).


    Und der Film, der dort gezeigt wurde...


    Danach hatte zumindest ich lebhaft vor Augen, was dort geschehen sein muss...


    Ich möchte diese Erfahrung nicht missen.


    Danach waren wir übrigens in Weimar auf dem Weihnachtsmarkt, Kontrastprogramm...


  • Genau diese Dinge fehlen leider oft im Unterricht und sind der Grund warum wohl viele Jugendliche (mich damals eingeschlossen) sich dem kaum öffnen. Wie wichtig dieses Thema auch heute noch ist, kam mir erst später in den Sinn. Das lag vielleicht auch daran, dass ich absolut keinen familiären Bezug habe. Oma und Opa hatte ich nicht und meine Eltern haben mit uns nie über solche emotionalen Themen gesprochen.
    Wenn du Instetten einen engeren Bezug hast, dann nutze den unbedingt!!

  • Zitat

    Zitat von »Zann«
    Eine Katastrophe - so schürrt man auch, das immernoch Unterschiede zwischen Ost und West gemacht werden

    Zitat


    Versteh' ich jetzt nicht ganz. Du meinst, man sollte aufhören Unterschiede zu machen?

    Jap, es gab ne Widervereinigung, es ist ein Land und es gibt in ganz vielen Köpfen immernoch die Ossis und die Wessis. Angefangen bei Ost und Westgehalt z.B - es ist mal an der Zeit damit aufzuhören. Und dazu gehört auch die Aufklärung über die DDR.



    Zitat

    Zitat von »Zann«
    Tagebuch der Anne Frank

    Zitat

    Gute Idee. Nehm' ich mal mit in den Katalog auf. Danke!

    :daumen


    Dazu kann ich noch ein Buch empfehlen. Das hab ich mir damals privat für den Unterricht gekauft. Google mal nach Wortgewimmel und Anne Frank. Ist ein blaues Buch.

    2 Mal editiert, zuletzt von Zann ()

  • Interessant.
    Habe mir das für meinen Sohn und später für die kleine auch vor genommen.


    Bin selbst sehr an jüngerer Geschichte interessiert und hoffe, den Kids ein guter Begleiter zu sein,


    LG

  • Mein Vater war so alt wie meine Lütte als der Krieg aus war. Da färben die erlebten erzählten Entbehrungen ab. Manche Aussage, manches Verhalten und ja, auch manches Schweigen wurde mir erst klarer als ich älter wurde. Und anfing mich mit dem Thema Krieg etwas näher zu beschäftigen. Mich haben nicht nur die Berichte zu Hause oder von Verwandten, sondern auch der Besuch in Buchenwald, geprägt.


    1 Nachmittag bei Kaffee und Kuchen mit einem lebenden Zeitzeugen und seiner persönlichen Geschichte und diese Zeit wird greifbar, bekommt einen realen Bezug. Dieser ist dann abschreckend genug.


    Meine Oma (1925) verarbeitete ihre Kriegserlebnisse extrovertiert. Unverhohlen und mit einer Wahrheit, welche ich mir als Kind nicht wirklich gewünscht hätte.
    Mein Opa schwieg und hat seine Erinnerungen mit in die Demenz genommen.


    Geschichte kann man seinen Kindern am besten am Realen nahe bringen. Dinge, welche den Kids nahe stehen, in das Licht des Krieges/NS-Zeit rücken. Schau dich mal in/an eurem Ort um, wo sind die Zeichen dieser Zeit???