Teil 1:
Ich sags mal so, meine Tochter, also meine Kleine, kommt schon stark nach mir. Nicht nur im positiven Verhalten, sondern auch in einigen negativen Punkten. Ich war als Kind ähnlich schwierig und meine Mutter war sicher heilfroh, nur ein Kind gehabt zu haben. Wenn das in den Genen liegt, ist das also sicher eine Komponenten.
Diese Bindungsstörung hat sie ja schon lange. D.h. es ist ja nicht so, dass wir erst seit 2 Jahren Probleme mit ihr haben. Nur hat sie dies anfangs anders ausgedrückt. Mit 3 nannte sie die Erzieherinnen Mama und zeigte stark distanzloses Verhalten. Sie hat nie wie andere Kinder gefremdelt. Natürlich habe ich das ernst genommen und es folgte der erste Besuch beim Psychologen. Es folgten verschiedene Spieltherapien, Ergotherapie, etc. Mit 4-5 wurde es aber dennoch schlimmer und es zeigte sich die ganze Bandbreite von ADHS Symptomen, dazu ging es da mit dem Klauen los. Erst noch Süssigkeiten im Kindergarten, später auch mal Geld und andere Dinge. Der KiGa "diagnostizierte" ADHS und wir sollten einen Integrationskindergartenplatz beantragen. Das haben wir auch gemacht. Sie hatte danach 2 Jahre eine spezielle Einzelbetreuung im Kindergarten. Es folgten wieder Psychologengespräche und wir wurden aufgeklärt. Erstmalig wurde auch die Bindungsstörung diagnostiziert. Uns wurde gesagt, die kann man nicht wirklich therapieren in dem Alter und für das Kind sei wichtig, dass es eine sicher Bindung habe und man ihm das zeigt. Sowohl meine Partnerin, als auch ich, haben das auch so versucht, ihr die Aufmerksamkeit gegeben, die sie brauchte. Trotz der Probleme lief es in der Familie harmonisch ab. Meine Große liebte ihre Schwester und plante und organisierte immer ihre Geburtstage, um es ihr besonders schön zu machen. Mein Sohn, der etwas hinten dran war, was die Entwicklung anging, hatte mit seiner kleinen Schwester eine treue Spielkameradin. Die beiden waren unzertrennlich. Mit 7 folgte erst die Einschulung, weil der Kindergarten sie nicht loslassen wollte, weil sie noch nicht schulreif war und noch den geschützen Rahmen brauche. Auch da hab ich mich überall rückversichert, welche Entscheidung die richtige ist und so stimmte ich zu. Keine Ahnung, ob es so gut war. Mit 7 erst kam sie dann in die Schule, aber auch hier zunächst in die Vorklasse. In diesem Jahre lief alles auf einmal super. Die Lehrerin war eine ältere, sehr erfahrene Dame und sie machte im Unterricht mit und wir hatten fast das Gefühl, wieder ein "normales" Kind zu haben. Sicher suchte sie vermehrt Aufmerksamkeit. Aber ich hatte das immer aufgeteilt und auch versucht, mit jedem Kind alleine etwas zu machen. So gab es auch am Abend 1 1/2 Stunden zu Bett geh Ritual. D.h. halbe Stunde der Kleinen etwas vorlesen oder spielen, dann meinem Sohn, dann die Große. Einfach auch, um jeden Kind zu zeigen, dass es seine alleinige Aufmerksamkeit bekommt. Daneben haben wir auch als Familie viel unternommen. Meine Partnerin war da schon 4 Jahre da und die Kinder liebten sie und meine Kleine fragte sie auch, ob sie Mama zu ihr sagen dürfe, da ihre Mutter damals noch sehr distanziert war, was sich erst in den letzten beiden Jahren gebessert hatte. Nach der Einschulung in die 1. Klasse mit 8 Jahren kam dann wieder der Rückschlag. Das Stehlen fing an und sie verteilte das Geld auf dem Schulhof, weil sie damit wohl Freundschaften kaufen wollte. Sie hatte damals ein sehr bestimmenden und dominierendes Verhalten, was ihr Freundschaften erschwerten. Sie wollten den Kindern aufzwingen, was zu spielen war und wenn sie nicht wollten, wurde sie beleidigend und die beginnenden Freundschaften mit Gleichaltrigen meist schon am Ende. So suchte sie sich jüngere Freunde, meinst 4-5 Jährige und spielte oft mit 2 kleinen Zwillingen die erst 2 waren und passte auch öfter auf sie auf, wenn deren Eltern einkaufen waren. Mit den Kleinen ging sie total liebevoll um. Sie hatte in der 1. Klasse ihre bisher einzige konstante Freundin kennen gelernt, die sie bis vor ein paar Wochen noch hatte. Gestern meinte sie, diese Freundschaft wäre im Streit beendet worden und die Freundin hätte den Kontakt abgebrochen. Auch da werde ich heute Abend mal den Vater besuchen, den ich gut kenne, ob man das nicht wieder hinkriegt, denn meine Tochter leidet sehr und das andere Kind legt immer wieder auf, wenn sie dort anruft. In der 2. Klasse zogen wir ins eigene Haus, nicht zuletzt, weil wir auf einen Neuanfang in einer anderen Schule hofften. Es war alles so verfahren, aber es gab auch noch andere Gründe (Vermieterstress). In den Herbstferien der 2. Klasse wechselte sie also in eine Schule am Nachbarort. Dort lief es erst einmal wieder super. Kein Stehlen mehr und eine erfahrene Lehrerin, die ihr sehr gut tat. Sie hatte sehr gute Noten, nur 1er und 2er. Die Klasse selber war dennoch schwierig, denn dort hatte man alle Problemfälle "angesammelt", um drei gut laufende Parallelklassen zu erhalten. Das wusste ich da noch nicht. Es lief also lange gut und meine Partnerin machte Mittags mit ihr HA und die beiden verstanden sich sehr gut. Anfang 3. Klasse kam dann der Schock: Die Lehrerin zog der Liebe wegen weg und eine junge Referendarin übernahm die Klasse. Die war hoffnungslos überfordert und konnte meiner Kleinen nicht mehr die Aufmerksamkeit geben, die sie schulisch brauchte. Die Noten sackten ab, sie wurde immer schwieriger in der Schule, das Stehlen nahm massiv zu, die Probleme zu Hause genauso. Dazu kam, dass sich mein Sohn langsam pubertätsbedingt von seiner Schwester löste und keine Lust mehr hatte, mit ihr zu spielen. Hier war der Krebs noch kein Thema und gegen Mitte der 3. Klasse wurde die ganze Situation so schlimm, dass meine Kleine schulische Erziehungshilfe bekam. Es wurde uns empfohlen, sie in einer Tagesklinik anzumelden und eine Diagnostik zu machen. Dort machte man erst einmal verschiedene Tests und das Thema ADHS wurde genannt. Von den 7 Monaten wo sie dort war, natürlich wieder eine andere Schule - die Klinikschule - , bekam sie 8 Wochen lang verschiedene Medikamente wie Medikinet, Strattera etc. Nachdem diese keine Wirkung zeigten, schloß man ADHS aus und diagnostizierte ebenfalls eine Bindungsstörung (Wie schon Jahre zuvor, aber ich wollte auch eine 2. Meinung haben). Gegen Ende der Behandlung empfahl man uns, Familienhilfe zu beantragen und meine Tochter wieder auf eine andere Schule zu geben. Eine Förderschule für Lernhilfe. Hintergrund war, dass sie aufgrund ihres Verhaltens kaum noch beschulbar war. Eine Schule für Erziehungshilfe wäre eigentlich angebracht gewesen. Daneben erwog ich den Besuch einer anderen Grundschule mit weniger Kindern im Nachbarort. Eben wieder ein Neustart, denn in der alten Schule wäre sie wieder in das alte Umfeld gekommen und das hätte den Therapieerfolg der Tagesklinig gefährdet. Dachten wir alle damals zumindest. Aber ich war auch unsicher, denn wer gibt sein Kind schon freiwillig in eine Sonderschule? Ich forderte einen runden Tisch ein, an dem die Direktoren der verschiedenen Schulen teilnahmen. D.h. ich telefonierte wirklich einige Tage rum auch mit den Mitarbeitern der schulischen Erziehungshilfe. Und ich erreichte meinen runden Tisch. Dabei haben wir dann alle 2 Stunden diskutiert, welche Schulform die beste für meine Tochter sei, wo sie den besten geschützten Rahmen und die meiste Aufmerksamkeit bekommt. Die Grundschule wollte sie nicht wirklich, weil sie dort als deutlich älteste in der Klasse Schwierigkeiten bekäme, die Erziehungshilfe argumentierte damit, dass sie dort im Augenblick das einzige Mädchen unter vielen sexuell auffälligen Jungs sei.. Alle waren sich einig, dass die Schule für Lernhilfe die richtige Schule sei. Ich war aber immer noch unsicher. Also hospitierte ich einige Tage stundenweise in der "künftigen" Klasse und lernte auch die dortige Lehrerin kennen. Ich bekam ein gutes Gefühl. Die Lehrerin war erfahren und ging sehr liebenvoll mit den Schülern um un die Kinder in dieser Klassen waren wohl im Vergleich zu anderen Klassen, strebsamer und wurden teilweise auf die Rückführung an eine Regelschule vorbereitet. Ich entschied mich schweren Herzens dazu und meine Kleine war nach einen Besuch dort ebenfalls angetan. Dazu bekamen wir an 5 Tagen die Woche Familienhilfe. Wirklich besser wurde damit aber kaum etwas, wenn ich jetzt so zurückblicke, obwohl viel an und mit uns gearbeitet wurde. Schulisch bekam sie eine sehr gute Bindung zu ihrer Lehrerin und nach anfänglichen Problemen und späterer, sogar eingeschränkter Beschulung von 2 Stunden am Tag, ging es mit ihr sehr gut. Nur mit den Fachlehrern war nichts zu machen. Sie ging einfach nicht hin und lies sich auf dem Pausenhof suchen oder abholen. Ende letzten Jahrend spitzte sich die Situation zu und die Familienhilfe war überfordert und empfahl eine stationäre Diagnostik. Dort ist sie jetzt seit einigen Wochen.
Ich denke, dass auch die vielen Lehrer- und Schulwechsel ihren Teil zur Problematik beigetragen haben. Gerade der Wechsel in der 3. Klasse war sehr schlimm. Da haben fast alle Eltern und Kinder auf der Verabschiedung der Lehrerin geweint.